Chemisches Recycling bei Dior: Zurück zum Öl
Dior setzt auf chemisches Recycling, um Verpackungen nachhaltiger zu machen. Diese Methode kann sinnvoll sein, ist es aber nicht immer.
Eastman mit Sitz in Kingsport, Tennessee, setzt auf „chemisches Recycling“. Das bedeutet, Kunststoffe werden durch hohe Temperaturen oder Lösungsmittel wieder in ihre molekularen Bestandteile zerlegt und in ihre Ausgangsform zurückversetzt. Je nach Methode können dabei auch unterschiedliche Kunststoffe zusammen verarbeitet werden.
Für das Material aus Tennessee namens Cristal(TM) Renew Copolyester werden Abfälle aus Polyester oder Polyamid – also etwa Pet-Flaschen oder Nylon – mit einem chemischen Lösungsmittel aufgelöst und in Einzelmoleküle zerlegt, die von fossilen Rohstoffen nicht zu unterscheiden sind. Als Ausgangsmaterial werden sie wieder in den Produktionskreislauf eingeführt.
Chemisches Recycling, an dem in Deutschland unter anderem auch der Ludwigshafener BASF-Konzern arbeitet, könnte eine Lösung für die großen Mengen alter Verpackungen oder Verbundkunststoffe sein. Noch immer werden nur 47 Prozent aller Kunststoffabfälle recycelt, der Rest wird verbrannt und dabei höchstens zur Energiegewinnung genutzt. Deshalb hat das chemische Recycling es sogar ins Wahlprogramm der Union für die Bundestagswahl im kommenden September gebracht. Darin heißt es, neben der „Forschung zu Re-Oil-Verfahren“ wolle man „auch das chemische Recycling fördern“.
UBA: Herkömmliches Recycling ist vorzuziehen
Das Umweltbundesamt (UBA) ist bislang eher skeptisch gegenüber den neuen Verfahren. Es sieht darin zwar Potenzial für einen nachhaltigen Umgang mit Kunststoffen: Chemisches Recycling sei geeignet, Schadstoffe aus Stoffströmen zu entfernen und auch solche Kunststoffe zu recyceln, bei denen mechanisches Verfahren – also schreddern und neu gießen – nicht geeignet sind. In einem Hintergrundpapier wertete das UBA die Verfahren besser als die Verbrennung. Wo aber herkömmliches Recycling möglich sei, sei es vorzuziehen.
Das sieht auch Dieter Stapf vom Institut für Technische Chemie am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) so. Er forscht seit Jahren an Verfahren zum chemischen Recycling mit hohen Temperaturen. „PET-Flaschen können bis zu fünf Mal mechanisch recycelt werden“, sagt er, „danach werden die Polymerketten zu kurz und der Kunststoff erreicht das Ende seines Lebenszyklus.“ An dieser Stelle greife chemisches Recycling. Auch bislang gar nicht recycelbare Dinge, etwa Schaumstoffmatratzen, seien Gegenstand intensiver Forschung. Es müsse für chemisches Recycling nicht mehr Energie aufgewendet werden als für mechanisches, sagt Stapf. Schließlich müssten auch in herkömmlichen Anlagen Sortierbänder laufen, Kunststoffe gewaschen und danach wieder eingeschmolzen werden. Doch die Technik sei einfacher und daher billiger. „Wo mechanisches Recyceln Vorteile hat, sollte man es einsetzen“, sagt Stapf.
Energiebilanzen fehlen
Die Circular Economy Initiative Deutschland stellte in einer Übersichtsstudie zu Kunststoffverpackungen fest, die „Effizienz, die Wirtschaftlichkeit sowie die Beiträge der unterschiedlichen Verfahren zum Klimaschutz“ seien bislang strittig. Bevor die Techniken in einen breiten Einsatz kämen, müssten „jedoch für die einzelnen chemischen Verfahren noch Energiebilanzen erstellt, Emissionen geprüft, Gesundheitsrisiken analysiert und die Umweltbilanz im industriellen Maßstab betrachtet werden“. Dann bestehe die Chance, dass sich aus dem breiten Spektrum an Verfahren Schlüsseltechnologien herauskristallisieren, die entscheidend zu einer klimaneutralen Kreislaufwirtschaft beitragen könnten.
Henning Wilts, Abteilungsleiter Kreislaufwirtschaft am Wuppertal Institut, hält deshalb derzeit wenig davon, chemisches Recycling für Kosmetikverpackungen einzusetzen. „Alle Verfahren des chemischen Recyclings setzen mehr CO2 frei als mechanische“, sagt Wilts. Würden an sich recyclingfähige Verpackungen aus dem gelben Sack, die gut sortiert und deshalb auch mechanisch zu bearbeiten seien, im chemischen Recycling landen, sei das „eine katastrophale Fehlentwicklung“. Dann würden nicht nur etablierte, nachhaltigere Verwertungswege zerstört. „Die Hersteller von Verpackungen könnten sich von der Pflicht entbunden fühlen, leichter recycelbare und ressourcenschonende Kunststoffverpackungen zu entwerfen“, sagt Wilts. Genau darauf komme es aber in einer künftigen Kreislaufwirtschaft an.
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