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Chinesische Küche und KulturVon Kuchen und Mythen

Zum chinesischen Mondfest verschenkt man Mondkuchen. Dabei kommen Fragen auf: Wie schmeckt Mondstaub? Und wer ist die Frau im Mond?

Ist Mondstaub eine gute Füllung für Mondkuchen? Foto: imago

Mondkuchen sind kleine Kunstwerke, sehr hübsch und mittelmäßig lecker. Oben sind sie mit Blumen, Schriftzeichen, oder roten Mustern verziert. Manchmal wünschen die Schriftzeichen ein langes Leben, oder sie weisen auf die jeweilige Kuchenfüllung hin: Fleisch, Ei, Lotuswurzel, rote Bohnenpaste, Walnuss, gemahlener Sesam oder Vanillepudding sind nur der Anfang. Nicht selten ist eine Füllung beides, Sesam und Eigelb, süß und salzig, irgendwie toll und irgendwie irritierend. Wie das Leben halt.

Mondkuchen gibt es vor allem in der Zeit um das Mondfest, auch zhōngqiūjié, Mitteherbstfest genannt, das dieses Jahr auf den 21. September fällt. Zum Mondfest bedankt man sich in vielen ost- und südostasiatischen Ländern für die Ernte. Man kommt mit Familie und Freun­d:in­nen zusammen, betrachtet den Mond und verschenkt mondrunde Pomelos – und eben Mondkuchen in großen, edel anmutenden Blechdosen.

DIY-Fans und Ba­ck­en­thu­si­as­t:in­nen sollten dazu wissen: kann man machen, muss man aber nicht. Mondkuchen selbst machen ist weder einfach noch nötig. Zum Mondfest werden lieber gekaufte Mondkuchendosen weitergereicht, im Kreis, rund wie der Mond halt, von Cousine zu Onkel zu Nach­ba­r:in zu Kol­le­g:in zu Mitarbeiter:in, oft ohne dass die Dose geöffnet wird.

Eingeschweißt sind die Mondkuchen häufig sehr lang haltbar und können im Folgejahr wieder verschenkt werden. Die Vermutung liegt deswegen nahe, dass Mondkuchen weniger zum Essen als vielmehr als Geste des Schenkens überreicht werden. Vor sehr langer Zeit sollen die Kuchen sogar für die Übermittlung geheimer Botschaften benutzt worden sein – Vorläufer der Glückskekse sozusagen. Einen Mondkuchen anzuschneiden, zu teilen und dabei einfach nur über den Mond nachzudenken ist trotzdem ganz schön.

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Bei der ausgiebigen Mondanbetung ergeben sich nämlich wichtige Fragen. Warum ist der Mond so hell? Warum so schön? Warum ist er mal riesig und dann wieder so klein? Wie war das noch mit Ebbe und Flut? Warum sehen die Mondkrater von der Erde aus wie ein Häschen? Ist der Mond aus Käse? Wieso macht der Mond melancholisch? Warum wollen Menschen, nachdem sie kurz davor sind, ihren eigenen Planeten zu zerstören, nun auch noch 6,7 Millionen Sperma- und Eiproben auf dem Mond lagern? Und weshalb spricht man in Deutschland vom Mann im Mond, in China aber von einer Mondgöttin?

Bei der Betrachtung des Monds muss man nicht auf alle Fragen Antworten finden. Man kann auch einfach eine Geschichte erzählen, zum Beispiel die von der Mondgöttin Cháng’é. Diese Sage aus der chinesischen Mythologie geht, kurz gefasst, etwa so:

Als die Erde noch sehr jung war, brannten zehn Sonnen auf sie hinab. Es gab nur Tage, keine Nächte, und kaum eine Pflanze konnte auf der Erde wachsen, weil es so furchtbar heiß und trocken war. Eines Tages entschied sich der Bogenschütze Hòu Yì, etwas dagegen zu unternehmen. Er zielte auf den Himmel und schoss neun der zehn Sonnen ab. Als Belohnung beschenkte ihn Xīwángmǔ, die Königinmutter des Westens und Vermittlerin zwischen Himmel und Erde, mit einem Elixier, das ihm Unsterblichkeit schenken würde. Doch Hòu Yì zögerte. Der Inhalt des Fläschchens reichte nur für eine Person. Ein unendliches Leben ohne seine Frau Cháng’é konnte er sich jedoch nicht vorstellen. Also verstaute er den Trank unter seinem Bett.

Für immer Ruhe vor ihrem Bogenschützenmann?

Cháng’é konnte sich das allerdings schon vorstellen: ein unsterbliches Leben ohne ihren Mann. Eines Nachts trank sie das ganze Elixier allein. Als Hòu Yì erwachte, sah er, wie Cháng’é draußen in Richtung Himmel davonschwebte. Er griff wütend nach seinem Bogen und versuchte, sie zurück auf die Erde zu schießen, doch er traf nicht. Und so schwebte Cháng’é in den Himmel hinauf, bis auf den Mond, wo sie fortan und für immer lebte. Hòu Yìs Wut verschwand mit der Zeit, und immer wenn er den Mond betrachtete, dachte er voller Mitleid an seine Frau, weil er glaubte, dass sie sicher sehr einsam sein müsste. Bis zu seinem Tod legte Hòu Yì deshalb jede Nacht ein paar Früchte und Süßspeisen auf einen Teller als Gabe für seine Frau.

Wie bei den meisten Mythen gibt es viele Varianten dieser Geschichte. Cháng’é ist dabei wahlweise eine leichtsinnige bis hin zu einer zaubertrankabhängigen, wenig gescheiten Frau. Einmal wird sie sogar für ihre Tat bestraft, indem sie in eine Kröte verwandelt wird. In einer populären Version gesellt sich ein kleiner weißer Hase zu Cháng’é auf den Mond. Vielleicht kursiert irgendwo auch eine Erzählung, in der Cháng’é auf dem Mond für immer Ruhe vor ihrem aggressiven Bogenschützenmann haben wollte? Aber – auch wieder wie bei den meisten Sagen – sind die Einzelheiten im Grunde gar nicht so wichtig.

Das Bildnis der Mondgöttin und des kleinen Hasen findet sich auch auf manchen Mondkuchen. Völlig mythenlos ist Cháng’é derweil außerdem schon fünfmal auf dem Mond in Form von unbemannten Mondsonden der chinesischen Raumfahrtbehörde gelandet. Anders als in der überlieferten Geschichte durften sie nicht alle dort oben bleiben. „Cháng’é 5“ musste am 16. Dezember 2020 mit 1.731 Gramm Mondstaub und Gesteinsproben zur Erde zurückkehren.

Und wieder stellen sich Fragen: Ist es erlaubt, Mondsubstanz zu entführen? Wäre Mondstaub eine gute Mondkuchenfüllung? Auch darüber kann man sinnieren, während man den Vollmond betrachtet und (keinen) Mondkuchen isst.

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