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Chaos bei der Deutschen BahnStehengelassen

Eiken Bruhn
Kommentar von Eiken Bruhn

Bauarbeiten verkauft die Bahn Reisenden auf dem Weg von Hannover nach Bremen als Bombenentschärfung. Zur Rettung kommt Ersatz in Form eines Busses.

Warten, auf den Zug oder auch den Ersatzverkehr, gehört bei der Deutschen Bahn dazu Foto: Michael Matthey/dpa

N och blöder als Bahn-Bashing finde ich nur Medien-Bashing – aus Gründen. Wer findet, Reisen habe problemlos abzulaufen, soll sich auf Ausflüge in virtuellen Welten beschränken, weil in der Realität auf dem Weg von A nach B Unvorhersehbares passieren kann, erst recht, wenn Maschinen und andere Menschen im Spiel sind.

So kann ich mir noch jeden Umstand, in den mich die Deutsche Bahn wirft, als Herausforderung verklären und sei es nur, mich in Geduld zu üben. Und die meisten Abenteuer sind ja gut ausgegangen: Ich kam immer am Ziel an, wenn auch mal erst am nächsten Tag oder mit zerrütteten Nerven, weil ich nicht alleine reiste, sondern mit zwei Kindern und/oder Fahrrädern.

Ich habe Verständnis für alles: menschliches Versagen (Hartmut Mehdorn beauftragen, die Bahn börsenfit zu machen), Unwetter (Schnee, Hitze). Und was bitte kann der Bahn-Vorstand dafür, dass Frauen aufgehört haben, haufenweise Personal zu produzieren?!

Mit dieser Einstellung – die zwischen Pseudogelassenheit und Bräsigkeit oszilliert – saß ich am Sonntagmorgen im Regionalexpress von Hannover nach Bremen, als um 9.18 Uhr und damit zwei Minuten vor Abfahrt die Durchsage kam: „Dieser Zug fährt aufgrund einer Bombenentschärfung nur bis Achim.“ In der Bahn-App stand nichts dazu, was sich irgendwann im Laufe des Tages geändert haben soll.

Es fuhr ein Bus, genau einer

Von klarer Kommunikation habe allerdings keine Rede sein können, erzählt mir eine Mitreisende, die am Nachmittag versuchte, von Bremen wieder zurück nach Wunstorf bei Hannover zu kommen. „Die Informationen wechselten und waren widersprüchlich.“ Später stellte sich auch heraus, dass es keine Bombe gegeben hatte, sondern eine kurzfristig geplante „Kampfmittelsuche“ im Rahmen von Bauarbeiten.

Anstatt umgehend aus dem Zug zu hechten, blieb ich am Morgen auf meinem Platz sitzen (bräsig) und dachte „na, es wird wohl Schienenersatzverkehr geben“ (pseudogelassen). Ich sollte recht behalten: Es fuhr ein Bus. Aber eben auch nur einer. Für hunderte Fahrgäste aus einem gut besetzten Regionalexpress mit mehreren Doppelstockwagen.

Der Bus fasste rund 85 Personen auf Sitz- und Stehplätzen. In ihn quetschten sich so viele Menschen, dass sie nicht standen, sondern eher vertikal nebeneinander lagen. Manche pressten die Hände an die Scheiben, vielleicht um zu verhindern, dass andere Fahrgäste sie erdrückten. Die Fahrt mit dem Auto von Achim nach Bremen über die Autobahn dauert etwa 20 Minuten. Ich weiß nicht, ob sich der Busfahrer getraut hat, den Zwischenhalt in Mahndorf anzusteuern.

Zurück am Achimer Bahnhof blieben etwa 100 Personen, denen zu dämmern begann, dass zwar kein weiterer Bus kommen würde, dafür aber der nächste Zug, der weitere Fahrgäste ausspucken würde. Einige traten daraufhin den Rückzug an, andere wie ich begannen Taxis herbei zu telefonieren. Ein junger Mann neben mir rief den Kundenservice der Bahn an und erfuhr, er müsse auf einen Bus warten.

Taxikosten werden nicht übernommen

Das hätte auch ich tun sollen, die Taxikosten würden nicht übernommen, erklärte mir am Dienstag eine Sprecherin der Bahn, die sich für alle Unannehmlichkeiten entschuldigte. Es habe eine Kommunikationslücke gegeben, die nun „intern aufgearbeitet“ werde. Außerdem habe die Bahn „eine ausreichende Anzahl an Bussen als Ersatzverkehr bestellt“. Was die Bahn für ausreichend hält, wisse sie nicht, auch nicht, ob das Busunternehmen diese bereit gestellt habe. Das Unternehmen sagt, es seien zwei Busse im Einsatz gewesen.

Meine Mitreisende nahm auf Raten eines Schaffners auf dem Rückweg einen IC, der über Rotenburg nach Verden umgeleitet wurde. In Rotenburg seien sie und weitere Fahrgäste mit dem selben Ziel aus dem Zug geworfen worden, weil sie ihren Nahverkehrs-Fahrschein nicht upgraden konnte, erzählt sie; die App sei jedes Mal abgestürzt. Einfach mitnehmen wollten die Schaff­ne­r:in­nen sie nicht, ihnen hätte dafür das „Okay“ von oben gefehlt.

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Eiken Bruhn
Redakteurin
Seit 2003 bei der taz als Redakteurin. Themenschwerpunkte: Soziales, Gender, Gesundheit. M.A. Kulturwissenschaft (Univ. Bremen), MSc Women's Studies (Univ. of Bristol); Alumna Heinrich-Böll-Stiftung; Ausbildung an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin; Lehrbeauftragte an der Univ. Bremen; in Weiterbildung zur systemischen Beraterin.
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4 Kommentare

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  • Ich habe ähnliche Erfahrungen mit der DB und anderen Anbietern (Eurobahn) gemacht. Der Streckenagent der DB zeigt Störungen nach dem Zufallsprinzip an, ich bin in diesem Sommer zweimal mit unklarer Auskunft zwischen Hannover und Hamburg gestrandet und einmal mit einem Busersatzverkehr irgendwo ausgesetzt worden ohne Information o.ä.



    Von den Fahrten mit dem Deutschlandticket ist von 10 vielleicht eine pünktlich. Der Bahnverkehr auf dem Land ist besonders eigenwillig. Insgesamt alles keine Werbung für die Verkehrswende - ja und ich weiß auch auf Autobahnen kann ich in den Stau geraten, aber da funktioniert wenigstens der Informationsfluss. Ich nutze den Öpnv nach wie vor viel, ich nehme aber auch viel pseudogelassen hin. Das die Verkehrswende mit dieserBahn und diesem Wirrwarr von Anbietern und Tarifen gelingt glaube ich nicht.

    • @ToSchö:

      Neben dem Standard-Problem der DB (die Folgen des Tuns eines Herrn Mehdorn und seiner Jünger) gibt es auch noch ein anderes: zuviele IT-Insel-Lösungen, die nicht miteinander "reden".

      Nicht nur, dass die DB Strecken-Infos über Unfälle, Ausfälle nur in "Kurzform" (ohne Grund und voraussichtl. Dauer usw.) an die anderen Betreiber weitergibt (ein Mitarbeiter der Nordwestbahn sagte mir, als wir im RS2 vonb Bremen nach Twistringen unterwegs "strandeten", dass auf dem Displayx im Führerstand nur die Anzeige kam "Streckensperrung" und man bei der NWB schon froh sei, überhaupt so eine Info zu bekommen...

      Aber selbst DB-intern klappt das in der Regel nicht, mehrmals erlebt z.B. in Hamburg-Harburg (Notfall-Management hat perfekt gearbeitet, aber am Info-Stand wusste man nur "irgendwo hier soll ein Bus stehen..." oder in München: Haupthalle mit Gitter verriegelt, Info-Stand weiss nur "kein Zug fährt mehr, Polizei hat abgeriegelt, U-Bahn nehmen zum Ostbahn" (nur fährt vom Ost-Bahnhof halt kein Zug nach Nürnberg...). Ich sehe einen Polizisten am Sperrgitter und frage, was los sei. Er: "verdächtiger Gegenstand am Bahnsteig! Wo wollen Sie denn hin?" Ich: "Nürnberg mit dem ICE". Er: "Gehen Sie doch zum Seiteneingang, der Bahnsteig, wo der ICE abfährt ist nicht gesperrt und der Seiteneingang ist offen".

  • Tja wird Zeit für eine bessere Bahn. Dringenst. 100 Milliarden Sondervermögen Bahn beschliessen und Beschleunigungs-/Dringlichkeitsgesetze für Streckenrenovierung/-ausbau/-Reaktivierung, Waggonbau und Lokführerausbildung erlassen. Sofort!

    Das eine gute Bahn möglich ist, zeigt die Schweiz! Seit mehr als 20 Jahren.

    • @Goldi:

      Das nutzt nur wahrscheinlich wenig, weil an vielen Entscheidungsstellen offensichtlich Leute ohne Praxis-Erfahrung sitzen...

      Simples Beispiel: vor einigen Jahren (ich weiss nicht mehr, welches Jahr und welcher Typ exakt) fielen nagelneue Elloks im Winter reihenweise aus, weil die Lüftungsgitter so "deppert" konstruiert waren, dass zwar Regentropfen und "dicker" Schnee abgehalten wurden, solche kleinen "Schneeflocken" (das Zeugs so um die 5mm Durchmesser, im Flachland inzwischen ja so ziemlich der einzige "Schnee" aber wegen ihrer Grösse und des geringen Gewichts angesaugt wurden und weil die Konstrukteure direkt dahinter Hochspannungsanlagen platziert hatten, kam es natürlich immer wieder zu Kurzschlüssen... Eine sinnvollere Konstruktion der Lüftungsgitter hätte weder in der Entwicklung noch beim Bau mehr gekostet...