China-Kritikerin Carmen Lau: Deepfakes gegen Demokratie
Mithilfe von gefälschten Nacktfotos soll der Ruf der aus Hongkong geflüchteten Aktivistin geschädigt werden. Sie spricht von „transnationaler Repression“.
In ihrem Kampf für Demokratie in Hongkong hat Carmen Lau schon viele Opfer bringen müssen: 2021 musste sie aus der Stadt fliehen, als China dort die Demokratiebewegung zerschlug. Die heute 30-Jährige hat ihr Mandat im Bezirksparlament verloren, ihre Partei musste sich auflösen. Doch auch im britischen Exil war Lau schon mit Steckbriefen konfrontiert, die Unbekannte in ihrer Nachbarschaft verteilt hatten. Und Chinas Botschaft setzte für Hinweise, die zu ihrer Ergreifung führen, eine Belohnung von einer Million Hongkong Dollar (umgerechnet 107.000 Euro) aus.
Beunruhigend daran war, dass Hongkongs Polizei Carmen Lau über die offizielle Webseite der Polizei suchen lässt und eine Belohnung in der gleichen Höhe ausgelobt hat. Vorgeworfen wird Lau, deren Geburtsname auf kantonesisch La Kar-men lautet, in dem offiziellen Online-Steckbrief „Aufwiegelung“ und „Verschwörung mit ausländischen Elementen zur Gefährdung der nationalen Sicherheit“. Schon die Steckbriefe waren eine „schwere psychologische Last“, sagte Lau. Sie traute sich nur noch mit einer Kappe und Maske aus dem Haus. Bald suchte sie sich eine neue Wohnung an einem anderen Ort.
Den Mund lässt sich die Aktivistin zum Ärger Pekings und Hongkongs auch in ihrem Exil in einem Londoner Vorort nicht verbieten. Vielmehr organisiert sie Menschen, die dorthin aus Hongkong geflohen sind, und setzt sich weiter für Demokratie und Freiheit in ihrer Heimat ein. Lau zählt auch zu den größten Kritikern des geplanten, aber bisher nicht genehmigten Neubaus der chinesischen Botschaft in London. Das wäre Chinas weltgrößte Auslandsvertretung. Sie könnte, so fürchten viele, bei Chinas Spionageaktivitäten im Königreich helfen, die in den letzten Jahren Berichten zufolge bereits ein dreistes Ausmaß angenommen haben.
Und jetzt auch noch Deepfakes
Doch nun haben Carmen Laus unbekannte Gegner, mutmaßlich aus dem Umfeld der Peking-nahen Hongkonger Regierung oder gar aus Chinas Staatssicherheitsapparat, noch härtere Geschütze aufgefahren: Sie verschickten an frühere Nachbarn Briefe, in denen Lau in Montagen leicht oder gar nicht bekleidet in sexuell-aufreizenden Posen oder beim Geschlechtsakt zu sehen ist und sexuelle Dienstleistungen anbietet. Solche Deepfakes genannten Montagen lassen sich leicht mit Programmen oder künstlicher Intelligenz erzeugen. Diese Form der geschlechtsspezifischen Gewalt nutzten in der Vergangenheit häufig Männer, um sich an ihren Ex-Partnerinnen zu rächen.
Bei Lau scheint das Ziel die Einschüchterung einer politischen Aktivistin zu sein. Mit den Worten „Ich bin eine Frau und ich werde auf diese Art bedroht“, wird die Aktivistin im Guardian zitiert, der als Erster darüber berichtete. Sie bezeichnet die Briefe mit den sexualisierten Angriffen „als Eskalation transnationaler Repression“.
Laut der britischen Polizei wurden die Briefe an Lau in Macau abgeschickt. Die frühere portugiesische Kolonie und heutige chinesische Sonderverwaltungsregion ist Hongkongs Nachbarstadt auf der anderen Seite des Perlfluss-Deltas.
Lau ist laut Guardian nicht als Einzige solchen neuartigen Angriffen ausgesetzt. Auch die Frau des früheren Hongkonger Abgeordneten der Demokratischen Partei, Ted Hui, wird mit Deepfakes verleumdet. Zwar stand sie nicht in der Öffentlichkeit, doch das legt die Vermutung nahe: Das sind keine Einzelfälle, sondern eine organisierte Kampagne gegen Demokratie-Aktivistinnen.
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