CO2-arme Technologie: Patente Lösung
Die herrschende Patentlogik setzt klimaschädliche Anreize. Mit einem neuen globalen Fonds könnten alle Staaten in CO2-arme Technologie investieren.
E gal welchen Farbanstrich die neue Koalition erhalten wird, Klimapolitik wird eines ihrer Hauptanliegen sein. Und selbst wenn der eine Koalitionspartner dabei mehr auf Technologien setzen wird als der andere, werden die Klimaziele nicht ohne die nötigen Innovationen eingehalten werden können. In Deutschland nicht. Auf der Welt nicht.
Während Deutschland sich wie der Rest der Europäischen Union erhofft, dass Unternehmen durch Verteilung eines schrumpfenden Kontingents an CO2-Zertifikaten „einen Anreiz erhalten, in klimafreundliche Techniken zu investieren“, wird ein gewaltiges Problem übersehen: die Patentlogik. Insbesondere global ist dies problematisch. Und was hinsichtlich der Klimapolitik ein globales Problem ist, ist letztlich auch ein deutsches.
Nehmen wir zum Beispiel indische Kohlekraftwerke. Als bereits sogenannte superkritische Technologien auf dem Markt waren, benutzte Indien noch immer die ineffizienteren subkritischen. Als dann der Standard auf die noch saubereren ultra-superkritischen Technologien angehoben wurde, hinkte Indien mit den superkritischen hinterher. Dies bedeutete nicht nur eine weniger effektive Produktion, sondern bis zu 30 Prozent mehr CO2-Ausstoß.
Der Grund dafür war, dass die weiterentwickelteren Grenztechnologien mit Tausenden Patenten geschützt waren. Im Jahr 2009 zahlte etwa der chinesische Kohlekraftwerksbauer Harbin Electric 1,5 Millionen Dollar an Lizenzgebühren für jeden Kessel, der mit der patentierten Technologie von Mitsui Babcock hergestellt wurde.
ist deutsch-indischer Abstammung, studierte Philosophie und internationalen Journalismus an der London und Westminster University. Er beendet derzeit seine Promotion in interkultureller Philosophie und ist für Medien wie die „Times of India“ und das „SZ-Magazin“ tätig. Er konzentriert sich neben der interkulturellen Philosophie auf Fragen der globalen Gerechtigkeit.
Statt diese Ausgaben mit der dadurch ermöglichten effektiveren Produktion gegenzurechnen, entscheiden sich viele Anlagenbetreiber wie in Indien für ältere Technologien. Dies führte zu zusätzlichen 1,5 Millionen Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr und Anlage – in etwa so viel, wie eine Million Pendler in NRW mit täglich 40 Kilometer Durchschnittsstrecke pro Jahr erzeugen.
Die Problematik liegt also darin, dass die 20-Jahre-Patente zwar Anreize zu Forschung geben, die Verbreitung der darauf basierenden Technologien aber durch gewaltige Aufpreise behindern. Deshalb kommen die besten grünen Technologien besonders dort nicht zum Einsatz, wo die meisten Wachstumsemissionen in den nächsten Jahren erzeugt werden: in Entwicklungsländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen. Die größten Anstrengungen zur Emissionsreduzierung werden dagegen in Ländern mit hohem Einkommen unternommen. Länder, in denen die Steuern und Marktpreise für Emissionen am höchsten sind. Wie lässt sich dieser Widerspruch auflösen?
Alle Patentrechte abzuschaffen, könnte insofern nachteilig sein, als damit auch die Forschungsanreize verschwänden. Vielmehr gilt es, die Anreize so zu setzen, dass neue grüne Technologien auch die ärmsten Gesellschaften erreichen und damit insgesamt zu mehr CO2-Einsparung, vielleicht sogar -Umwandlung führen. Ein Weg, dies zu erreichen, sind sogenannte Impact Funds, die beispielsweise auch im medizinischen Bereich vorgeschlagen werden.
Firmen, die ihre Technologien in einem entsprechenden Green Impact Fund for Technology (GIFT) anmelden, würden sich verpflichten, kostenlose Lizenzen für Herstellung, Verkauf und Nutzung anzubieten. Oder die Technologie zu (vielleicht auch unter) den variablen Kosten zu verkaufen.
Im Gegenzug würde man die Firmen an den jährlichen, für sechs Jahre geplanten Ausschüttungen des Funds beteiligen. Jede Jahresausschüttung würde unter den gemeldeten Erfindungen proportional zur mit ihnen jeweils im Vorjahr erzielten Emissionsminderung aufgeteilt.
Da Anreize hier auf Leistung beruhen, würden sich die Hersteller darauf konzentrieren, dass ihre Erfindungen tatsächlich umsetzbar sind und die höchstmögliche Wirkung erzielen. Zusätzlich würde man sich nicht nur um die Verbreitung der Technologien bemühen, sondern durch Schulungen dafür sorgen, dass die Erfindungen optimal genutzt werden. Mehr noch: Solange die Steigerung des Wirkungsgewinns die Kosten übersteigt, würde man diese Technologien notfalls sogar kostenlos installieren und/oder subventionieren.
Allerdings müsste man wohl zwischen zwei Modellen unterscheiden. Ein finanziell unaufwendigeres Modell, das lediglich Entwicklungs- und Schwellenländer in die GIFT-Zone miteinbezieht. Und ein anderes, das auch die Länder des Globalen Nordens einschließt, die die jährlichen Ausschüttungen des GIFT finanzieren.
Die Herausforderung bei Modell 2 besteht darin, dass es weitaus teurer wäre – aber auch sinnvoller, da es äußerst wichtig ist, auch in den reicheren Ländern das Kostenverhältnis zwischen grünen und grauen Technologien zu verbessern.
Da wäre allerdings noch die Frage der Finanzierung: Die geschätzte jährliche Fördersumme bemisst sich auf mindestens 2 Milliarden Euro. Eine Quelle wäre der Grüne Klimafonds der Vereinten Nationen, dem ein dreistelliger Milliardenbetrag (US-Dollar) für die Klimafinanzierung zur Verfügung stehen soll. Für die Jahre 2020 bis 2023 beteiligt sich Deutschland mit insgesamt 1,5 Milliarden Euro. Auch die Einnahmen der CO2-Steuern könnten für eine Finanzierung herangezogen werden. Dabei würden die beitragenden wohlhabenden Länder proportional zu ihren Nationaleinkommen belastet.
Es gilt also in Bezug auf den GIFT und andere Impact Funds noch einiges zu durchdenken. Das sollte aber nicht davon abschrecken, neue Wege zu suchen. Denn die momentane Patentlogik erschwert es uns zusätzlich, das Übereinkommen von Paris einzuhalten. Ein Impact Fund könnte das ändern. Nicht nur im Globalen Süden, sondern auch in Deutschland und anderen wohlhabenden Staaten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen