piwik no script img

Chinas Nationaler VolkskongressPolitshow wie gehabt, trotz Corona

Mit dem Nationalen Volkskongress will die Kommunistische Partei den Sieg über das Coronavirus demonstrieren – und die Rückkehr zur Normalität.

Staats- und Parteichef Xi Jinping grüßt am Donnertag Delegierte in Pekings „Großer Halle des Volkes“ Foto: Carlos Carcia Rawlins/reuters

PEKING taz | Just als am Donnerstagnachmittag die Parteikader des Beirats den Nationalen Volkskongress eröffneten, zog sich die Wolkendecke in Peking zu einem apokalyptischen Dunkel zusammen. Es begann zu donnern und in Strömen zu regnen. Der meteo­rologische Zufall bot eine passende Metapher: Tatsächlich steht die Tagung des chinesischen Scheinparlaments, der weltweit größten Veranstaltung ihrer Art, unter den stürmischen Vorzeichen der Coronakrise.

Der erstmals um zweieinhalb Monate verschobene Volkskongress hat viel mit einer politischen Kirmes gemein. Denn die Parlamentarier haben keine wirkliche Entscheidungsgewalt. Vereinzelt jedoch wird das Spektakel zu politischen Debatten genutzt, wenn auch Präsident Xi Jinping den öffentlichen Diskurs zunehmend eingeengt hat.

Jetzt wird jedoch allein die logistische Herausforderung als letzter Schritt gewertet, den symbolischen Sieg gegenüber dem Virus zu deklarieren. Schließlich reisen für die Veranstaltung über 3.000 Kader aus allen Landesteilen nach Peking.

Die internationale Aufmerksamkeit richtet sich vor allem auf die Eröffnungsrede von Li Keqiang am Freitagmorgen. Darin wird der Premierminister die Wachstumsziele von Chinas Wirtschaft für das laufende Jahr ausgeben. Unabhängige Ökonomen trauen ihr trotz eines historischen Einbruchs von 6,8 Prozent im ersten Quartal ein Plus zwischen 1 und 2 Prozent zu.

Wie groß wird die Wachstumsdelle?

Wahrscheinlich wird das offizielle Ziel etwas über den tatsächlichen Gegebenheiten liegen. Doch schon jetzt steht fest: Das ursprüngliche Ziel, dass China bis Jahresende sein Bruttoinlandsprodukt seit 2010 verdoppelt, muss wohl auf 2021 geschoben werden.

Xiang Bing, der Vorsitzende der Pekinger Cheung Kong Graduate School of Business, ist dennoch verhalten positiv gestimmt: „Ich denke, dass Chinas Wirtschaft derzeit in einer relativ guten Position ist. Denn wir verfügen im Gegensatz zu vielen anderen Ländern über eine ziemlich vollständige Zuliefererkette.“

Das bedeute, der Markt von 1,4 Milliarden Chinesen kann sich weitgehend selbst genügen und hängt nicht mehr so stark von Exporten ab. „Zudem gibt es in China noch sehr viele Industrieren, die wir deregulieren – und dadurch zum Wachstum bringen können“, sagt der Ökonom.

Dass die Regierung wieder ein massives Investitionspaket schnürt, womit sie erfolgreich die Folgen der Sars-Pandemie und der letzten Weltwirtschaftskrise abfederte, ist jetzt unwahrscheinlich. Der Staat ist inzwischen schlicht zu hoch verschuldet, zudem ist der Bedarf an neuen Straßen, Brücken und Schienen gesunken.

Angst vor zweiter Infektionswelle

Seit zwei Wochen wirbt Präsident Xi für die Wiederaufnahme der Wirtschaftsaktivitäten. Dabei gibt es in mehreren Landesteilen nach wie vor die Gefahr einer zweiten Infektionswelle. In der Provinz Jilin wurden nach neuen Infektionssträngen mehrere Städte abgeriegelt, im früheren Virus-Epizentrum Wuhan wird nach sechs Neuinfizierten die gesamte Bevölkerung von 11 Millionen auf Covid-19 getestet.

Außenpolitisch fürchtet die Partei, dass der Virusausbruch zu steigende Ressentiments gegen China führt. Dabei hat die Regierung derzeit diplomatisches Oberwasser: Bei der jährlichen WHO-Generalversammlung trat Präsident Xi zu Wochenbeginn geradezu staatsmännisch auf, versprach der Welt zwei Milliarden US-Dollar zur Virusbekämpfung und forderte, potenzielle Impfstoffe als „öffentliches Gut“ zu behandeln.

Xi dürfte den Volkskongress jetzt nutzen, um nach außen Einigkeit zu demonstrieren. Chinas Führung „muss sich als erfolgreicher Krisenmanager und gleichzeitig als glaubwürdiger Anwalt des Volkes präsentieren“, sagt Nis Grünberg von der Berliner Denkfabrik Merics.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Eigentlich eine prima Sache: China darf sich als "the good guys" gerieren. Das freut mich tatsächlich, und ich finde, das sollte man auch honorieren. Vor Trumps Hintergrund wirken die so richtig zivilisiert (was auch wieder nicht schwierig ist).

    Ausser...

    ... des Ausschlusses Taiwans bei der WHO-Tagung



    ... Hong Kong



    ... Xinjiang



    ... Tibet, immer wieder Tibet



    ... und noch so ein paar Menschen mit abweichenden Meinungen



    ... habe ich noch was vergessen?

    Politik ist ein Teufelsgeschäft :-(

    • @tomás zerolo:

      ... habe ich noch was vergessen?

      da wären noch die uiguren,

      die Menschen verachtende Arbeits-- und überwachungspolitik,

      die katastrophale Umweltpolitik,

      die Regimegegener im Knast oder im Grab

      und und und...

      • @Justin Teim:

        "die uiguren"

        die hatte ich drin: Xinjiang.

        "überwachungspolitik"

        das ist ein interessantes, komplexes Thema für sich: die meisten Chines*innen sind damit ganz rund, und unsere Sicherheitspolitiker*innen kriegen dabei Stielaugen. Spannendes Thema.

        "...katastrophale Umweltpolitik"

        Auch ein sehr spannendes Thema. Bei denen steht Wachstum vor allem anderen (verständlich). Auf der anderen Seite haben die "uns" ohne sichtliche Mühe bei der Einführung von Elektrobussen in Metropolen überholt.

        "...Regimegegner..."

        Ja, auch das finde ich ganz schlimm.

    • @tomás zerolo:

      Trump unzivilisiert. Also wirklich.........

      Sie mögen Trump und dessen Politik nicht? Selbstverständlich, gibt ja sicher auch genug zu kritisieren. Dennoch sollten sie sich mal folgende Frage stellen: haben sich seit Trumps Amtsantritt die weltweiten Konflikte eher verschärft oder haben sie sich eher abgeschwächt?

      Oder wie es dieses Bild hier auf den Punkt bringt: media.thedonald.wi...post/BGuKIJoQ.jpeg

  • Nicht erst seit der Coronakrise tritt der Staatsmann Xi staatsmännisch auf. Die Krise deckt nur Schwachpunkte der Ideologien schneller auf. Während in den USA die Todesopfer in die Hunderttausende gehen, hat China schnell und transparent gehandelt und ihre Opferzahlen gering gehalten. Während die USA in erster Linie an ihren Lieblings-Pharmamonopolisten Pfitzer denken und Impfstoffe nicht freigeben wollen, stellt China ohne Bedingungen Offene Patente in Aussicht. Wenn man unvoreingenommen die letzten Jahre zurückblickt, ist China schon länger ein weitaus verlässlicherer Partner als die USA. Und das nicht erst seit Trump am Ruder ist. Sinnlose Militäroperationen, das Ausspionieren von Politikern befreundeter Staaten, Isolationismus.. wenn China sich in internationaler Diplomatie so verhalten würde wie die USA, dann würde der hiesige Blätterwald brennen. Man sollte Staaten an ihren Taten in der Gegenwart messen. Und da ist China im Moment bei weitem verlässlicher als die USA.

    • @Weltbürger_01 Kantioler:

      "Während in den USA die Todesopfer in die Hunderttausende gehen, hat China schnell und transparent gehandelt und ihre Opferzahlen gering gehalten."

      Welch grandiose Realitätsverweigerung.

      Die Opferzahlen gehen in den USA in die Hunderttausende eben weil China NICHT schnell und transparent gehandelt hat.

      Und woher wollen sie wissen, daß die Opferzahlen in China gering sind? Das können sie nur glauben, wenn sie sich auf die offiziellen Zahlen der chinesischen Regierung verlassen.

      Platz des himmlischen Friedens, 1989. Irgendwie ein Begriff?

    • @Weltbürger_01 Kantioler:

      Beim Geschäfte machen ist China vlt. verlässlicher als die USA.

      Ansonsten aber ist China die m.M. nach erschreckenste Diktatur unserer Zeit. Menschenrechte zählen nicht. Der Model "gläserne Mensch" wird perfektioniert durch Machtmisbrauch.



      Der Umweltschutz und Arbeitsschutz ist nach wie vor eine Katastrophe. Minderheiten werden unterdrückt und brutal verfolgt.



      Das Südchinesische Meer wird schon mal als Eigentum Chinas betrachtet.

      Hong Kongs Demokratie ist aktuell von Peking unter Beschuß.

      www.tagesschau.de/...itsgesetz-101.html

      Man muß Staaten an ihren Taten messen - ich wünsche Ihnen nicht in China wohnen zu müssen, dann würden Sie den Unterschied zu den USA sehr schnell begreifen.

      Man misst heutzutage die Staaten an den möglichen finanziellen Gewinnen die man mit denen machen kann und deshalb sind die Europaer alle ganz stark beim wegschauen, was in China passiert.