Chefredakteurin Ines Pohl verlässt die taz: Mach‘s gut!
Eine Frau mit Prinzipien, schlagfertig, belesen, telegen: Ines Pohl hat sich in der taz immer rückhaltlos eingebracht.
Die Emotionalität dieses Augenblicks erklärt sich einerseits aus der Überraschung über die Personalie. Die allermeisten Anwesenden waren nicht eingeweiht in Pohls Pläne. Sie erklärt sich aber auch aus der Erkenntnis, dass in der wechselvollen Geschichte der taz in diesem Moment eine Chefredaktions-Ära zu Ende geht.
ChefIn sein ist in diesem linken Projekt, in dem seit 37 Jahren grandios der Wunsch nach Führung mit dem Widerstand gegen ebendiese kollidiert, keine einfache Angelegenheit. Alles wird persönlich genommen. Und als Person hat Ines Pohl sich in ihren zurückliegenden sechs Jahren rückhaltlos eingebracht.
Fragt man unter den KollegInnen herum, welche Eigenschaften sie mit ihrer - nun ehemaligen - Chefredakteurin verbinden, kommt umgehend sehr viel Lob. Schnell im Denken sei sie, heißt es dann. Schlagfertig. Telegen. Belesen. Und laut auf eine zupackende, Nähe herstellende Weise. Sie sei eine ausgezeichnete Sängerin. Und eine Kollegin, deren Koordinatensystem in erster Linie von journalistischer Ethik bestimmt ist. Eine Frau mit Prinzipien mithin.
Insgesamt, das darf man so sagen, ist Ines Pohl eine Journalistin, die Konflikten nicht nur nicht ausweicht, sondern sie auch bis zum Ende austrägt. Ernst in der Sache, nie verletzend im Ton. So schnell wirft die Frau mit den Boots nichts um. Selbst in stürmischen Situationen verfügt die 48-Jährige über einen inklusiven Humor, der tatsächlich jeden und jede meint und einbezieht.
Dinge bewegen, KollegInnen fördern
In der taz, muss man dazu wissen, bedarf es einer gewissen Leidensfähigkeit im Zwischenmenschlichen. So egalitär das Menschenbild ihrer Redaktionsmitglieder ist, so hart kann das Ringen um linke Überzeugungen ausfallen. Wer auch immer Ines Pohl nachfolgt, wird das auszuhalten haben. Ihr Co-Chefredakteur Andreas Rüttenauer wird nun die Geschäfte weiterführen.
In Washington dürfen sie sich auf eine Kollegin freuen, die Dinge bewegt. In den zurückliegenden sechs Jahren hat Ines Pohl das Projekt einer üppigen Wochenend-Ausgabe vorangetrieben, die den Vergleich mit anderen Publikationen nicht scheuen muss. Pohl hat geduldig gegen die Ängste altgedienter KollegInnen anargumentiert. Sie hat taz.de gepusht und das ins Werk gesetzt, was die Branche heute unter Print-Online-Verzahnung versteht. Sie hat junge KollegInnen gefördert und dafür gesorgt, dass die taz und ihre Mitarbeitenden in sehr engem Kontakt mit ihren Leserinnen und Lesern stehen. Sie hat das Blatt nach außen vertreten und mit Verve für die Idee der Genossenschaft geworben, deren 15.000 Mitglieder die taz finanzieren.
Als an diesem Freitagvormittag alles gesagt ist, verlässt Ines Pohl den Konferenzraum. Das war kein leichter Gang. Wenig später trifft man sie in ihrem Büro in der vierten Etage wieder, dem berühmten Glaskasten. Die Blumen der KollegInnen stehen in einer Vase auf ihrem Schreibtisch. Am Fenster steht die lebensgroße Pappfigur von Michelle Obama und applaudiert stumm.
Was machst du jetzt, Ines? „Ich räume mein Büro auf und dann mache ich Sport.“
Wie geht es dir jetzt? „Gut. Ich bin gut mit der taz.“
Danke, Ines, für die gemeinsame Zeit mit dir. Alles Gute!
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