Christopher Street Day in Hannover: Feiern mit angezogener Handbremse

Mehr als 2.000 Menschen haben sich zur CSD-Parade in Hannover versammelt. Die gescheiterte Neufassung des „Transsexuellengesetzes“ sorgte für Kritik.

In Regenbogenfahnen gehüllte Radfahrer warten im Demozug darauf, dass es weitergeht.

Die Fahrräder sollten auf dem CSD in Hannover für Abstand sorgen Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

HANNOVER taz | In vielen anderen Städten haben sie aufgegeben. Haben den Christopher Street Day (CSD) noch einmal ins Netz verlegt wie schon 2020 oder in den Spätsommer geschoben, in der Hoffnung, dass dann mehr geht. Zu nervtötend, zu schwierig und unberechenbar erscheint die Organisation angesichts von ständig wechselnden Corona-Auflagen.

„Wir haben das hier auch überlegt, es gab tausend Gespräche und Diskussionen und ein endloses Ringen um die Bedingungen“, sagt Magrit Schulz vom Verein andersraum, der den CSD in Hannover seit einigen Jahren organisiert. Am Ende einigte man sich mit den Ämtern und der Polizei auf eine Fahrraddemo unter Auflagen. Zudem gab es schon am Pfingstsamstag ein virtuelles Programm. Nur die eigentlich auch noch geplanten kleinen, dezentralen Straßenfeste mussten ausfallen.

Zur Auftaktkundgebung auf dem Schützenplatz und zum anschließenden Zug durch die Innenstadt kamen am Pfingstsonntag aber immerhin mehr als 2.000 Teilnehmer – trotz niedriger Temperaturen und zeitweisem Nieselregen.

„Das schlägt natürlich alles ein bisschen auf die Feierlaune, es ist anders als früher“, sagen Jo und Martin, die vor der Bühne darauf warten, dass es endlich losgeht. Die Masken werden von den meisten brav getragen, auch wenn sie das Rauchen und Trinken erschweren und so manch kunstvolles Make-up dadurch nicht so schön zur Geltung kommt.

Politisch dominiert die Wut übers Transsexuellengesetz

Die Fahrräder oder sonstigen Gefährte – zu Fuß darf man nicht teilnehmen – sorgen für ein bisschen Abstand, obwohl von der Bühne auch immer mal wieder angemahnt werden muss, nicht allzu dicht beieinander zu stehen. Die Stimmung schwankt irgendwo zwischen Demoernst und Familienausflug, zwischen „trotzdem“ und „endlich wieder“.

„Es ist schon ein bisschen wie feiern mit angezogener Handbremse, aber echt besser als gar nichts“, sagt Mara Greiz, die mit ihren sieben WG-Mitbewohner*innen hier aufgelaufen ist und immer wieder sagen muss: „Wir sind ein Haushalt.“

Politisch dominiert das Thema „Transsexuellengesetz“ und die jüngste Abstimmung im Bundestag – durch viele Wortbeiträge ziehen sich die Wut, Enttäuschung und das Unverständnis der Szene angesichts der gescheiterten Reform. Die Neufassung des 40 Jahre alten und in Teilen verfassungswidrigen Gesetzes war an Unstimmigkeiten innerhalb der Großen Koalition, vor allem aber am Widerstand der CDU gescheitert.

Den Unmut bekommen auch einige der Po­li­ti­ke­r*in­nen zu spüren, die beim CSD Hannover für ihre jeweiligen Parteien brave, kurze Grußworte vortragen dürfen. Vor allem Christine Karasch, der hier die undankbare Aufgabe zufällt, die CDU zu vertreten, muss sich ein bisschen böses Geraune und einzelne Buhrufe anhören.

Ein absolutes Heimspiel ist der CSD dagegen für Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne), der hier als Schirmherr fungiert. In den nun schon anderthalb Jahren seiner Amtszeit hat er bisher keine Gelegenheit ausgelassen, für LGBTQI-Rechte Stellung zu beziehen und Flagge zu zeigen – und Kritik daran stur weggelächelt.

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