piwik no script img

CSU geht in KlausurSommercamp der Atomkraft-Fans

Bei ihrer Klausurtagung bläst die CSU mal wieder kräftig die Backen auf. Die Attacke gegen die Ampel konzentriert sich dabei auf deren Energiepolitik.

Bad Staffelstein: Alexander Dobrind und Markus Söder Foto: Nicolas Armer/dpa

Bad Staffelstein taz | Es ist heiß in Deutschland, und auch in Banz sind die 39 Grad schon erreicht, als Gastgeber Alexander Dobrindt und sein Parteichef Markus Söder am Mittwochmittag zum Auftakt der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe vor das Kloster treten. Die Krawatte haben sie sich erspart, doch Anzug muss natürlich sein: Söder grau, Dobrindt blau.

Die beiden stellen sich erst einmal oben an die Brüstung, Söder zeigt nach links, als wollte er Dobrindt die oberfränkische Landschaft zeigen. In Wirklichkeit steht dort, wo er hinzeigt, zwar nur ein Seitengebäude des Klosters, aber das sieht der Fernsehzuschauer ja nicht. Söder weiß, was er den Kameraleuten und Fotografen schuldig ist.

Dann schreiten Söder und Dobrindt die Freitreppe hinab, unten vor den Rosen stehen auf dem Rasen zwei Mikrofonständer bereit. In der prallen Mittagssonne. Es sei schon paradox, sagt Söder, in dieser Hitze über die kälteste Jahreszeit zu sprechen. Aber: „Dieser Winter dürfte der härteste werden.“ Und was habe die Bundesregierung für Rezepte, um durch diesen Winter zu kommen? Keine. Die Ampel so attestiert ihr der bayerische Ministerpräsident, befinde sich in einer Selbstblockade.

Jeden Tag gebe es neue Streitigkeiten, sagt Söder, „mehr als in anderen Koalitionen“. Ein Vergleich, der offenbar selbst ihm zu gewagt scheint, denn kaum in die Welt gesetzt, relativiert er ihn schon wieder: „Oder genauso viel.“

Atomkraftwerke sind der Renner

Auf die angebliche Planlosigkeit der rot-grün-gelben Regierung zielen Söder und Dobrindt ab, fordern „Mut zur Entscheidung“ ein. So heißt denn auch das Positionspapier, das die Landesgruppe bei ihrem Treffen verabschieden wird. Söder hat natürlich auch wieder schöne Bonmots mitgebracht. „Die Wahrheit liegt in der Gasleitung“, sagt er und spricht – freilich nicht zum ersten Mal – von der „Gas-Triage“.

Dobrindt hat als neue Lieblingvokabel nur die „Vernunftsenergie“ im Gepäck. Die lässt er dafür reichlich in seine Ausführungen einfließen, mal setzt er sie in Gegensatz zur „Friedensenergie“ der Ampel, mal zur „Moralenergie“. Verfängt nicht ganz so gut.

Die Bundesregierung habe immer behauptet, sie sei vorbereitet, wenn Putin den Gashahn abdrehe, sagt der Landesgruppenvorsitzende. Doch das sei mitnichten der Fall. Und dann, nach wenigen Sätzen nur, ist Dobrindt bei der zentralen Botschaft angelangt: der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke, die die Union so leidenschaftlich fordert.

Atomkraftwerke sind aktuell der totale Renner – zumindest in der christsozialen Rhetorik gegen die Ampel. Ein zunehmend monothematischer Kurs, den die Partei da auf Bundesebene voller Verve einschlägt – und das, obwohl der von den verbliebenen drei deutschen Kernkraftwerken produzierte Strom gerade mal sechs Prozent zum gesamten Energiemix beiträgt. Doch Söder und Dobrindt wähnen das Volk hinter sich. Die Mehrheit der Bevölkerung sei eindeutig für eine Verlängerung der Laufzeiten. Bisher vorgebrachte Sicherheitsgründe seien längst widerlegt, behaupten sie und verweisen auf ein selbst beim Tüv Süd in Auftrag gegebenes Gutachten.

Tempolimit keine Option für Söder

Und dass eine Verlängerung zum jetzigen Zeitpunkt zeitlich gar nicht mehr zu schaffen sei, sei ebenfalls widerlegt. Die CSU bezieht sich auf Aussagen des US-Herstellers Westinghouse, der angab, noch rechtzeitig neue Brennstäbe zur Verfügung stellen zu können. Das, so Dobrindt, habe die Bundesregierung gewusst und der Öffentlichkeit nicht gesagt.

Ideologische „Hardlinigkeit“ wirft Söder der Regierung, besonders den Grünen, vor, scheut sich aber auch nicht, quasi im selben Atemzug darauf hinzuweisen, dass ein Tempolimit für die CSU natürlich nicht in Frage komme und dass es ein „unangemessener Kuhhandel“ sei, die beiden Maßnahmen in Verbindung zu bringen.

Ein bisschen macht das Klausurtreffen am Ende den Eindruck eines Sommercamps radikaler Atomkraft-Befürworter. Fehlen nur die „Stoppt Habeck“-Buttons. Dafür dürfen prominente Geschwister im Geiste ins Kloster kommen und die CSU-Forderungen stützen. Die „Wirtschaftsweise“ Veronika Grimm etwa, die sich ebenfalls dafür aussprach die AKWs länger am Netz zu lassen.

Selbst der slowakische Ministerpräsidenten Eduard Heger, mit dem sich die Abgeordneten am Donnerstag über die Unterstützung der Ukraine unterhalten haben, wird hinterher für das Kernanliegen eingespannt und darf vor den Journalisten über die positiven Erfahrungen der Slowakei mit der Kernkraft berichten. Alles sicher, alles sauber, sagt Heger. „We are promoters.“ Solche Gäste lobt sich Dobrindt.

Partei kämpft gegen den Bedeutungsverlust

Und natürlich Friedrich Merz. Der kommt am zweiten Tag der Klausur ins Kloster, wird von den Abgeordneten begeistert empfangen. Bei der Abschlusspressekonferenz wird auch er deutlich: Technisch und juristisch sei eine Laufzeitverlängerung möglich, und politisch müsse sie gewollt sein. Dass er sie will, daran lässt Merz keinen Zweifel: „Die Dinger müssen weiterlaufen, weil wir den Strom brauchen.“ Ein Streckbetrieb, wie von manchen gefordert, ergebe nur dann Sinn, wenn man die dadurch gewonnene Zeit dafür nutze, neue Brennstäbe zu besorgen.

Natürlich geht es für die CSU in Kloster Banz auch darum, sich in der Oppositionsrolle zurechtzufinden, die sich für viele der Abgeordneten auch nach sieben Monaten noch neu anfühlt.

Opposition gegen die da oben in Berlin macht die CSU zwar seit jeher, bloß 16 Jahre lang waren die da oben zum Teil die eigenen Leute. Was einen Söder freilich genauso wenig störte wie einen Seehofer oder Stoiber. Die Situation müsste nun eigentlich einfacher sein, könnte man denken. Schließlich gilt es nun gar keine Rücksichten mehr zu nehmen. Nur: Mit dem Verlust der Regierungsbeteiligung geht natürlich auch ein gewaltiger Bedeutungsverlust einher. Der lässt sich in der Partei bei aller traditionellen – oder nur noch rituellen? – Kraftmeierei nicht kleinreden.

Söder konzentriert sich auf Bayern

Gerade mal 15 Monate ist es her, da wähnte sich Söder noch als künftiger Bundeskanzler. Dass die CDU statt seiner dann doch Armin Laschet ins Rennen schickte, dürfte er bis heute nicht verwunden haben. Jetzt ist sein Platz tatsächlich in Bayern, wie er zuvor immer behauptet hatte. Die Auftritte auf der bundespolitischen Bühne werden seltener, das Interesse an den markigen O-Tönen aus dem Süden hat seit dem Ausscheiden der Union aus der Regierung stark abgenommen. Dafür hat man ja nun Friedrich Merz, der in der Union jetzt die erste Geige spielt – nicht immer harmonisch, aber laut.

Nicht leicht, sich da zu positionieren. „Ich bin nicht der Oppositionsführer“, sagt Söder und lässt seit einigen Monaten wieder demonstrativ den bayerischen Landesvater raushängen. In Bayern will er im nächsten Jahr wieder gewählt werden, und die hiesigen Bierzelte und Trachtenumzüge sind dem Cola light trinkenden Anzugträger immer noch näher als Berliner Klein-Klein. Dafür gibt es Dobrindt.

So verabschiedet sich Söder schon am Mittwochnachmittag wieder, überlässt Dobrindt und Merz die bundespolitische Bühne. Er muss zum Bayerischen Rundfunk. Dort sitzt der Parteivorsitzende am Abend in der Sendung „Jetzt red i“ – und macht sich für einen Weiterbetrieb der deutschen Atomkraftwerke stark.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • 6G
    655170 (Profil gelöscht)

    Die CSU spielt keine Rolle mehr in Deutschland.



    Und Söder spielt keine Rolle mehr in Deutschland.



    Er hatte seine Chance - er hat sie vergeigt.



    Bayern hat nichts vorzuweisen.



    Nicht beim Tehma Energie: Keine Sromtrassen, kein Endlagen-Standort, keine Solarstrom-Erzeugung, keine Weindräder - nichts.



    Und auch ncihts bei der Gesundheitspolitik: Bayern hat die schlechteste Corona-Blinaz aller Bundesländer.



    Nicht s in der Bildungspolitik.



    Nichts in der Verkehrspolitik (siehe 2. Stammstrecke in München).



    Nichts bei der "Digitalisierung" (Kommunen, Schulen, Behörden - Leerstellen allerorten).



    Und bei den Wahlen hat Söder immer schlechtere Ergebnisse eingefahren, als sie die CSU bei der vorhergehenden Wahl hatte.



    Und nunkommt er auch noch mit der Verlängerung der Atomkraftwerks-Laufzeiten aus der Mottenkisten - zusammen mit Merz und der FDP.



    Das ist Söders Bilanz:



    Nichts. nichts nichts.



    Außer Bildern für die Fotografen und großer Worte.

  • Ein sehr treffender Artikel!



    Danke!



    Eigentlich haben Söder und Merz ja nichts in der Hand:



    Selbst die CDU hat für den Atomausstieg gestimmt.



    Herr Söder macht Vorschläge zum Nahverkehr, dabei haben die CSU Verkehrsminister der letzten Jahre derartige Ambitionen mit keinem Wort erwähnt, im Gegenteil, notwendige Investitionen in die Schiene wurden verschlafen.



    Seit Beginn der Ampel gab es nur Kritik, allerdings ohne Konstruktive Vorschläge.



    Gerne wird von rechts die schwierige Koalitionssituation der Ampel schlecht geredet.



    In der GrKo war es, wie im Artikel angedeutet, die CSU, die uns und die Koalitionäre jahrelang nervte.



    Die CDU hätte viel Zeit gehabt, die Bundeswehr zu stärken, doch da muss wohl erst ein SPD Kanzler kommen.



    Da auch Meckermerzi klar ist, dass er da als Konservativer nicht gut aussieht, folgten permanente Meckereien über das wie und wann von Waffenlieferungen.



    Ein eigentlich hilfloser Versuch.



    Doch leider machten es Ihm die Medien leicht:



    Kritik an der Ampel von der ersten Minute an!



    Nichts war gut, schon gar nicht gut genug.



    Dass dies von der überwiegend konservativ geprägten Presse kam, war zu erwarten.



    Leider stiegen auch die letzten linken Bastionen auf diese Form der Berichterstattung ein.



    (schlimm auch, dass es selbst bei den Öffentlich Rechtlichen wohl nur noch "konservativ" gibt)



    Leider wurden es oft auch sehr persönliche Angriffe.



    Ich hoffe, dass sich die JounalistInnen in der Sommerpause vielleicht auf Ihre Aufgabe einer neutralen Berichterstattung zurückbesinnen.



    Und den "linken" KommentatonInnen gebe ich zu bedenken, für welche Alternative sie streiten?!



    Wenn die Demokratie und Ihre Vertreter in den Dreck gezogen werden, wird es am Ende nur noch braun, das war schon vor 100 Jahren so.