Chinesische Militärmanöver: Chinas Kriegsspiele um Taiwan
Noch nie seit den 90ern hat Peking mehr Kriegsschiffe rund um Taiwan entsandt. Hinter der Eskalation mit Ansage steht Kalkül.
Der Anlass für das Säbelrasseln liegt auf der Hand: Zu Beginn des Monats hatte Taiwans Präsident Lai Ching-te (auch bekannt als William Lai) eine Pazifik-Reise zu verbündeten Inselstaaten unternommen – und jeweils auf dem Hin- und Rückweg einen Zwischenstopp auf US-Territorium eingelegt. Dabei handelte es sich um semi-offizielle Termine, durchaus bedacht darauf, die Parteiführung in Peking nicht allzu sehr zu erzürnen. Doch in den Augen Pekings ist Lai ein rotes Tuch: Separatist wird der 65-Jährige im Duktus der kommunistischen Parteiführung genannt, Unruhestifter und Kriegsprovokateur.
Am Dienstagnachmittag wurde Mao Ning, Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, während der täglichen Pressekonferenz zu den Kriegsschiffen rund um Taiwan befragt. Ob erneute Kriegssimulationen bevorstünden, wie es schon mehrfach in den letzten Jahren der Fall war?
China sieht Konflikt als innerchinesische Angelegenheit
Ihre Antwort fiel wie zu erwarten aus: Man könne dazu nichts sagen, da Taiwan eine innerchinesische und eben keine diplomatische Angelegenheit sei. Doch interessant ist, dass die Sprecherin eben auch bevorstehende Militärübungen nicht explizit dementiert hat.
Man kann die routinierte Eskalationsspirale der Chinesen als politisches Theater abtun; als einstudiert und erwartbar. Und tatsächlich deutet die niedrige Aufmerksamkeit darauf hin, dass genau dies passiert: Selbst in den großen Zeitungen ist die Nachricht rund um die 90 chinesischen Kriegsschiffe nicht einmal eine Randnotiz wert.
Doch dabei handelt es sich um eine eklatante Fehleinschätzung, die der Ernsthaftigkeit der Lage nicht gerecht wird. „Je routinierter diese Übungen werden, desto weniger Aufmerksamkeit werden sie erregen, was sich darauf auswirken könnte, wie Hinweise und Warnungen vor tatsächlich bevorstehenden Militäraktionen interpretiert werden“, sagte der mittlerweile pensionierte US-General Heino Klinck am Montag in Washington.
Was der zweifache Militärattaché der US-Botschaft in Peking umschreibt, ist die sogenannte Salami-Taktik der Chinesen: Scheibchenweise wollen sie die Lage eskalieren, mit ständigen Provokationen die taiwanischen Streitkräfte mürbemachen. Und vor allem zielt die Strategie darauf ab, wohldosiert den Status Quo zu verschieben – so langsam, dass es die internationale Staatengemeinschaft nicht bemerkt. Was gestern noch als undenkbar galt, wird schon heute als normale Provokation der Chinesen mit einem Schulterzucken abgetan.
Übungen zunehmend schwerer von Ernstfall zu unterscheiden
Während der letzten Jahre etwa hat sich die Häufigkeit chinesischer Kampfflugzeuge, die rund um Taiwans Luftraum schwirren, immer weiter erhöht. Sie fliegen immer waghalsigere Manöver, erscheinen auch tief in der Nacht, nähern sich bis auf wenige Meter den taiwanischen Jets. Und auch die simulierten Inselblockaden finden immer häufiger statt.
All dies erhöht die Gefahr, dass reine Militärübungen zunehmend schwerer vom Ernstfall zu unterscheiden sind. Dass China jetzt rund 90 Kriegsschiffe entsendet, ist nur ein weiterer Beleg für diese These. Fakt ist jedoch auch, dass die Gefahr eines offenen Konflikts derzeit von nahezu allen Experten als weiterhin gering eingeschätzt wird. Denn die Risiken eines Krieges sind immens.
Möglicherweise jedoch könnte der künftige US-Präsident Donald Trump die Risikoabwägung in den Augen der chinesischen Staatsführung verschieben: Sollte Peking nämlich davon ausgehen, dass die Vereinigten Staaten im Ernstfall nicht ihrem Verbündeten militärisch beistehen würden, dann läge Taiwan nahezu schutzlos wie auf dem Präsentierteller.
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