Chaos in Guinea: Befreiungsaktion für Ex-Diktator
In Guinea konnte Ex-Diktator Moussa Dadis Camara kurzzeitig aus dem Gefängnis ausbrechen. Sein Ex-Gardechef Claude Pivi ist weiterhin flüchtig.

Pivi galt während der Diktatur von Dadis, der 2008 dem verstorbenen Langzeitherrscher Lansana Conté gefolgt war, als brutalster General Guineas und als eigentlicher starker Mann des Landes. Alle vier sind heute Hauptangeklagte eines der spektakulärsten Menschenrechtsprozesse, die derzeit in Afrika laufen: der Prozess gegen die mutmaßlichen Befehlsgeber eines Massakers an friedlichen Demonstranten bei einer Kundgebung gegen die Militärherrschaft in Conakry am 28. September 2009, bei dem mindestens 156 Menschen getötet wurden.
Das Massaker beschleunigte das Ende der Militärherrschaft; 2010 wurde bei freien Wahlen der zivile Oppositionelle Alpha Condé zum Präsidenten gewählt. Er wurde 2021 wieder weggeputscht. Der seitherige Militärherrscher Doumbouya hat aber nicht die früheren Generäle rehabilitiert, sondern sie verhaftet und vor Gericht gestellt.
Mitten in diesen Prozess platzte nun die spektakuläre Befreiungsaktion. Bewohner Conakrys glaubten zunächst an einen erneuten Militärputsch, als am Samstag im Morgengrauen Schüsse von schweren Waffen das Regierungsviertel Kaloum von Conakry erschütterten. Kaloum ist eine langgestreckte Halbinsel und das Zentralgefängnis befindet sich an der Spitze dieser Halbinsel, ist also am schwersten erreichbar. Dies nährt Mutmaßungen über eine Insider-Aktion. Erst 2022 war das Zentralgefängnis mit einer umfassenden Videoüberwachung mit 60 Kameras ausgestattet worden, um den grassierenden Schmuggel von Drogen in die Haftanstalt und Häftlingen aus ihr heraus zu unterbinden.
Jemanden auf einem Motorrad zu entführen ist schwierig
Am Montag haben Guineas Behörden 58 Offiziere, Soldaten und Gefängniswärter entlassen, was auf eine größere Verschwörung hindeutet. Dadis Camara selbst hat seine Befreiung als Entführung bezeichnet, sein Anwalt Jocamey Haba sagte im Rundfunk, offensichtlich sei sein Mandant nicht einmal im Zentralgefängnis sicher und der Staat habe versagt.
Die Regierung weist die Darstellung einer „Entführung“ zurück. Regierungssprecher Ousmane Gaoual Diallo sagte am Sonntagabend, die drei Gefassten seien auf Motorrädern aufgegriffen worden, in jeweils 17 und 26 Kilometern Entfernung vom Gefängnis. „Kann man jemanden auf einem Motorrad entführen? Das ist schwierig, wenn er es nicht auch will.“
Er machte Oberst Pivis Sohn Verni Pivi, ebenfalls Präsidialgardist, für die Aktion verantwortlich, bei der es nach amtlichen Angaben neun Tote gab: drei Angreifer, vier loyale Militärangehörige sowie zwei Zivilisten in einem Krankenwagen, der beschossen wurde: ein sechs Jahre altes Mädchen auf dem Weg ins Krankenhaus und ihr Arzt.
Am Montag lief die Suche nach dem flüchtigen Oberst Pivi weiter auf Hochtouren. Guineas Grenze nach Mali, wo eine befreundete Militärregierung regiert, wurde wieder geöffnet.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!