Chinas Militärmanöver vor Taiwan: Kriegsspiele am Schachbrett
Während China eine Taiwan-Blockade probte, berechneten US-Militärexperten den kriegerischen Ernstfall. Die Prognosen bleiben unklar.
Den Ernstfall eines hypothetischen Angriffskrieg Chinas haben kürzlich US-Militärexperten vom Center for Strategic and International Studies (CSIS) simuliert. Die Berechnungen für 2026 spuckten ein aus US-Sicht sowohl hoffnungsvolles als auch erschütterndes Resultat aus: In den meisten Szenarien konnten die Taiwaner mit US-Hilfe ihre Insel verteidigen, wenn auch ein Sieg auf allen Seiten mit schweren Verlusten verbunden wäre. So würde etwa das US-Militär in einem nur vierwöchigen Krieg die Hälfte seiner gesamten Marine und Luftwaffe verlieren.
Natürlich hat es einen zynischen Beigeschmack, wenn in Washingtoner Denkfabriken Kriegsspiele wie am Schachbrett konzeptioniert werden. Schließlich möchte man sich die Folgen eines militärischen Konflikts zwischen den beiden Weltmächten nicht einmal vorstellen. Doch angesichts der größten Spannungen um Taiwan seit Jahrzehnten macht es Sinn, alle Eventualitäten zu bedenken.
Zuletzt hat Chinas Militär schließlich nur wenige Kilometer vor Taiwans Küste eine Blockade der Insel geübt und Raketen über dessen Gewässer abgeschossen. Begleitet wurde das von offensiv formulierten Machtansprüchen.
Invasion Taiwans ist nicht das wahrscheinlichste Szenario
Chinas Regierung hat am Mittwoch ein neues Weißbuch zur „Taiwan-Frage“ publiziert mit der unmissverständlichen Botschaft: „Wir werden uns mit größter Aufrichtigkeit und allen Kräften für eine friedliche Wiedervereinigung einsetzen. Aber wir verzichten nicht auf Gewaltanwendung und behalten uns die Möglichkeit vor, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen“. Einige Seiten später heißt es gar: „Noch nie waren wir unserem Ziel der nationalen Vereinigung so nah.“
Die Aussagekraft von Kriegssimulationen ist beschränkt. Denn viele Variablen sind offen – allen voran, ob die USA im Ernstfall Taiwan militärisch zur Seite stehen. Auch lässt sich wegen Chinas Intransparenz kaum prognostizieren, welche Waffen es demnächst noch entwickeln könnte.
So ist eine Invasion Taiwans gar nicht das wahrscheinlichste Szenario. Denn einerseits möchte China seine Waffen nicht direkt auf jene Menschen richten, die es in der Propaganda als chinesische Landsleute bezeichnet. Auch besteht die Gefahr, dass bei einem Angriffskrieg auch kritische Infrastruktur in Taiwan zerstört wird – allen voran die Halbleiterfabriken des Marktführers TSMC, der fast 60 Prozent aller Mikrochips weltweit herstellt. Die Hälfte davon geht nach China.
Wahrscheinlicher ist eine Inselblockade, wie sie Chinas Militär jetzt geprobt hat. Dabei soll Taiwan wirtschaftlich isoliert werden, indem chinesische Schiffe den Zugang zu den wichtigsten Häfen sperren. Derzeit passieren 240 Schiffe täglich die Straße von Taiwan. Chinas Militär hat zwar jetzt bewiesen, wie rasch es eine solche Sperre verhängen könnte.
Doch gleichzeitig legten die Militärmanöver auch „Chinas eigene wirtschaftliche Verwundbarkeit“ offen, wie David Uren vom Australian Strategic Policy Institute argumentiert. Denn Chinas größte Häfen in Schanghai, Tianjin und Dalian sind auch stark von der Durchfahrt der Meeresenge abhängig. Wie Bloomberg jüngst analysierte, passieren dort zudem jeden Tag Tanker mit 1 Million Barrel Öl die nur 130 Kilometer breite Taiwan-Straße.
Doch abseits der wirtschaftlichen Folgen hat Michael E. O’Hanlon von der Washingtoner Brookings Institution kürzlich untersucht, ob eine militärische Blockade Taiwan wirklich in die Knie zwingen würde. Er kommt zu einem offenen Ergebnis: Es gäbe ähnlich viele glaubwürdige Szenarien, die sowohl einen chinesischen als auch taiwanischen Sieg prognostizieren würden.
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