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CO2-Bilanz von Zement, Beton und Co.Wie die Bauindustrie ihr Klimaschutzpotential verschenkt

Bauen ist bislang oft klimaschädlich, denn bei der Herstellung von Zement und Beton entsteht viel CO2. Es ginge auch besser.

Grau, nicht grün: Bauarbeiter entnehmen Beton aus einem Betonkübel Foto: IMAGO/Frank Hoermann/SVEN SIMON

Berlin taz | Bauen ist wegen des Bedarfs an Beton, Zement und Chemikalien eben einfach klimaschädlich? Es ginge viel besser, wenn die Branche mehr auf Kreislaufwirtschaft setzen würde, also auf die Wiederverwertung schon mal genutzter Baustoffe. Das zeigt eine Studie des Beratungsunternehmens Systemiq im Auftrag des Naturschutzverbands WWF. Durch die Nutzung von Recycling-Technologien könnten die Kosten der Klimaneutralität in der Bauindustrie auch um bis zu 45 Prozent sinken.

„Stahl, Chemie und Zement verursachen rund drei Viertel der CO2-Emissionen der Industrie – daher stehen sie besonders im Fokus, wenn es darum geht, diesen Sektor zu dekarbonisieren“, erklärt WWF-Klimaexpertin Viviane Raddatz. „Die Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energien ist der wirksamste Hebel für eine klimaneutrale Industrie. Unsere Studie zeigt: Werden Kreislaufwirtschaft und CO2-Minderung konsequent zusammen gedacht, entsteht ein Win-win-win für unser Klima, unsere Ressourcen und die Unternehmen.“

Beim Zement gilt es als besonders schwierig, die Herstellung klimafreundlich zu gestalten. Damit gilt dasselbe auch für Beton, der unter anderem aus Zement besteht. Das Problem: Treibhausgas entsteht an verschiedenen Stellen des Produktionsprozesses. Zum einen sind extrem hohe Temperaturen erforderlich. Das erfordert viel Energie, bislang meist Gas oder Kohle, was auf erneuerbare Alternativen umgestellt werden muss.

Zum anderen ist aber die chemische Reaktion selbst ein Problem. Um Zement zu produzieren, wird Kalkstein im Drehrohrofen zu Zementklinker. Dabei zerfällt der Kalkstein zu gebranntem Kalk – und Kohlendioxid. Die Energiewende allein reicht also nicht aus, um Zement klimafreundlich zu machen. Politik und Branche will darauf setzen, das zwangsläufig im Prozess entstehende CO2 unterirdisch zu lagern – teuer und wenig erprobt. Wenn einfach weniger neuer Zement gebraucht würde, weil alter wiederverwertet wird, würde das Problem geringer.

So könnte die Kreislaufwirtschaft in Schwung kommen

Die vom WWF beauftragte Studie hat zehn marktreife Technologien der Kreislaufwirtschaft untersucht, die in Industriezweigen wie Stahl, Chemie und Zement unmittelbar einsatzbereit wären. Es könnte also losgehen mit der Wiederverwertung beim Bauen. Genutzt werden die Methoden bisher jedoch kaum.

Der Einsatz der untersuchten Technologien könne auch die Abhängigkeit von Energieimporten wie Gas aus Russland um bis zu 20 Prozent reduzieren, stellt die Studie fest. Gleichzeitig steige die Widerstandsfähigkeit der Industrie gegenüber schwankenden Rohstoffpreisen und gestörten Lieferketten.

Wie kann die Kreislaufwirtschaft Einzug in die Baubranche halten? Ein bedeutender Hebel liegt laut Lea Vranicar in Klimaschutzvorgaben bei öffentlichen Ausschreibungen. Wenn beispielsweise eine Schule neu gebaut wird, sollten künftig klimaschutzrelevante Kriterien verbindlich berücksichtigt werden. Dazu gehörten unter anderem Treibhausgasgrenzwerte sowie Mindestrecyclinganteile bei verwendeten Baumaterialien.

Derzeit erfolge die Vergabe öffentlicher Aufträge meist noch rein auf Basis der Wirtschaftlichkeit. Das führe dazu, dass ökologische Aspekte außen vor bleiben, kritisiert Vranicar. Die Einführung verbindlicher Nachhaltigkeitskriterien könne hingegen helfen, die Nachfrage nach umweltfreundlichen Materialien gezielt und langfristig zu steigern.

Auch modulare Bauweisen gelten als vielversprechend. Dabei handelt es sich um ein Baukonzept, bei dem standardisierte Bauelemente außerhalb der Baustelle vorgefertigt und vor Ort lediglich montiert werden müssen. Dabei werden die Baustoffe oft effizienter eingesetzt, es gibt weniger Verschwendung – und damit einen geringeren Bedarf, beispielsweise an Beton.

Zur Optimierung von Recyclingprozessen würden laut der WWF-Expertin zudem digitale Rückverfolgungssysteme beitragen. Gemeint sind damit zum Beispiel unsichtbare digitale Wasserzeichen oder QR-Codes auf Verpackungen, die über Sensoren ausgelesen werden können. Diese enthalten dann abrufbare Informationen über Materialtyp, Verwendung oder Qualitätsmerkmale und ermöglichten nicht nur eine gezieltere Sortierung, sondern auch eine verlängerte Nutzungsdauer für Materialien.

„Innovationen für eine nachhaltige Industrie müssen im Kerninteresse der Unternehmen selbst und des Staates liegen“, sagt Raddatz. „Klima- und Ressourcenschutz tragen zur Stabilisierung und Unabhängigkeit des Sektors bei und können den Unternehmen große Kostenersparnisse bringen.“

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2 Kommentare

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  • Zur Studie: Ganz besonders hat mir die Technologie "Internet of Things" gefallen. Das buzz word ist wirklich ein Dauerbrenner.



    Natuerlich wird der Betrieb von den IoT-Geraeten, die notwendige Infrastruktur und Rechenzentren mehr CO2 ausstossen als man damit einspart.

    Zum Artikel: Wirtschaftlichkeit muss immer das primaere Ziel sein. Man kann aber bei Auschreibungen Anforderungen stellen. Zum Beispiel eine Recyclingruecklage bei Windraedern, um den verbauten Zement fuers Fundament nach Nutzung wieder verwerten zu koennen.

  • www.bayika.de/de/a...hen-Baustoffen.php



    Sowie Stahl hier im Artikel!? Wo wird in Deutschland hergestellter Stahl NICHT aus Altmetall und Schrott hergestellt? Da liegen wir bei 100%, aus Erzen herzustellen gibt es in DE keine Verhüttungen mehr, die sind alle geschlossen.