■ Cash & Crash: Börse unter Strom
Hamburg (taz) – Der Strom geht an die Börse. Gestern trafen sich in- und ausländische Energieerzeuger, Vertreter von Stadtwerken und Verbraucherverbänden, Industrie und Banken in Frankfurt, um die Deutsche Strom- und Stromterminbörse auf den Weg zu bringen. Der Startschuß soll zum Jahresende fallen. Als Favorit für den Standort gilt Hannover. Dort werden an der Warenterminbörse bereits Schweinhälften und Kartoffelkontrakte gehandelt. Und die dort ansässige PreussenElektra führt bereits die Feder für einen Stromindex namens Cepi.
Die Idee der Börse setzt auf einen länderübergreifenden Handel von Strom – physisch wie auch virtuell. Die Liberalisierung des deutschen Strommarktes Ende April 1998 hat bereits zu einer deutlichen Belebung des Handels geführt. „Neben Stromversorgern nehmen jetzt schon Händler und Broker am Stromhandel teil“, sagt eine Sprecherin von PreussenElektra. Im Februar wird eine EU- Richtlinie die Marktöffnung in der ganzen Union erzwingen. Eine Strombörse könnte dann als ein offener Handelsplatz fungieren und für die nötige Transparenz sorgen.
Experten erwarten sinkende Preise. Deutschland bewegt sich preislich noch im europäischen Mittelfeld. Als Knackpunkt gilt aber weiterhin der Durchleitungspreis, den die Energieversorger für den Transport von fremdem Strom kassieren. Dabei wird allerdings der billige Schweden-Strom nicht tatsächlich nach Frankfurt fließen. Vielmehr schickt der skandinavische Hersteller, wie es schon im bescheidenen Umfang geschieht, seinen Strom ins deutsche Verbundnetz, das seit längerem mit Westeuropa und nun auch mit den osteuropäischen Nachbarn verbunden ist. In Frankfurt wird der Kunde die entsprechende, regional produzierte Strommenge entnehmen und mit dem schwedischen Kraftwerk abrechnen.
Ein Börsenhandel mit Strom- Terminkontrakten findet schon an der New York Mercantile Exchange (Nymex), in Norwegen, Schweden und Großbritannien statt. Stromproduzenten bieten im Halbstundentakt ihre Energiemengen an. Sind sie zu teuer, kaufen die Abnehmer bei der Konkurrenz.
Die Verbraucher werden erst mittelfristig und indirekt von sinkenden Strompreisen an einer Börse profitieren. Zugleich verlangt der freie Stromhandel nach flexiblen Anbietern mit umweltverträglichen Kraftwerken. Wer nicht solange auf den ökologischen Fortschritt warten will, kann schon jetzt bei den Stromrebellen im Schwarzwaldort Schönau „Watt ihr Volt“ beziehen (Tel. 07673-931578) oder auf die „Solarstrom-Börse“ des Fränkischen Überlandwerkes setzen (01802-111444). Während die Stromrebellen bundesweit verkaufen, ist die Solarstrom-Börse bislang nur im Raum Nürnberg zugänglich. Hermannus Pfeiffer
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