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Nach dem Staatsstreich in GuineaZwischen Freude und Sorge

Laut den Putschisten soll künftig eine Übergangsregierung die Geschicke Guineas leiten. Viele im Land jubeln, die internationale Gemeinschaft weniger.

Feierstimmung: Menschen begleiten Soldaten auf den Straßen von Conakry Foto: Cellou Binani/afp

Cotonou taz | Guineas Putschisten um Mamady Doumbouya machen deutlich, wer nun das Sagen in dem 12,8 Millionen Ein­woh­ne­r*in­nen großen Küstenstaat hat. Einen Tag nach der Absetzung von Präsident Alpha Condé mussten am späten Montagvormittag die Mi­nis­te­r*in­nen seines Kabinetts antreten. Wer nicht an dem Treffen teilnehmen wollte, sollte als Re­bel­l*in eingestuft werden, lautete die Drohung der Putschisten im Vorfeld.

Ersten Informationen zufolge hat Doumbouya bei der Zusammenkunft angekündigt, in wenigen Wochen eine Übergangsregierung zu bilden. Die Grenzen sollen teilweise wieder geöffnet werden. Die Mi­nis­te­r*in­nen müssten ihre Pässe abgeben und dürften das Land nicht verlassen, hätten jedoch keine Verfolgung zu befürchten, so Doumbouya.

In Regionen, in denen Bergbauunternehmen arbeiten, würde die Ausgangssperre gelockert, damit diese weiterarbeiten können, hieß es weiter. Das Land verfügt über beträchtliche Bodenschätze wie Gold, Bauxit und Eisenerz, von denen Guineas Wirtschaft stark abhängt. Aus dem Landesinneren wurde am Montagmorgen berichtet, dass Re­gie­rungs­ver­tre­te­r*in­nen auch auf unterer Ebene abgesetzt würden.

Der 83-jährige Condé war am Sonntagnachmittag von der neu gegründeten Spezialkräfteeinheit GPS (Groupement des Forces Spéciales) verhaftet worden. Fotos machen deutlich, dass der bisherige Präsident völlig überrascht wurde, obwohl Guinea auf eine jahrzehntelange Tradition der Militärherrschaft zurückblickt und es immer wieder Spekulationen über einen erneuten Putsch gegeben hatte. Doch Condé saß mit offenem Hemd und in Jeans auf einem Sofa, als er von Militärs umgeben wurde. Wo er sich derzeit befindet, ist unklar.

Jubel auf den Straßen

Die Zivilgesellschaft atmet indes auf. Der Sozialist Condé, der 2010 als Hoffnungsträger galt, hatte zunehmend autoritäre Züge. Besonders deutlich wurden diese im vergangenen Jahr, als eine Verfassungsänderung ein drittes Mandat für Condé möglich machte. Bei den Protesten gegen das Vorhaben und rund um die Wahlen im Oktober 2020 starben Dutzende Menschen.

Die Nationalfront für die Verteidigung der Verfassung (FNDC) hatte viele der Demonstrationen organisiert. Für Montagmorgen rief sie die Ein­woh­ne­r*in­nen Conakrys erneut auf die Straße – zum ersten Mal seit ihrer Gründung vor knapp zwei Jahren aus freudigem Anlass.

Die Menschen bejubelten die Freilassung der politischen Häftlinge, die die Putschisten keine 24 Stunden nach der Machtübernahme angeordnet hatten. Darunter ist auch der Journalist und Aktivist Foniké Mengué. Mamoudou Nagnalen Barry, FNDC-Mitbegründer, sagte gegenüber der BBC: „Ich habe gemischte Gefühle zum Staatsstreich. Aber ja, leider bin ich auch glücklich darüber.“

„Es hat viel Gewalt gegeben“, erklärt Alpha Amadou DS Bah, Vizepräsident der guineischen Organisation zur Verteidigung der Menschen- und Bürgerrechte (OGDH), im Gespräch mit der taz über das Regime Condé. Wichtig sei nun ein friedlicher Übergang zurück zur Demokratie. „Menschenrechte müssen im Mittelpunkt stehen.“ Derzeit sei allerdings noch unklar, wie sich die aktuelle Situation entwickeln werde und wie sich die neuen Machthaber positionieren, so Bah.

Leichen von erschossenen Soldaten

Immerhin sei es mittlerweile ruhig in der Hauptstadt Conakry. Viele Straßen seien leer. „Die Mehrzahl der Geschäfte hat geschlossen, und der große Markt hat ebenfalls nicht geöffnet“, sagt Bah. Am Tag zuvor waren immer wieder Schüsse zu hören. Kämpfe hatte es in der Nähe der Brücke Pont-8-Novembre gegeben. Au­gen­zeu­g*­in­nen berichten, Leichen von erschossenen Soldaten gesehen zu haben.

Indes zeigt sich die internationale Gemeinschaft besorgt über die Entwicklung im Land, das unter anderem an Mali grenzt, wo das Militär im August 2020 schon geputscht hatte. Der ganze Sahelraum ist vor allem durch Gewalt von Extremisten und Banden instabil geworden, die Regierungen gelten als schwach.

Mit Guinea ist nun die Zukunft eines weiteren Staates der Region ungewiss. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) kritisierte den Staatsstreich und sprach von „großer Besorgnis“. Condé müsse unverzüglich, unversehrt und bedingungslos freigelassen werden, die Vorgehensweise sei verfassungswidrig.

Die Afrikanische Union kündigte ein Treffen ihres Sicherheitsrats an. Die USA betonten, dass „Gewalt und alle außerverfassungsmäßigen Maßnahmen Guineas Aussichten auf Frieden, Stabilität und Wohlstand nur untergraben“. Alle Parteien müssten auf Gewalt verzichten und einen nationalen Dialog einleiten.

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1 Kommentar

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  • Ein Putsch oder eine Revolution ist immer "verfassungswidrig". Who cares? Es ist auch immer ein 'unser-Schweinehund'-Problem. Die Frage ist, wer das von Außen unterstützt oder eventuell initiiert hat.



    "Internationale Gemeinschaft" ist Quatsch. Die existiert schlicht nicht, wohl aber wirtschaftliche Interessen.



    Vielleicht will der Bergbau-Konzern Rio Tinto schlicht weniger Bestechung zahlen, oder ein anderer möchte ins Geschäft kommen...