CDU hat Wölfe und Nonnengänse im Visier: Der Wolf soll tot

Schleswig-Holstein will das Jagdgesetz und den Schutzstatus von Gänsen ändern. Der Nabu sieht beides kritisch: Es würde keinerlei Vorteile bringen.

Ein Wolfsrudel steht im Wald

Ein Bild, das es in Schleswig-Holstein noch nicht gibt: Wolfsrudel in Bayern Foto: Blickwinkel/Imago

RENDSBURG taz | Wölfe sollen in Schleswig-Holstein gejagt werden dürfen – allerdings gilt eine ganzjährige Schonzeit. Die Idee, die geschützten Tiere ins Jagdrecht aufzunehmen, stammt von der CDU, die Grünen stimmten im Koalitionsvertrag zu. Eine Änderung ist auch für die Nonnengänse geplant. Jetzt befasst sich der Kieler Landtag mit beiden Gesetzesanträgen. Opposition und Tier­schüt­ze­r*in­nen kritisieren den Vorstoß.

Wolf reißt Schafe, Wolf wird abgeschossen: „So stellen sich einige Tierhalter das vielleicht vor, aber das wird auf keinen Fall erlaubt sein“, sagt Fritz Heydemann, beim Nabu Schleswig-Holstein für Artenschutz zuständig. Diese Erfahrung hätten auch andere Bundesländer gemacht, die den Wolf ins Jagdrecht aufgenommen haben: Zuletzt schuf Niedersachsen im Frühjahr eine entsprechende Regel.

Allerdings gebe es einen Unterschied, so Heydemann: „In Niedersachsen haben sich mehrere Rudel angesiedelt.“ In Schleswig-Holstein gelten nach einer aktuellen Mitteilung des Umweltministeriums zwei Wolfspaare als „resident“. Doch solange kein Nachwuchs geboren wurde, gilt die Art als nicht heimisch.

Damit werde also ein Tier ins Jagdrecht aufgenommen, das es faktisch kaum und gesetzlich noch gar nicht gibt, so Heydemann. „Und egal, was das Landesrecht sagt, es bleibt der strenge EU-rechtliche Schutz.“

CDU setzt sich gegen die Grünen durch

Die CDU-Abgeordnete Cornelia Schmachtenberg hält es dennoch für sinnvoll, das Gesetz zu ändern. Sie hat den Punkt in den Koalitionsverhandlungen gegen die anfangs zögerlichen Grünen durchgesetzt. Eines ihrer Argumente: Es werde einfacher, einen angefahrenen Wolf zu töten. Zurzeit dürfen das nur die Polizei oder eine Tierärzt*in, künftig könnten örtliche Jä­ge­r*in­nen hinzugezogen werden. „Die sind schneller vor Ort und wissen, wie sie ein krankes Tier erlösen“, sagt Schmachtenberg.

Auch sie betont: „Wenn wir das Jagdrecht ändern, heißt das nicht, dass ein Wolf einfach abgeschossen werden darf. Aber wenn ein Wolf freigegeben wird, dürfen auch die örtlichen Revierpächter beauftragt werden.“

Trotz aller Skepsis tragen die Grünen die Aufnahme des Wolfs in das Jagdrecht mit

Bisher gab es in Schleswig-Holstein erst einen solchen Fall. Die beauftragten Jä­ge­r*in­nen lauerten „GW 924m“ vergeblich auf. Im Januar 2020 geriet das Tier in Niedersachsen unter ein Auto.

Ob örtliche Jä­ge­r*in­nen so genannte Problemwölfe leichter erwischen als die Spezialtruppe, bezweifelt Nabu-Experte Heydemann: „Erstens legen Wölfe weite Wege zurück, da wäre nicht nur ein Pächter beteiligt. Zweitens sind Wölfe weit schwerer zu schießen als etwa ein Wildschwein.“ Hinzu kommt, dass das Töten eines Wolfs gesellschaftlich umstritten ist. Eine Pflicht für Re­vier­päch­te­r*in­nen wird es daher nicht geben, sagt Schmachtenberg.

SPD will lieber Schutzzäune

Die tierschutzpolitische Sprecherin der größten Oppositionsfraktion, der SPD, Sandra Redmann, lehnt die Übernahme des Wolfs ins Landesjagdrecht ab: „Das, was die Koalition erreichen will, wird so nicht erreicht. Das Verfahren wird lediglich komplizierter.“ Die SPD will mit Maßnahmen wie Schutzzäunen „Weidetierhaltung und Wolf in Einklang“ bringen, dafür gebe es bereits ausreichend Instrumente: „Das Wolfsmanagement, wie wir es bisher in Schleswig-Holstein angewandt haben, funktioniert“, sagt Redmann.

Die Grünen sehen es ebenso: „Das Nebeneinander von Jagd- und Naturschutzrecht führt zu einer komplizierten Rechtslage“, sagt die umwelt- und jagdpolitische Sprecherin der Fraktion, Silke Backsen. „Der Wolf ist eine streng geschützte Art, eine Entnahme im Einzelfall ist naturschutzrechtlich geregelt. Daran ändert auch die Übernahme in das Jagdrecht nichts.“

Geprüft werden müsse, ob es tatsächlich rechtlich möglich ist, dass örtliche Jä­ge­r*in­nen einen verletzten Wolf per Fangschuss töten dürfen. Backsens Fazit: Den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen, ergebe „keinen großen Sinn“. Trotz aller Skepsis tragen die Grünen den Antrag mit.

Einig sind sich die Koalitionspartner bei dem Versuch, den Schutzstatus der Nonnengans zu lockern. Denn die Zahl der Tiere sei stark gestiegen, berichtet Schmachtenberg. Backsen fügt hinzu: „Die Population hält sich seit einiger Zeit stabil auf hohem Niveau – ein Erfolg des Naturschutzes, aber auch Folge von Klimaveränderungen und milderen Wintern.“ Das Problem: Je mehr Gänse es gibt, auf desto mehr Flächen landen und fressen sie.

Ökologierung der Landwirtschaft notwendig

Ändert die EU den Status der Tiere, könnten sie zu bestimmten Zeiten bejagt werden. Schmachtenberg stellt sich eine bessere Lenkung der Schwärme vor: „Es gibt ja keine Schilder in der Luft, aber man kann etwa landeseigene Naturschutzflächen so gestalten, dass sie attraktiv für die Tiere sind.“ Das kann etwa bedeuten, naturbelassene Wiesen zu mähen – was die Flächen allerdings für andere Arten verdirbt.

„Das muss naturschutzfachlich passen“, sagt Schmachtenberg. Schleswig-Holstein tausche sich darüber mit Niedersachsen und Dänemark aus, sagt Backsen, die generell „einen Umbau und eine Ökologisierung der Landwirtschaft“ fordert.

Nabu-Experte Heydemann hält dagegen gar nichts von der Idee, den Schutzstatus der Gänse zu ändern. Auch wenn die Zahlen in Deutschland aktuell recht gut seien, würden die Zugvögel in anderen Ländern bejagt und dezimiert. Und der Effekt für die Landwirtschaft sei oft nicht so groß wie erwartet: „Man schießt eine Gans ab, aber Hunderte flattern auf, verbrauchen dabei Energie und fressen auf einer anderen Fläche umso mehr.“

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