CSU-Klausurtagung in Seeon: Es grummelt im Kloster
Während Seehofer weiter den Streit sucht, hat die CSU im Bund davon zunehmend die Nase voll. In kleiner Runde fallen auch mal deutliche Worte.
Denn selbst in Teilen der CSU wächst inzwischen Unbehagen: Wie soll man einen geschlossenen Unionswahlkampf führen, wenn jederzeit eine neue Attacke gegen die Kanzlerin aus München zu befürchten ist? Hört man sich auf den Klostergängen um, merkt man schnell, dass es nicht nur die CDU ist, mit der es noch „ein bisschen Gesprächsbedarf“ gibt, wie es Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt so nett formuliert.
In kleiner Runde fallen da auch mal deutliche Worte – mit denen ihre Urheber natürlich auf keinen Fall zitiert werden möchten. „Zum Kotzen“ sei die Situation, hört man. Oder: Das sei doch kein Streit zwischen Parteien, sondern zwischen zwei alten Eheleuten. Und der werde jetzt auf dem Rücken vor allem der Landesgruppe ausgetragen.
Der Frust, man merkt es, steckt tief. Besonders bei den jungen Parlamentariern scheint die Verärgerung groß zu sein. Was verständlich ist, denn natürlich haben die noch aufstrebenden Kandidaten auf den hinteren Listenplätzen bei der Bundestagswahl am meisten zu verlieren.
Ganz anders dagegen ist die Situation im bayerischen Landtag. Da gibt es in der CSU-Fraktion manche, für die ist Seehofers Gangart noch nicht hart genug. Das höre sich dann manchmal an wie „AfD pur“, sagt einer in Seeon und nennt im selben Atemzug einen prominenten Landtagsabgeordneten, der auch in der Staatsregierung sitzt. Fragt sich also, wo tatsächlich die unüberwindbaren Gräben verlaufen.
Streit um Obergrenze
Immerhin gibt es mittlerweile verstärkte Anstrengungen in der Landesgruppe, die hohen Wellen, die Seehofer geschlagen hat, zumindest ein wenig zu glätten. Stefan Mayer etwa, Innenexperte der Landesgruppe, erzählt, dass er schon am 30. September gemeinsam mit seinem CDU-Kollegen Armin Schuster den beiden Parteivorsitzenden einen Brief zum Thema Obergrenze geschrieben habe.
Darin konstatierten die beiden: „Ein Ringen um den besten Kurs ist demokratisch sinnvoll. Es muss aber zu einem gewissen Zeitpunkt beendet werden, soll nicht das Gesamtprojekt Schaden nehmen. Diesen Zeitpunkt sehen wir in der Flüchtlingspolitik erreicht.“ Und: „Wer in schwierigen Zeiten Orientierung sucht, wendet sich ab, wenn das Führungsduo in vermeintlich verschiedene Richtungen strebt.“
Norbert Lammert (CDU)
Konkret schlagen Mayer und Schuster eine variable Obergrenze vor. Mayer bemüht dafür die etwas unglückliche Metapher eines „atmenden Deckels“. Dieser sieht vor, die genaue Zahl der Obergrenze jedes Jahr nach bestimmten Kriterien neu zu justieren. Dazu zählen die humanitäre Krisenlage weltweit, aber auch die Aufnahmefähigkeit Deutschlands.
In Seeon stößt der Vorschlag bei vielen auf Sympathie. Er zeige, dass es Lösungen gebe, heißt es. Sie persönlich glaube zwar nicht, dass dies die Lösung sein werde, sagt Hasselfeldt. „Aber über alles wird diskutiert werden. Es gibt da keine Denkverbote.“
Seehofer will von solchen Lösungen freilich nichts wissen. Dem Bayerischen Rundfunk zufolge hat er schon durchblicken lassen, dass für ihn nur eine starre Obergrenze in Frage kommt. Die Zahl 200.000 sei „fix“. Und sein Innenminister Joachim Herrmann, der am Donnerstag ebenfalls zu Gast in Seeon ist, sagt nur: „In meinem Leben habe ich leider noch nie einen atmenden Deckel erlebt, sodass ich mir das nicht vorstellen kann.“
Dabei täuscht die Hartnäckigkeit, mit der über eine bloße Zahl gestritten wird, darüber hinweg, dass noch überhaupt kein wirkliches Konzept zur Obergrenze und ihrer Umsetzung existiert. So gibt es selbst innerhalb der CSU unterschiedliche Auffassungen darüber, für wen die Obergrenze gelten soll. In einem Interview mit der taz betonte der stellvertretende Parteichef Manfred Weber jüngst, Asylbewerber seien davon nicht betroffen, Seehofer zufolge sind sie jedoch ausdrücklich eingeschlossen.
Eine klare Mahnung an die Adresse Merkels und Seehofers kommt auch von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller. Eine Einigung dürfe nicht am Streit über Begrifflichkeiten scheitern. Er kenne keinen CDU-Politiker, der das anders sehe.
Einen CDU-Politiker hat die Landesgruppe in Seeon auch zu Gast: Norbert Lammert. Der Bundestagspräsident gibt sich abgeklärt. „Ich bin vielleicht zu lange dabei, um die gegenwärtige Auseinandersetzung für so exzeptionell zu halten.“
Und dann nimmt Lammert noch schnell Kollegin Hasselfeldt in den Arm. „Gucken Sie uns an! Da kann an dem Zusammenhalt der Union überhaupt kein Zweifel bestehen.“
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