Chatbots in der Kundenbetreuung: „Der primäre Grund sind Standards“
In der Kundenbetreuung werden Menschen oft durch Chatbots ersetzt. Timo Sievers, Chef der Freenet-Kundenbetreuung, erklärt, was sie können.
taz: Herr Sievers, wann hatten Sie das letzte Mal mit einem Chatbot zu tun?
ist Head of Costumer Management bei Freenet, einem deutschen Telekommunikations-Anbieter mit Sitz in Hamburg.
Timo Sievers: Ich rufe wahnsinnig gerne bei der Konkurrenz oder bei anderen Unternehmen an, um zu erfahren, was sich bei denen so tut beim Thema Chatbots. Aber mein Eindruck ist: Da passiert noch nicht so richtig viel.
Warum setzen Unternehmen – Sie ja auch – Systeme wie Chatbots oder Voicebots ein?
Kunden denken immer, das machen die Anbieter, um Geld zu sparen. Das stimmt aber nicht. Der erste Grund ist die Sortierung von Anliegen: Wir wollen das Anliegen der Kunden direkt zu den passenden Mitarbeitern bringen. Der zweite ist Automatisierung: Wenn Kunden zum Beispiel ihre SIM-Karte sperren lassen wollen, dann können sie das so an 24 Stunden an 7 Tagen in der Woche tun.
Dann geht es doch vor allem ums Geldsparen, weil weniger Mitarbeiter für Nachtschichten nötig sind?
Das ist nicht nennenswert: Wir müssen schließlich trotzdem Menschen dort sitzen haben, für den Fall, dass etwas schiefgeht. Etwa, weil ein Kunde eine falsche Nummer eingegeben hat. Der primäre Grund sind Standards.
Wie meinen Sie das?
Wenn jeder von uns beim Kundenservice anrufen würde, um die SIM-Karte sperren zu lassen, hätten wir ganz unterschiedliche Erlebnisse – einfach, weil wir mit unterschiedlichen Leuten sprechen würden. Weil es unterschiedliche Persönlichkeiten sind, die wir da am Telefon erreichen, sie vielleicht unterschiedlich geschult sind. Im besten Fall hat jeder von uns ein positives Erlebnis, aber ganz sicher wird es unterschiedlich sein. Bei einem standardisierten, digitalisierten Prozess ist es allerdings immer gleich.
Aber wir würden doch immer alle mit unterschiedlichen Erwartungen anrufen.
Das stimmt. Dennoch zeigen unsere Kundenbefragungen eine große Zufriedenheit mit unseren Bots.
Ehrlich? Egal, mit welcher Bank oder Telefongesellschaft ich zu tun habe – spätestens nach 15 Minuten Kommunikation mit Chatbots bekomme ich einen Wutanfall, bis ich endlich auf einen Menschen treffe, der mir dann wirklich weiterhilft …
Positive Erfahrungen macht man doch immer dann, wenn die Erwartungen übererfüllt werden. Die Begeisterung ist groß, wenn es funktioniert. Wir haben recht einfache Prozesse, Adresse ändern, Rechnung anfordern, so etwas. Das funktioniert gut. Wenn man komplexere Probleme hat, etwa den Zugriff auf ein Kundenkonto verloren hat, dann kommt auch ein Chatbot an seine Grenzen. Ein Chatbot kann bis dato kein Passwort zurücksetzen, das kann nur ein Mensch.
Könnte das auch ein Chatbot erledigen, der auf KI basiert?
Der würde an der Stelle wohl auch Schwierigkeiten bekommen. Es wird mittelfristig um trivialere Dinge gehen. KI ist hier noch sehr in den Kinderschuhen. Wir haben bislang nur einen derartigen Dienst laufen, das ist ein KI-Chatbot in Whatsapp. Da können die Kunden sich eine SIM-Karte bestellen und es antwortet eine KI. Das läuft schon sehr gut. Eine zweite Anwendung soll Ende des Jahres starten: KI und Sprachausgabe, ähnlich wie man das von Amazons Alexa kennt. Nur, dass wir das für den telefonischen Support machen wollen.
Wie wird diese KI trainiert?
Die Basis sind reale Kundengespräche. Darin muss sich die KI später auch behaupten. Mithilfe einer eigenen Schnittstelle zu ChatGPT trainieren wir dann die Antworten auf Fragen. Die eigene Schnittstelle ist wichtig, weil so die Daten aus den Gesprächen bei uns bleiben und nicht an OpenAI gehen. Spätestens dann muss sich das ein Mensch genauer ansehen: Ist die Antwort gut, oder müssen wir noch mal dran schrauben?
Wie lange dauert dieser Prozess?
Die erste Trainingsphase hat etwa drei Monate gedauert. Derzeit sind wir in der Testphase, in der wir regelmäßig noch mal etwas ändern.
Würden die Kundinnen und Kunden den Unterschied zwischen einem herkömmlichen Chatbot und dem KI-Modell bemerken?
Der KI-Bot sollte besser auf ihre Fragen eingehen können. Und, was man nicht vergessen darf: Es geht ja nicht nur um das Ergebnis, sondern auch um das Erlebnis. Also, dass die Kunden aus einer Kommunikation herausgehen und denken: Ja, das war gut. Was ich mir als Nächstes vorstellen kann, sind Briefe an Kunden. Da bekommt die KI dann das Anliegen und kann einen Vorschlag formulieren. Über ein solches Schreiben muss natürlich ein Mensch noch einmal drüberschauen. Um die Kommunikation aber komplett einer KI zu überlassen, dafür ist die Welt an manchen Stellen doch zu komplex.
Warum brauchen Sie die KI dann überhaupt und lassen das nicht gleich Menschen erledigen?
Weil ein Teil sehr komplex ist, ein anderer Teil aber auch sehr einfach. Komplex ist vielleicht der Vergleich verschiedener Mobilfunkangebote. Aber auf der anderen Seite gibt es sehr viele Leute, die alle das Gleiche wissen wollen – und besonders da müssen wir in den Antworten einen gewissen Qualitätsstandard hinbekommen. Damit eben nicht vier Leute mit dem gleichen Problem an vier unterschiedliche Gesprächspartner geraten und vier unterschiedliche Antworten hören.
Wie viel Prozent der Kundenanfragen, die auf Sie zukommen, werden tatsächlich mit Bots beantwortet und gelöst und wie viele werden dann doch an eine Mitarbeiterin oder Mitarbeiter weitergeleitet?
Die Zahl kennen wir, denn sie ist die Basis dafür, um unsere Angebote zu verbessern. Wir möchten sie aber ungern nach außen tragen. Ich kann aber sagen, dass wir noch nicht so weit sind, wie wir gerne wären.
Wo wären Sie denn gerne genau?
Ich kann Ihnen keine Prozentzahl nennen, denn so einfach ist es leider nicht. Es ist aus unseren Kundenbefragungen nicht herauszulesen, wer wie angesprochen werden will. Alter und Geschlecht zum Beispiel spielen überhaupt keine Rolle dabei, ob jemand lieber Chat-Bots nutzt, ob jemand aufgeschlossen für KI-Anwendungen ist oder ob jemand lieber telefoniert. Das ist eine reine Typsache.
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