CSU geht in Klausur: Sommercamp der Atomkraft-Fans
Bei ihrer Klausurtagung bläst die CSU mal wieder kräftig die Backen auf. Die Attacke gegen die Ampel konzentriert sich dabei auf deren Energiepolitik.
Die beiden stellen sich erst einmal oben an die Brüstung, Söder zeigt nach links, als wollte er Dobrindt die oberfränkische Landschaft zeigen. In Wirklichkeit steht dort, wo er hinzeigt, zwar nur ein Seitengebäude des Klosters, aber das sieht der Fernsehzuschauer ja nicht. Söder weiß, was er den Kameraleuten und Fotografen schuldig ist.
Dann schreiten Söder und Dobrindt die Freitreppe hinab, unten vor den Rosen stehen auf dem Rasen zwei Mikrofonständer bereit. In der prallen Mittagssonne. Es sei schon paradox, sagt Söder, in dieser Hitze über die kälteste Jahreszeit zu sprechen. Aber: „Dieser Winter dürfte der härteste werden.“ Und was habe die Bundesregierung für Rezepte, um durch diesen Winter zu kommen? Keine. Die Ampel so attestiert ihr der bayerische Ministerpräsident, befinde sich in einer Selbstblockade.
Jeden Tag gebe es neue Streitigkeiten, sagt Söder, „mehr als in anderen Koalitionen“. Ein Vergleich, der offenbar selbst ihm zu gewagt scheint, denn kaum in die Welt gesetzt, relativiert er ihn schon wieder: „Oder genauso viel.“
Atomkraftwerke sind der Renner
Auf die angebliche Planlosigkeit der rot-grün-gelben Regierung zielen Söder und Dobrindt ab, fordern „Mut zur Entscheidung“ ein. So heißt denn auch das Positionspapier, das die Landesgruppe bei ihrem Treffen verabschieden wird. Söder hat natürlich auch wieder schöne Bonmots mitgebracht. „Die Wahrheit liegt in der Gasleitung“, sagt er und spricht – freilich nicht zum ersten Mal – von der „Gas-Triage“.
Dobrindt hat als neue Lieblingvokabel nur die „Vernunftsenergie“ im Gepäck. Die lässt er dafür reichlich in seine Ausführungen einfließen, mal setzt er sie in Gegensatz zur „Friedensenergie“ der Ampel, mal zur „Moralenergie“. Verfängt nicht ganz so gut.
Die Bundesregierung habe immer behauptet, sie sei vorbereitet, wenn Putin den Gashahn abdrehe, sagt der Landesgruppenvorsitzende. Doch das sei mitnichten der Fall. Und dann, nach wenigen Sätzen nur, ist Dobrindt bei der zentralen Botschaft angelangt: der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke, die die Union so leidenschaftlich fordert.
Atomkraftwerke sind aktuell der totale Renner – zumindest in der christsozialen Rhetorik gegen die Ampel. Ein zunehmend monothematischer Kurs, den die Partei da auf Bundesebene voller Verve einschlägt – und das, obwohl der von den verbliebenen drei deutschen Kernkraftwerken produzierte Strom gerade mal sechs Prozent zum gesamten Energiemix beiträgt. Doch Söder und Dobrindt wähnen das Volk hinter sich. Die Mehrheit der Bevölkerung sei eindeutig für eine Verlängerung der Laufzeiten. Bisher vorgebrachte Sicherheitsgründe seien längst widerlegt, behaupten sie und verweisen auf ein selbst beim Tüv Süd in Auftrag gegebenes Gutachten.
Tempolimit keine Option für Söder
Und dass eine Verlängerung zum jetzigen Zeitpunkt zeitlich gar nicht mehr zu schaffen sei, sei ebenfalls widerlegt. Die CSU bezieht sich auf Aussagen des US-Herstellers Westinghouse, der angab, noch rechtzeitig neue Brennstäbe zur Verfügung stellen zu können. Das, so Dobrindt, habe die Bundesregierung gewusst und der Öffentlichkeit nicht gesagt.
Ideologische „Hardlinigkeit“ wirft Söder der Regierung, besonders den Grünen, vor, scheut sich aber auch nicht, quasi im selben Atemzug darauf hinzuweisen, dass ein Tempolimit für die CSU natürlich nicht in Frage komme und dass es ein „unangemessener Kuhhandel“ sei, die beiden Maßnahmen in Verbindung zu bringen.
Ein bisschen macht das Klausurtreffen am Ende den Eindruck eines Sommercamps radikaler Atomkraft-Befürworter. Fehlen nur die „Stoppt Habeck“-Buttons. Dafür dürfen prominente Geschwister im Geiste ins Kloster kommen und die CSU-Forderungen stützen. Die „Wirtschaftsweise“ Veronika Grimm etwa, die sich ebenfalls dafür aussprach die AKWs länger am Netz zu lassen.
Selbst der slowakische Ministerpräsidenten Eduard Heger, mit dem sich die Abgeordneten am Donnerstag über die Unterstützung der Ukraine unterhalten haben, wird hinterher für das Kernanliegen eingespannt und darf vor den Journalisten über die positiven Erfahrungen der Slowakei mit der Kernkraft berichten. Alles sicher, alles sauber, sagt Heger. „We are promoters.“ Solche Gäste lobt sich Dobrindt.
Partei kämpft gegen den Bedeutungsverlust
Und natürlich Friedrich Merz. Der kommt am zweiten Tag der Klausur ins Kloster, wird von den Abgeordneten begeistert empfangen. Bei der Abschlusspressekonferenz wird auch er deutlich: Technisch und juristisch sei eine Laufzeitverlängerung möglich, und politisch müsse sie gewollt sein. Dass er sie will, daran lässt Merz keinen Zweifel: „Die Dinger müssen weiterlaufen, weil wir den Strom brauchen.“ Ein Streckbetrieb, wie von manchen gefordert, ergebe nur dann Sinn, wenn man die dadurch gewonnene Zeit dafür nutze, neue Brennstäbe zu besorgen.
Natürlich geht es für die CSU in Kloster Banz auch darum, sich in der Oppositionsrolle zurechtzufinden, die sich für viele der Abgeordneten auch nach sieben Monaten noch neu anfühlt.
Opposition gegen die da oben in Berlin macht die CSU zwar seit jeher, bloß 16 Jahre lang waren die da oben zum Teil die eigenen Leute. Was einen Söder freilich genauso wenig störte wie einen Seehofer oder Stoiber. Die Situation müsste nun eigentlich einfacher sein, könnte man denken. Schließlich gilt es nun gar keine Rücksichten mehr zu nehmen. Nur: Mit dem Verlust der Regierungsbeteiligung geht natürlich auch ein gewaltiger Bedeutungsverlust einher. Der lässt sich in der Partei bei aller traditionellen – oder nur noch rituellen? – Kraftmeierei nicht kleinreden.
Söder konzentriert sich auf Bayern
Gerade mal 15 Monate ist es her, da wähnte sich Söder noch als künftiger Bundeskanzler. Dass die CDU statt seiner dann doch Armin Laschet ins Rennen schickte, dürfte er bis heute nicht verwunden haben. Jetzt ist sein Platz tatsächlich in Bayern, wie er zuvor immer behauptet hatte. Die Auftritte auf der bundespolitischen Bühne werden seltener, das Interesse an den markigen O-Tönen aus dem Süden hat seit dem Ausscheiden der Union aus der Regierung stark abgenommen. Dafür hat man ja nun Friedrich Merz, der in der Union jetzt die erste Geige spielt – nicht immer harmonisch, aber laut.
Nicht leicht, sich da zu positionieren. „Ich bin nicht der Oppositionsführer“, sagt Söder und lässt seit einigen Monaten wieder demonstrativ den bayerischen Landesvater raushängen. In Bayern will er im nächsten Jahr wieder gewählt werden, und die hiesigen Bierzelte und Trachtenumzüge sind dem Cola light trinkenden Anzugträger immer noch näher als Berliner Klein-Klein. Dafür gibt es Dobrindt.
So verabschiedet sich Söder schon am Mittwochnachmittag wieder, überlässt Dobrindt und Merz die bundespolitische Bühne. Er muss zum Bayerischen Rundfunk. Dort sitzt der Parteivorsitzende am Abend in der Sendung „Jetzt red i“ – und macht sich für einen Weiterbetrieb der deutschen Atomkraftwerke stark.
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