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CSD-Mitveranstalter über CSU-Ausschluss„Ängste werden geschürt“

Die CSU darf nicht an der großen CSD-Parade in München teilnehmen. Weil sie sich nicht für alle Queerpersonen einsetze, sagt ein Mitveranstalter.

Die Münchener Allianz Arena 2021, anlässlich des Christopher Street Days in Regenbogenfarben Foto: Sven Hoppe/dpa
Dominik Baur
Interview von Dominik Baur

taz: Herr Weismantel, Sie sind Mitveranstalter des Münchner CSD, der mit der großen Parade am 24. Juni seinen Höhepunkt feiert. Daran wollte auch die CSU mit einem Wagen teilnehmen – was ja eigentlich eine schöne Sache ist. Aber jetzt darf sie nicht. Warum?

Tobias Oliveira Weismantel: Für die Teilnahme gibt es bestimmte Voraussetzungen. Dazu gehört, dass ich mich für die komplette rechtliche Gleichstellung und die gesellschaftliche Akzeptanz aller Queer-Personen einsetze. Wir erkennen zwar an, dass auch die CSU eine Entwicklung durchgemacht hat und sich einzelne Personen in der Partei für das Thema sehr engagieren. Aber trotzdem erfüllt die Gesamtinstitution diese Voraussetzung nicht. Einer Partei, die der Bundesregierung in Sachen Selbstbestimmungsgesetz noch immer Ideologie vorwirft oder von einer Transmode spricht oder wie jetzt eine Lesung für Kinder für reine Polemik nutzt und mit Begriffen wie Frühsexualisierung um sich wirft, können wir nicht abnehmen, dass sie für diese Werte steht, und daher haben wir ihre Anmeldung abgelehnt.

Haben auch andere eine Absage bekommen?

Ja, die CSU ist nicht die einzige Gruppierung.

Im Interview: Tobias Oliveira Weismantel

ist Geschäftsführer der Münchner Aids-Hilfe, die zusammen mit vier Partnerorganisationen den CSD München veranstaltet.

Die Lesung, die Sie ansprechen, war ja offenbar der Tropfen, der das Fass zum überlaufen gebracht hat. Die Münchner Stadtbibliothek hat im Stadtteil Bogenhausen für Mitte Juni unter dem Titel „Wir lesen euch die Welt, wie sie euch gefällt“ zu einer „Drag-Lesung“ mit einer Dragqueen, einem Dragking sowie einer 14-jährigen transsexuellen Autorin geladen. Darin soll kindgerecht das Thema Geschlechteriden­ti­tät behandelt werden. Einige CSU-Politiker hatten sich daraufhin empört gezeigt, als wolle man Vierjährigen eine erotische Travestieshow präsentieren.

Diese Reaktionen haben sicherlich dazu beigetragen, dass wir gesagt haben: Ein CSU-Wagen hat auf unserer Parade nichts verloren. Aber das war nicht der allein ausschlaggebende Punkt.

In Ihrer Pressemitteilung zumindest argumentieren Sie damit, dass Teile der Münchner CSU ein Verbot der Lesung gefordert hätten. Manuel Pretzl, der Fraktionschef im Stadtrat, sagt nun aber, ein Verbot habe man nie gefordert.

Es geht auch nicht um die Frage einer Verbotsforderung, sondern einfach darum, wie mit dem Thema umgegangen wird. Herr Pretzl findet auch, wir müssten andere Meinungen zulassen und tolerieren. Hier geht es aber nicht um Meinungen, sondern um Polemik. Natürlich gibt es CSU-Politiker, die diese Haltung nicht unterstützen, aber einzelne Personen entbinden ja nicht eine Institution von einer gewissen Positionierung.

Aber können auf der anderen Seite einzelne Personen eine ganze Institution in Misskredit bringen? Wäre nicht eine Umarmungsstrategie wirksamer, um die aufgeschlossenen Geister in der Partei zu stärken?

Bevor ich jemanden umarme, muss ich insgesamt ein gutes Gefühl haben: Ich muss wissen, dass der andere es ehrlich meint. Und bei der CSU sehe ich da noch viel Entwicklungspotenzial. Was ich so gefährlich finde, ist die Polemik. Polemik wie im Fall dieser Lesung schafft Emotionen: Emotionen gegen die Personen, die es ohnehin schon schwer haben. Es ist doch perfide, wie da Ängste geschürt werden – gerade wenn Kinder im Spiel sind.

Die CSU bezeichnet sich ja selbst als weltoffen …

Den Worten müssen zuerst mal Taten folgen. Dass die CSU eine offenere Partei werden will, das hören wir gerne. Aber das muss dann halt auch glaubhaft sein. Und das ist es nicht, wenn ich gleichzeitig in die USA reise und mich mit dem offen homophoben Gouverneur Ron DeSantis treffe.

Das haben die Bundestagsabgeordneten Andreas Scheuer, Dorothee Bär und Florian Hahn getan.

Und Scheuer zeigte sich hinterher regelrecht begeistert von DeSantis. Davon hat sich der Rest der Partei nicht klar distanziert, auch nicht die Münchner CSU.

Über die „Drag-Lesung“ empörte sich aber als einer der Ersten auch Dieter Reiter, seines Zeichens immerhin Oberbürgermeister von München und SPD-Mitglied. Er habe für so eine Veranstaltung kein Verständnis und würde da mit seiner Enkelin nicht hingehen. Trotzdem darf er die CSD-Parade weiterhin als Schirmherr anführen. Wird da mit zweierlei Maß gemessen?

Nein. Wir hatten am Dienstag ein sehr vertrauliches und gutes Gespräch mit Dieter Reiter, in dem wir ihm noch mal unser Verständnis dieser Lesung dargelegt haben. Und Reiter hat sich ja inzwischen auch in öffentlichen Statements entschuldigt; er habe niemanden verletzen wollen.

Mal völlig dahingestellt, inwieweit das tatsächliches Bedauern oder lediglich politische Schadensbegrenzung war: Bekommt die CSU jetzt dieselbe Chance? Werden Sie auch mit ihr sprechen?

Nach dem jetzigen Stand der Dinge halten wir die Partei nicht für geeignet, auf der Parade für Toleranz und Akzeptanz mitzufahren. Aber die CSU ist ja nicht komplett vom CSD ausgeschlossen. Im vergangenen Jahr hatte sie ja beispielsweise auch einen Infostand. Und Gesprächen verschließen wir uns grundsätzlich nie. Den Worten müssen zuerst mal Taten folgen.

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4 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Sie zeigt also Wirkung, die Reise der 3 CSU-Mitglieder nach Florida zu dem Mann, der dem "Wokeismus" den Kampf angesagt hat, dass Schwangerschaftsabbruchsrecht bis zur Unkenntlichkeit mit dem 'Herzschlaggesetz' verschärft hat und dessen rechts-radikale Partei queere Menschen als 'Phädophile' und 'Groomer' bezeichnet. Natürlich ist das Vorlesen von Büchern in Bibliotheken in Florida von Drag-Personen verboten, wie auch bestimmte Bücher, die sich mit diversen Lebensweisen befassen. Diese werden unberechtigt mit Pornographie gleich gesetzt.



    Das letzte Gesetz, das gerade vor kurzem erlassen wurde, verbietet die Medikation mit Pubertätsblockern von Transkindern, sowie andere medizinische Maßnahmen. Eltern können also nicht mehr selbst mit ihren Kindern entscheiden, wie sie mit der Geschlechtsdysphorie ihrer Kinder umgehen können.



    Da passt der Aufschrei, dass queere Menschen eine Vorlese-Stunde in einer öffentlichen Bibliothek abhalten. In den USA, im Land of the Free, stehen da bevorzugt Mitglieder rechtsextremistischer Gruppen in voller Kriegsmontur mit automatischen Kriegsgewehren vor dem Eingang der Bibliothek, um die Besucher einzuschüchtern.



    Wir verwenden in diesem Land zwar keine echten Waffen. Allerdings können Worte ebenfalls als Waffe eingesetzt werden.



    Diesem Rechtsruck in unserer Gesellschaft, forciert auch durch die CSU, müssen wir uns entgegenstellen.

  • Richtige Entscheidung. Die CSU kann nicht auf der einen Seite eins zu eins rechtsextreme Hetze gegen trans und gendernonkonforme Menschen nachplappern und dann auf der anderen Seite auf dem CSD Pinkwashing betreiben. Wer wie Scheuer nach eigenen Worten eine "Grundsatzdebatte" darüber führen will, ob trans Personen überhaupt existieren dürfen, denn genau dieses Recht wird von seinem Vorbild DeSantis in Florida gerade scheibchenweise abgeschafft, der sollte noch von ganz anderen Dingen als dem CSD ausgeschlossen werden.

    Zur Erinnerung: In Florida sind gerade Kindesentführungen zum Zweck der zwangsweisen Detransition von Kindern legalisiert worden. Als nächstes ist ein Gesetz in der Mache, das die erzwungene Unterbringung aller transgeschlechtlichen Kinder in Heimen festschreiben soll. Das ist der Punkt, an dem Florida jetzt ist. Wer sich das zum Vorbild nimmt, wäre selbst in der AfD ein besonders schwerer Fall. Das müssen Scheuers Parteifreunde eben begreifen und die passenden Konsequenzen ziehen, wenn sie irgendwann in der Zukunft wieder auf den CSD wollen.

    Vorher sollten sie allerdings auch mal ihr neues Grundsatzprogramm überarbeiten, in dem sie gerade noch mal bekräftigt haben, dass ihnen die Ehe zwischen Mann und Frau über alles geht. Ernsthaft, wie viele Hoibe muss man sich in den Kopf kippen, bis man glaubt, nach solchen Entgleisungen auf dem CSD willkommen zu sein?

    Wir tolerieren euch nicht. Niemand kann uns zwingen, mit Menschen zu feiern, die uns ausrotten wollen. Ich hoffe, dass die CSDs in anderen Städten dem Beispiel folgen und potenzielle Teilnehmer ebenfalls danach messen werden, wie sie zur Community stehen statt daran, was für große Namen das sind.

    • 6G
      669190 (Profil gelöscht)
      @Elon Musk kommt nicht ins Berghain:

      Sind die Florida-Amis etwa exakt 90 Jahre zurückgeblieben? Und nicht nur die in Florida?



      Dann wäre es ja überhaupt kein Wunder, wenn ein gerade verurteilter „Elefant aus dem Porzellanladen“ erneut die Bühne des Weißen Hauses besteigen würde.

      Unfassbar. Das Mittelalter lässt übern großen Teich hinweg „recht schön grüßen“.



      Wohlmöglich noch mit dem dumpfbackigen Spruch „America first“, oder wie jetzt?

      An Peinlichkeit und Menschenverachtung kaum zu überbieten — und das in einem angeblich demokratischen Staat…:-(( !

  • 6G
    669190 (Profil gelöscht)

    Schon 1971 wusste jemand unmissverständlich:



    —Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt! —

    Das gleiche gilt satte 52 Jahre später immer noch, auch für Transsexuelle.

    Mit schier mittelalterlichem Gedankengut versuchen „Weltverfremder“ sich weiterhin wissenschaftlichen Erkenntnissen akribisch zu widersetzen und das deutsche Grundgesetz ist mit seinen „Pseudo-Gleichbehandlungsgrundsätzen“ ist immer noch „berechtigt“ in irgendwelchen Bücherrregalen „nur dumm rumzustehen“.

    Unglaublich, aber wahr!