piwik no script img

CSD in Neuruppin„Das ist auch auf dem Land völlig normal“

Der schwule Pfarrer Alexander Stojanowič ist Mitorganisator vom CSD Neuruppin. Dort ist Queerness kein Problem – Rechtsextreme machen ihm aber Sorgen.

Pfarrer Alexander Stojanowič organisiert am Wochenende den CSD in Neuruppin mit Foto: privat
Interview von Marina Mai

taz: Herr Stojanowič, Sie gehören dem Organisationsteam an, das kommendes Wochenende den Christopher Street Day in Neuruppin organisiert. Mit welchen Gefühlen bereiten Sie das Ereignis vor?

Alexander Stojanowič: Mit Freude, dass das in Zusammenarbeit mit der Stadt und der Polizei so möglich ist. Nach den Ereignissen in Bad Freienwalde, wo rechte Schläger im Juni Besucher eines Vielfaltsfestes überfielen, mischt sich in die Freude allerdings auch das Gefühl, dass da etwas passieren könnte. Die ehemalige Vorsitzende unseres Vereins „Queeres Neuruppin“ war in Bad Freienwalde Augenzeugin des Überfalls. Es geschah genau dann, als sie aus ihrem Auto gestiegen war. Das belastet uns schon.

Im Interview: 

Alexander Stojanowič ist als Pfarrer in Temnitz, einer ländlichen Region nahe Neuruppin. Der 45jährige lebt in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft.

taz: In diesem Sommer finden in vielen Brandenburger Kleinstädten CSD-Veranstaltungen statt. In Falkensee gab es letztes Wochenende eine rechte Gegendemonstration der rechtsextremen „Deutsche Jugend Voran“, die die Polizei vom CSD trennen musste. Rechnen Sie in Neuruppin auch mit so etwas?

Stojanowič: Bisher haben wir von so etwas keine Kenntnis. Auch im letzten Jahr, als wir in Neuruppin erstmals einen CSD feierten, verlief das störungsfrei. Neuruppin ist bürgerlicher geprägt als beispielsweise unsere Nachbarstadt Rheinsberg. Aber man kann nie wissen. In unserem Landkreis haben über 40 Prozent der Wähler die AfD gewählt. Letztes Wochenende gab es in Neuruppin bereits einen Gottesdienst im Rahmen des CSD unter freiem Himmel im Stadtzentrum. Im Anschluss konnten sich Paare segnen lassen. Die Gäste kamen hauptsächlich aus der queeren Community. Störungen gab es glücklicherweise keine, aber im Vorfeld hatten wir als queeres Netzwerk durchaus Bedenken.

taz: Wäre es nicht einfacher, Sie fahren zum CSD nach Berlin und verleben dort einen schönen Tag?

Stojanowič: Nein. Wenn sich die queere Szene aus kleinen Orten nach Berlin zurückzieht, wäre das für die Leute hier in der Provinz ein Verlust. Man müsste sich dann hinter seinen Gartenzaun zurückziehen. Wir müssen aber als queere Menschen auch in kleinen Orten sichtbar sein, dürfen uns nicht verdrängen lassen. Wir leben und lieben hier, also gehen wir auch hier für unsere Rechte auf die Straße. Als ich 2018 erstmals nach Neuruppin kam, sah ich von der Autobahn aus eine Regenbogenfahne am Parkplatz eines Supermarktes hängen. Das war sehr wichtig für mich. Ich wusste, hier bin ich nicht allein.

taz: Ich stelle es mir schwierig vor, als schwuler Pfarrer in einer ländlichen Kirchengemeinde akzeptiert zu werden.

Stojanowič: Überhaupt nicht. Ich wirke seit 2018 hier. Es ist völlig normal, dass mein Partner mit in den Gottesdienst kommt. Wenn er mal nicht kommen kann, erkundigen sich die Gemeindemitglieder, wie es ihm geht. Eine Frau hatte mir gesagt, sie freue sich, dass ich jetzt hier sei, weil sie mit mir jemanden hätte, mit dem sie über ihre lesbische Enkeltochter sprechen könne. Also: Das ist auch auf dem Land völlig normal.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!