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China gegen Modekonzern H&MSie wissen, was sie tun

Fabian Kretschmer
Kommentar von Fabian Kretschmer

China traktiert den Modekonzern H&M wegen dessen Haltung zur Zwangsarbeit. Firmen sollten sich im Klaren sein, worauf sie sich in dem Land einlassen.

Wer nicht nach Chinas Pfeife tanzt, bekommt den Zorn: Polizisten vor H&M-Laden in Peking Foto: UPI Photo/imago

W enn ausländische Firmen wie der Modekonzern H&M „gecancelt“ werden nur dafür, dass sie sich gegen Zwangsarbeit positionieren, dann scheint endgültig ein Tiefpunkt erreicht. Doch im China des Xi Jinping ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch dieser ein weiteres Mal unterboten wird.

Dieser Tage zeigen sich so deutlich wie selten die Schattenseiten vom Geschäftemachen in der Volksrepublik. Jedes europäische Unternehmen muss unweigerlich einen moralischen Drahtseilakt hinlegen, wenn es am boomenden Konsumentenmarkt von 1,4 Mil­liarden Einwohnern teilhaben möchte. Denn wer es wagt, nur im Leisesten Kritik an der Staatsführung zu üben, fliegt schneller außer Landes als eine Maschine von Air China. Ein unbedacht gewählter O-Ton reicht oftmals aus, um Tausende Arbeitsplätze und Milliardengewinne zu gefährden.

Dementsprechend verbreitet ist das Duckmäusertum. Als Peking-Korrespondent erfährt man im Wochentakt solch beschämende Situationen: Der Autokonzern-Chef, der selbst im Hintergrundgespräch nichts zur firmen­eigenen Fabrik sagen möchte. Der deutsche NGO-Leiter, der eine harmlose Klimadiskussion „off the record“ halten möchte. Oder der entsandte Sportfunktionär eines großen Fußballclubs, der stolz davon berichtet, dass er seinen Stürmer-Star auf Linie bringen konnte, nachdem dieser auf seinem persönlichen Twitter-Account seine Solidarität zu den Uiguren zeigen wollte.

Dass die chinesische Regierung künftig die globalen Spielregeln stärker gestalten möchte, ist nüchtern betrachtet längst überfällig. Peking ist eine Weltmacht, die natürlich das Recht hat, ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Ihre Kernbotschaft lautet: Wer nicht nach unserer Pfeife tanzt, bekommt unseren wirtschaftlichen Zorn zu spüren.

Das mag zwar moralisch bedauerlich sein, ist jedoch nüchtern betrachtet die Realität der Dinge. Europäische Unternehmen sollten sich jedoch im Klaren sein, worauf sie sich einlassen. Spätestens nach dem Fall von H&M kann niemand mehr sagen, man hätte von nichts gewusst.

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Fabian Kretschmer
Korrespondent in Südkorea
Seit 2024 Korrespondent für die koreanische Halbinsel und China mit Sitz in Seoul. Berichtete zuvor fünf Jahre lang von Peking aus. Seit 2014 als freier Journalist in Ostasien tätig. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Betreibt nebenbei den Podcast "Beijing Briefing". Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.
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10 Kommentare

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  • Unter Hu Jintao sah es noch so aus als würde sich China weiter öffnen und auch politisch reformieren, da war Vertiefung der Kooperation auch von uns aus richtig. Aber Xi Jinping, insbesondere seit 2018, dreht alles zurück in die Diktatur und Gegnerschaft zum Westen.

  • Zitat:



    "Peking ist eine Weltmacht, die natürlich das Recht hat, ihre eigenen Interessen zu verfolgen."

    Dem widerspreche ich. Peking hat nicht das Recht, ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Nicht aus Sicht des Menschenrechts, das universell gilt.

    Die Aufwertung der z.T. menschenfeindlichen Interessen der eigenen Nation gegenüber anderer Nationen ist eine Eigenschaft des Nationalismus, welcher in keinster Weise toleriert gehört.

    Natürlich verstehe ich, dass es die harte Realität ist, aber wenn wir nur nach dieser handeln, vernachlässigen wir, in der Bequemlichkeit der Gleichgültigkeit, für bessere Bedingungen zu sorgen. Und ein Boykott oder ein Embargo gegen eine Weltmacht scheint zwar mit Risiken verbunden zu sein, aber setzt Zeichen. Und da hoffe ich, dass Konzerne auch mal ein Ding durchziehen.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Dann sollten wir bei uns anfangen. H&M schikaniert hier in D. seine Mitarbeiter, die einen Betriebsrat bzw. Arbeitnehmervertretung gründen wollen. Haben Sie diese Firma boykottiert? . Wenn wir nichtmal bei uns das machen.... Was meckern wir über China.



      Diese Firma verwendet die selben Methoden bei seine Mitarbeiter und das hier in Deutschland.

  • War vielleicht doch nicht die richtige Strategie im Westen, allen voran USA, China als Feindbild aufzubauen, Handelskrieg anzuzetteln und das Land rauszukanten, siehe Huawei 5G, Android, während man aber keine Probleme hatte, deren Billiglöhne mitzunehmen, um seinen Ranz im Westen mit maximaler Gewinnspanne zu verhökern, siehe Apple.

    Wenn "wir" in Afrika die Meere leerfischen oder durch subventionierte Exporte deren Wirtschaft ersticken oder gar nicht erst hochkommen lassen, steht uns das natürlich zu, wir sind ja die Guten (TM). Wenn China dort Landgrabbing betreibt oder große Infrastrukturprojekte aufzieht, um den gleichen Effekt zu erreichen, ist das natürlich total verwerflich, denn China gehört zur Achse des Bösen (TM).

    Außer den USA, deren Regime das Konzept Kooperation nicht kennt, sondern nur die Brechstange (militärische Gewalt, Destabilisierung von Staaten, die den "Führungsanspruch" der USA nicht akzeptieren und andere Modelle fahren, und weltweite Monopole), würden vermutlich alle anderen Staaten lieber nicht einen Großteil ihrer Energie und Ressourcen in Konfrontation investieren, wenn es sich vermeiden lässt. Aber diese Konflikte bekommen sie aufgezwungen, in der Hoffnung, dass das ähnlich ausgeht wie bei der Sowjetunion.

    Da wird nichts draus. China hat seine Schlüsse aus diesem Vorgang gezogen und braucht den Westen in Zukunft weniger als umgekehrt. Die sind nicht mehr das Entwicklungsland, das man mit ein paar Kanonenbooten in Schach halten und plündern kann. Und so hat sich USA durch andauernde Aggression und Europa durch devotes Mitmachen seine Gegenspieler selbst gezüchtet. Gilt genauso für Russland und Iran.

    Und so regiert auf allen Seiten die Dummheit, die Hardliner werden reihum bestätigt. Kluge Politik wäre Entspannungspolitik, aber wo ist der Willy der EU?

  • 9G
    97287 (Profil gelöscht)

    Geht es nicht ein bisschen kleiner. Saudi Arabien oder Kuweit trampeln auf den Menschenrechten vor unserer Haustür.



    wir liefern Ihnen dazu die Polizeiausrüstung. in Griechenland dulden wir die Lager und bezahlen Griechenland dafür, dass die Geflüchteten weiter in den Lagern gehalten werden( gilt auch für die Türkei). Israel wird mit Millionen unterstützt, damit im Gazastreifen und in der Westbank Ruhe herrscht.



    Aber wir brechen die Beziehungen zu China ab, wegen muslimischer Separatisten die unter dem Vorwand des Glaubens Autonomie fordern.



    Bin gespannt wo H&M jetzt produzieren lassen- in Vietnam? oder Bangladesch oder Pakistan? Den Leuchttürmen der Menschenrechtler.

    • @97287 (Profil gelöscht):

      H&M und MENSCHENRECHTEN! Nicht nur das mit der Produktion. Hier in D. verhält sich H&M genauso grausam im Umgang mit seinen Mitarbeitern. Wer seine Rechte in Form einer Arbeitnehmervertretung will, wird drangsaliert oder sogar gekündigt. Oder wenn Frauen ein Gleichgewicht zwischen Arbeit und privates Leben wollen, wird mit Kündigungen angedroht.



      Also zuerst vor unserer Haustür kehren und erst dann die ganze Welt, nur so wird ein Schuh daraus.

    • 9G
      97287 (Profil gelöscht)
      @97287 (Profil gelöscht):

      Sorry, Ägypten habe ich vergessen, da gibt es auch billige Baumwolle , ebenso in Indien. Man sollte mal bei den Briten anfragen, die haben mit Baumwollimporten In den letzten 150 Jahren jede Menge Erfahrungen.

    • @97287 (Profil gelöscht):

      "Aber wir brechen die Beziehungen zu China ab, wegen muslimischer Separatisten die unter dem Vorwand des Glaubens Autonomie fordern."

      Die wollen eigentlich nur in Frieden leben. Dass nach jahrelanger Diskriminierung, Antagonisierung, Folter, Entmensch- und -rechtlichung der ein oder andere inzwischen gerne Autonomie hätte, ist zum einen verständlich und zum anderen immer noch kein Grund für die Gräueltaten. Sie schlicht "Separatisten" zu nennen, zeigt Ihre Tendenz in dem Konflikt.

      Auch der Whataboutism am Anfang ist fehl am Platze.

  • Sie lange wird es noch möglich sein, Artikel wie diesen in der taz zu veröffentlichen ohne dass der Korrespondent umgehend aus China ausgewiesen wird?

  • Dass die chinesische Regierung aber jetzt auch so plötzlich asozial geworden ist. Bin total erschrocken.