Cansel Kiziltepe über Share Deals: „Schärfere Regeln für Steuerpiraten“
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Kiziltepe hat die Wohnungsfirma Akelius wegen Share Deals angezeigt. Per Reform will sie Steuerschlupflöchern schließen.
taz: Frau Kiziltepe: Warum erstatten Sie schon wieder Anzeige gegen die Wohnungsfirma Akelius?
Cansel Kiziltepe: Es hat sich gezeigt, dass Akelius in weiteren Fällen offenbar versucht, mit Share Deals unrechtmäßig die Grunderwerbsteuer zu umgehen. Es geht um drei neue Fälle in Kreuzberg und Wedding. Ich habe eine Prüfbitte an die Steuerfahndung gerichtet. Die soll überprüfen, inwiefern die von Akelius dafür genutzten Firmenkonstruktionen legal oder illegal sind.
Erklären Sie doch bitte noch einmal, wie Share Deals funktionieren.
Mittels sogenannter Share Deals können Investoren durch ein Steuerschlupfloch die Grunderwerbsteuer sparen. Dafür werden nicht Häuser und Grundstücke direkt verkauft oder erworben, sondern nur 94,9 Prozent der Anteile einer eigens für den Immobilienbesitz gegründeten Unterfirma nebst einem 5,1 Prozent haltenden Co-Investor. Dann wechselt nur diese Briefkastenfirma den Besitzer, und es fallen keine Grunderwerbsteuern an. Nach 5 Jahren kann man den Besitz dann wieder steuerfrei zusammenführen.
Jahrgang 1975, sitzt für die SPD im Bundestag. Die Diplomvolkswirtin ist finanzpolitische Sprecherin der SPD und sitzt im Finanzausschuss und im Wirecard-Untersuchungsausschuss. Ihr Wahlkreis ist Friedrichshain-Kreuzberg. Sie sprach sich schon 2013 dafür aus, mit der Linkspartei zu sondieren, und setzt sich mit dem SPD-Projekt Steuermythen für eine Versachlichung der Steuerdebatte ein.
Die Grunderwerbsteuer heißt in der Branche nicht umsonst „Dummensteuer“, vor allem Privatpersonen zahlen sie beim Immobilienkauf, Unternehmen umgehen sie häufig. Aber warum sollte das bei den Häusern in Kreuzberg und Wedding nicht legal sein wie sonst auch?
Bei einem in der Immobilienbranche üblichen Share Deal muss der Co-Investor unabhängig sein. Hier habe ich den starken Verdacht, dass dies nicht der Fall ist. Akelius hat mit der zypriotischen Briefkastenfirma Torpet Sweden Ltd. als Schein-Co-Investor agiert. Die Gesellschaft wird aber auch von einem Akelius-Vorstandsmitglied und Mitglied des Stiftungsrates der auf den Bahamas sitzenden Akelius-Stiftung geführt. Offensichtlich zieht Akelius im Hintergrund die Fäden. Akelius hat damit gezielt die Grunderwerbsteuer und das kommunale Vorkaufsrecht umgangen. Diese Vorgehensweise zieht sich durch im Akelius-System. Der Steuerfahndung liegen alle Namen und Anhaltspunkte vor. Und wenn eine Unabhängigkeit der Co-Investoren nicht gegeben ist, kommen wir in den Bereich der Steuerhinterziehung.
Woher hatten Sie Kenntnis von den drei Immobilien?
Ich bin im engen Austausch mit den Mietenden von Akelius. Es ist natürlich schwierig, diese Fälle bis zum Schluss in aller Öffentlichkeit aufzuklären: Wegen des Steuergeheimnisses kann ich nicht nachfragen, was aus meinen Anzeigen geworden ist. Deswegen ist es wichtig, dass Mieter weiter auf diese Fälle aufmerksam machen. Mieter werden per Brief informiert, wenn es Eigentumsübertragungen in ihrem Haus gibt.
Dann können Sie auch nicht sagen, was aus Ihrer Anzeige von vor einem Jahr geworden ist?
Ich habe Ende des letzten Jahres nachgefragt – als Antwort bekomme ich nur, dass man aufgrund des Steuergeheimnisses nichts sagen kann. Vielleicht dauern Ermittlungen auch bloß etwas länger wegen der Pandemie.
Wie viel entgeht dem Fiskus in Berlin und dem Bund schätzungsweise jährlich durch Share Deals?
Es gibt nur geschätzte Bundeszahlen. Die bewegen sich im Bereich von einstelligen Milliardenbeträgen jährlich. Für Berlin kann ich es nicht genau sagen.
Akelius weiß angeblich nichts von der Anzeige und äußert sich etwa laut einem Bericht der „Tagesschau“ auch nicht näher dazu. Wie schätzen Sie die Folgen der Geschäftspraxis von Akelius für den Berliner Wohnungsmarkt und die Mieter:innen generell ein?
Die paar bekannten Fälle zeigen, mit welcher Dreistigkeit die Branche bereits jetzt mit Share Deals etwa Regeln des Vorkaufsrechts und des Steuerrechts umgeht. Insbesondere Akelius ist für sein aggressives Geschäftsmodell bekannt. Nicht ohne Grund werden für die zwielichtigen Deals notorische Steueroasen und Schattenfinanzplätze benutzt. Wir brauchen schärfere Regeln für die Steuerpiraten und ihre Steueroasen.
Die SPD ist in Berlin seit Jahrzehnten in Regierungsverantwortung. Auf Bundesebene ebenfalls seit 2013. Warum tut sich denn so wenig gegen diese schon lange bekannte Praxis?
Es gibt mittlerweile Bewegungen rund um die Share-Deal-Reform, die übernächste Sitzungswoche im Bundestag beschlossen werden soll. Wir hatten bereits im Koalitionsvertrag verankert, dass wir eine effektive Reform wollen. Leider hat die Union, geleitet von Interessen der Immobilienlobby, das Gesetz monatelang blockiert und an einer effizienten und effektiven Lösung nicht mitgewirkt. Weil die Einnahmen zudem den Bundesländern zugutekommen, haben die Länder das Gesetz mitgeschrieben. Das hat natürlich gedauert. Initiiert wurde dies übrigens 2016 von dem damaligen NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans.
Kritiker:innen sagen, dass die Reform nicht weit genug geht und dass die Immo-Branche sich leicht an die nur geringen Änderungen anpassen kann. Dann splittet man halt im Verhältnis 89,9 zu 10,1 auf statt im Verhältnis 94,9 zu 5,1. Das hat Akelius offenbar selbst in dem von Ihnen schon 2020 angezeigten Fall vorausschauend getan. Warum so halbherzig?
Wir als SPD wollten die Reform weiter verschärfen und die Beteiligungsschwelle, ab der ein Immobilienkauf keine Grunderwerbssteuer nach sich zieht, von 95 auf 75 Prozent herabsetzen. Aber das Gesetz wird letztlich so umgesetzt, wie 16 Bundesländer es wollten, und nun liegt die Schwelle nun mal bei 90 Prozent. Aber dennoch gibt es im Kleingedruckten auch viele gute Änderungen: Die Haltefrist wird aufs Doppelte verlängert: Jetzt wird die Grunderwerbsteuer auch fällig, wenn der Besitz innerhalb von 10 Jahren zusammengelegt wird. Vorher waren es 5 Jahre. Und es gibt eine Regelung für den Austausch von Gesellschaftern, der dem typischen Co-Investoren-Modell einen Riegel vorschiebt.
Experten für Steuergerechtigkeit fordern eine einfache Quotenregelung wie in den Niederlanden: Wer 70 Prozent an einer Immobilie erwirbt, zahlt dafür auch 70 Prozent Grunderwerbsteuer. Warum so kompliziert, wenn es auch einfach geht?
Ich finde dieses Optionsmodell auch gut, aber ohne Rückhalt in der Länderkammer kommt hier kein Gesetz durch. Wenn ein Gesetz nicht durch den Bundesrat kommt, tritt es nicht in Kraft. Und die Länder haben nun einmal einen anderen Entwurf vorgelegt. Die Kritik auch von den Grünen kann ich deswegen in diesem Punkt nicht nachvollziehen: Die Grünen regieren in elf dieser Länder mit. Aber lieber einen Schritt in die richtige Richtung als eine erneute langwierige jahrelange Verhandlung mit 16 Ländern. Wir erschweren mit der jetzigen Reform im Kleingedruckten auch schon vieles. Das Optionsmodell haben wir zudem in unser Wahlprogramm aufgenommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!