Carl Blechen in der Liebermann-Villa: Stadtflucht mit Fernblick

Carl Blechen war ein Licht- und Schattenmaler. Die Liebermann Villa widmet ihm eine Ausstellung, die auch seine Rezeptionsgeschichte umfasst.

Eine karge Landschaft, Hügelrücken, darüber dunkle Wolkengebirge

Ausschnitt aus Carl Blechen, „Höhenzug mit Wolken“, 1929 Foto: Stiftung Fürst Pückler Museum

Weite Horizonte, gekrümmte Bäume und bergige Landschaften türmen sich auf in den Gemälden von Carl Blechen. Die Werke zeigen deutlich das Interesse des Künstlers (1789 – 1840) an den momenthaften Effekten des Lichts in der Landschaft. Das Spiel mit Licht und Schatten ist eines, das Blechen ganz besonders gut beherrschte. In den meist kleinformatigen Ölgemälden verwandelt er die Lokalfarbe der Oberflächen in der Landschaft durch die gold-schimmernden Lichtstrahlen der Sonne in eine leuchtende Idylle – ganz im Sinne des Impressionismus.

Auch das Rauschen des Flusses ist förmlich zu hören. Mit größtenteils tupfendem Pinselduktus erweckt der Künstler das italienische Örtchen in „Mühlental bei Amalfi“, das in den frühen 1830er Jahren entstanden ist, durch die sorgfältig ausgewählte Abstufung der Erscheinungsfarbe zum Leben.

Blechen war Vorreiter der impressionistischen Malerei. Diese These stellte jedenfalls Max Liebermann auf. Er war Blechen-Fan, schätzte vor allem die Modernität in dessen Werken und widmete ihm deshalb auch die erste Ausstellung, die er als Präsident der Berliner Akademie der Künste im Jahr 1920 abhielt.

Mit der Malerei des Impressionismus überraschten die Künst­le­r:in­nen damals durch die im Bild eingefangenen Impressionen, die sie in ihrer Umwelt wahrnahmen. Es ging nicht mehr darum möglichst realistische Abbilder der Umgebung wiederzugeben, sondern den empfundenen, flüchtigen Eindruck davon festzuhalten.

Vom Morgenrot bis zur blauen Stunde

Carl Blechen, Das Einfachste und das Schwerste, in der Liebermann Villa am Wannsee, bis 24. Januar 2022.

Parallel dazu hat sich auch die Vorliebe für die Erscheinungsfarbe entwickelt. Die Lokalfarbe eines Gegenstandes meint dessen tatsächliche Farbe. Die Erscheinungsfarbe hingegen ändert sich, je nach Lichtverhältnissen und Tageszeit. Nicht ohne Grund fertigten Impressionisten wie auch Claude Monet zahlreiche Arbeiten ein und desselben Motivs zu unterschiedlichen Tageszeiten an. Wie beispielsweise mit der „Kathedrale von Rouen“ eine 33-teilige Bilderserie der Kirchenfassade vom Morgenrot bis zur blauen Stunde entstanden ist.

In Carl Blechens „Mühlental bei Amalfi“ erscheint die Farbe des Wassers in Teilen weiß und grün. Und auch die steilen Felswände reflektieren Licht und Schatten durch gelbe und blaue Farbtöne. Wasser ist weder weiß noch grün und das Gestein nicht gelb und blau. Dennoch sind es diese Farben, die dem Künstler temporär in Erscheinung getreten sind. Er hat seinen persönlichen Eindruck des Moments dokumentiert.

Neben Riesenfan Liebermann gibt es auch heute noch Blechen-Fans, denn die Ausstellung ist gut besucht. Das Publikum in der Liebermann-Villa gehört einer etwas älteren Generation an und der Andrang erschloss sich mir als jüngere Besucherin im ersten Moment nicht ganz. Die Werkschau soll die Einflüsse Blechens auf den künstlerischen Prozess Max Liebermanns veranschaulichen. Dieser Aspekt wird auch in den Ausstellungsräumen verdeutlicht, richtig spannend wird es aber erst, als über die Rezeptionsgeschichte von Blechens Werken genauer informiert wird.

Idealisierung als deutsche Landschaft

Denn Carl Blechens Ölgemälde wurden von den Nationalsozialisten besonders bewundert. Im Dritten Reich werden seine Werke völlig uminterpretiert und vor allem die deutschen Landschaftsdarstellungen wurden idealisiert und verherrlicht. Insbesondere Blechens Frühwerk, dessen Entstehungszeitpunkt vor seiner großen Italienreise liegt, wurde gelobt.

Die um 1823 entstandene „Winterlandschaft mit Kieferngruppe“ zeigt eine schneebedeckte nächtliche Szene, die einen einzelnen Wanderer mit Kind im Mondschein beleuchtet. Das Werk wurde 1943 explizit für den Sonderauftrag Linz erworben. Das Projekt widmete sich der Beschlagnahme tausender Werke aus privatem Besitz und Museen. Die Kunstwerke wurden für das von Hitler geplante Führermuseum in Linz gesammelt. Das Vorhaben wurde nie vollendet und nach Kriegsende begann die Rückgabe der Werke an ihre rechtmäßigen Besitzer.

Letztendlich ist die Ausstellung eine nette Abwechslung und ermöglicht träumerische Blicke in die (gemalte) Ferne für alle die Lust haben, dem Trubel der Stadt bis zum Wannsee zu entfliehen. Trotzdem hätte eine Vertiefung des nationalsozialistischen Aspekts in Blechens Rezeptionsgeschichte oder die erweiterte Thematisierung der Restitution von Raubkunst der Ausstellung nicht geschadet, sondern sie thematisch definitiv noch weiter bereichert.

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