Christian Wulffs Haus: "Unglaublich bieder"
Das dubios finanzierte Haus des Christian Wulff, Bundespräsident, teilt uns etwas über seinen Bewohner mit. So urteilt der Architekt Philipp Dittrich.
taz: Herr Dittrich, was sagt der Architekt zu Wulffs Häuschen?
Philipp Dittrich: Ich vermisse an dem Haus ein gewisses Maß an erkennbarer Zeitgenossenschaft und Gestaltungswillen. Klar gibt es gerade im Fertighausbereich viel schlimmere Häuser - man hätte zum Beispiel die Dachaufbauten sicherlich noch viel größer oder zahlreicher machen können, als sie bei dem Haus schon sind.
Aber grundsätzlich ist das einfach ein unglaublich biederes Häuschen, was dann auch noch so tut, als wäre es alt oder hätte eine handwerkliche Qualität. Die Proportionen stimmen nicht und die Fensterkreuze sind nur aufgeklebt. Das Glas ist nicht wirklich geteilt wie bei echten historischen Fenstern.
Aber eine gewisse Volksnähe kann man dem Haus nicht absprechen.
Vielleicht hat diese architektonische Durchschnittlichkeit für manche auch eine sympathische Seite. Immerhin ist für die Mehrheit das Einfamilienhaus immer noch das bevorzugte Wohnmodell. Ich finde auch gar nicht, dass Politiker unbedingt in von Szene-Architekten entworfenen Villen residieren müssen. Aber sie vertreten immerhin auch den Anspruch, Gegenwart und Zukunft einer Gesellschaft gestalten zu wollen - und für mich drückt dieses Haus nicht aus, dass hier jemand wohnt, der darüber perspektivisch nachdenkt.
ist Architekt beim Bundesamt für Raumwesen. In einem Leserbrief beschrieb er Wulffs Haus als "architekturferne Manifestation der Pendlerpauschale".
Der Bauherr hat sich hier etwa nur sehr wenige oder gar keine Gedanken gemacht, ob das Einfamilienhaus, unter ökologischen und städtebaulichen Gesichtspunkten gesehen, überhaupt noch zukunftsfähig ist. Ein Einfamilienhaus nimmt im Vergleich zu seiner tatsächlichen Wohnfläche viel zu viel Platz ein.
Also eine halbe Million Euro in den Sand gesetzt?
Bei der Summe wäre gute Architektur jedenfalls problemlos möglich gewesen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen