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CSU nach der Wahl​Söder und die letzte Patrone​

Markus Söder sieht sich als Sieger der Bundestagswahl – wie könnte es anders sein. Aber jubeln will der CSU-Chef nicht.

Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder bei einer Pressekonferenz am 24. Februar Foto: Frank Hoermann/Sven Simon/imago

München taz | Eigentlich, sagt Markus Söder, als er am Montagmittag nach der CSU-Vorstandssitzung mit Alexander Dobrindt vor die Presse tritt, sei seine Partei die große Wahlgewinnerin. Eigentlich. Die CSU habe zugelegt, habe auch einen überproportional großen Anteil am Gesamtergebnis der Union gebracht. Deshalb sei „sehr, sehr viel Freude da“. Aber auch Ärger. Der Ärger kommt daher, dass nicht alle Direktkandidaten der CSU in den 21. Bundestag einziehen werden – obwohl alle Wahlkreise an die Partei gegangen sind.

Es sind die Abgeordneten Volker Ullrich aus Augsburg und Sebastian Brehm aus Nürnberg sowie Claudia Küng, die für den Wahlkreis München-Süd erstmals kandidierte, die künftig nicht im Parlament sitzen werden. Grund dafür ist das neue Wahlrecht, das eine Deckelung der Abgeordnetenzahl auf 630 vorsieht. Das heißt: Wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Wahlkreise erobert, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis Mandate zustehen, müssen die Kandidaten mit dem schlechtesten Ergebnis draußen bleiben. Bei der CSU sind das Ullrich, Brehm und Küng.

„Unfair und undemokratisch“, nennt Söder dieses Wahlrecht. Und Dobrindt behauptet, es trage zu einer weiteren Politikverdrossenheit bei. Es falle auf, so Söder, dass vor allem der Süden davon betroffen sei, auch viele Kandidaten in Baden-Württemberg und Hessen. „Ein letzter Gruß der Ampel“, sagt der CSU-Chef. Dass er die Ampel stets als norddeutsches Projekt mit dem Ziel der Diskriminierung des Südens, vornehmlich Bayerns, betrachtet hat, daraus hatte Söder nie einen Hehl gemacht.

Spitzen gegen Merkel, Wüst und Günther

37,2 Prozent der Stimmen in Bayern hat die CSU bei der Bundestagswahl bekommen – deutlich weniger, als ihr zuletzt in Umfragen prophezeit worden waren, aber auch deutlich mehr als die Union im Gesamten (28,5 Prozent) oder sie selbst im Jahre 2021 (31,7 Prozent).

Der Grund dafür, dass das Ergebnis der Union, aber auch der CSU, dann doch hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist, ist in Söders Augen ganz einfach und lasse sich auf eine Zahl reduzieren: 54 Prozent. So viele Wähler hätten angegeben, dass die Union die Schuld an der hohen Migration hätte. Diese seien sich nicht sicher, dass CDU und CSU nun tatsächlich eine andere Migrationspolitik einschlügen.

Söder machte aber für das bescheidene Abschneiden auch diejenigen verantwortlich, die in der Union öffentlich mit Schwarz-Grün geliebäugelt hätten. Die Namen der Ministerpräsidenten Daniel Günther und Hendrik Wüst nennt er zwar nicht, Kanzlerkandidat Friedrich Merz nimmt er von der Kritik jedoch explizit aus. Auch habe es „Erinnerungen aus dem Gestern heraus“ gegeben, die nicht hilfreich gewesen seien. Dass er in diesem Fall auf Angela Merkels mahnende Worte nach der gemeinsamen Abstimmung mit der AfD anspielt, ist offensichtlich, von einem „Foul“ spricht er sogar.

Dem Teufel von der Schippe gesprungen

Und dann stellt der CSU-Chef noch eine interessante Berechnung an, deren Aussagekraft freilich begrenzt ist: „Ohne AfD und ohne Freie Wähler“, sagt Söder, als gebühre ihm Mitleid dafür, „wären wir bei 60 Prozent.“ Wie das eben so ist bei politischen Gegnern. Hätte man keine davon, stünde man bei 100 Prozent.

Froh ist Söder besonders darüber, dass eine Koalition mit den Grünen nicht mehr zur Diskussion steht. „Wir sind dem Teufel gestern Abend noch mal von der Schippe gesprungen.“ Eine Zeitlang sah es am Wahlabend tatsächlich so aus, als ob das BSW den Sprung in den Bundestag nehmen könnte und dadurch eine Koalition nur mit der SPD nicht möglich sein würde – was Söder in erhebliche Erklärungsnöte gebracht hätte, nachdem er stets erklärt hatte, es werde mit ihm keine Koalition mit den Grünen geben.

Auffallend pfleglich geht er dafür nun mit der SPD an, erinnert an ihre historische Bedeutung. Die Sozialdemokraten hätten immer Verantwortung gezeigt, sich nie weggeduckt. Erste Signale aus der SPD seien „positiv und ermutigend“. Dass SPD-Chef Lars Klingbeil sich wieder mehr an Helmut Schmidt orientieren wolle, hebt Söder lobend hervor. Die SPD müsse nun für einen echten Politikwechsel bereitstehen, denn dieser sei „die letzte Patrone der Demokratie“. Gelinge er nicht, werde das Land weiter nach rechts schlingern – mit erheblichen Folgen für ganz Europa.

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7 Kommentare

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  • Ja, der Herr Söder und sein Boulevard.

  • Was ist an dem Wahlsystem undemokratisch? Es ist eine Verhältniswahl und spiegelt somit den Wählerwillen recht gut wider, bis auf die Tatsache, dass die 5-Prozent-Hürde zu hoch ist. 3 Prozent wären deutlich besser.



    Und es heißt ja auch, dass die Direktkandidaten die Deckung durch die Zweitstimme benötigen. Wer zuwenig Prozente auf sich gezogen hat, hat eben durchaus Pech. Brauchen wir denn überhaupt noch die Erststimmen? Die sollten zwar sicherstellen, dass aus jedem Wahlkreis ein Abgeordneter im Bundestag sitzt, aber im allgemeinen Politikbetrieb war die Wahlkreisherkunft völlig wurscht. Also was soll's. Warum regt sich Söder hier überhaupt auf?

  • "Froh ist Söder besonders darüber, dass eine Koalition mit den Grünen nicht mehr zur Diskussion steht. „Wir sind dem Teufel gestern Abend noch mal von der Schippe gesprungen.“..."



    Eine eines akademisch gebildeten Staatsmannes komplett unwürdige Aussage, populistisch intoniert und platt präsentiert.



    Gut, dass er nicht Kanzler werden konnte, es war dann doch die Gretchenfrage:



    "Eligere minus malum"

  • Es ist wie es ist. Das Votum der Wähler ist eindeutig. Noch hat die neue Regierung die Chance die Menschen von ihren Maßnahmen zu überzeugen und mitzunehmen. Wenn das wieder nicht gelingt wird die AfD weiter gestärkt, auch in Bayern

  • Sollte die SPD erneut in die GroKo wanken, wird es das Letzte sein, was sie als, jetzt eigentlich schon, Volkspartei anrichten wird. Danach ist sie Geschichte, auf Augenhöhe mit der fdp. Suizid mit Anlauf.



    Aber der aktuellen Parteiführung traue ich das unbesehen zu.



    MfG

  • Söder weiss genau dass es auch fürihn sehr schnell sehr schwierig werden kann. Merz kann in einer schwarz-roten Regierung wohl kaum all die Dinge umsetzen die er versprochen hat. Wenn das (nicht) passiert, dann gerät Söder in Bayern in Erklärungsnöte. Und dann kann in Bayerm bei jetzt knapp 20% AfD sehr schnell einiges ins Rutschen kommen. 60% rechts bedeutet auch 60% Potenzial für die AfD, und dann wird es eng für Söder und die CSU.

  • Dass SPD-Chef Lars Klingbeil sich wieder mehr an Helmut Schmidt orientieren wolle, hebt Söder lobend hervor. Die SPD müsse nun für einen echten Politikwechsel bereitstehen, denn dieser sei „die letzte Patrone der Demokratie“.



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    Toller Vergleich & ein mMn. typischer Markuss! :-(((

    "Gelinge er nicht, werde das Land weiter nach rechts schlingern – mit erheblichen Folgen für ganz Europa."



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    Erst CDSU massiv "auf Rechts drehen", & zwar so weit, dass die kaum noch von .... dieser Name macht mich krank... zu unterscheiden ist, ...

    ... & DANN andere auffordern, als HILFE brauchen, diese "Richtungswende" kurz vor der ... passendes selbst einsetzen... zu stoppen!

    Ps. Solche Zauberlehrlinge sind, gerade in der politischen Landschaft in der wir uns HEUTE bewegen müssen, MEHR als Flüssig! :-(