CDU-Politiker will Grundeinkommen: Nie mehr harzen gehen
600 Euro pro Monat garantiert: Das fordert Ex-Ministerpräsident Althaus für alle Bürger. Bei der Finanzierung des 800-Milliarden-Euro-Projekts sieht der CDU-Mann keine Probleme.
Berlin taz | Hartz IV abschaffen und durch ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Bundesbürger ersetzen - das forderte am Montag CDU-Politiker Dieter Althaus. Der ehemalige Ministerpräsident von Thüringen präsentierte in Berlin den Bericht "Solidarisches Bürgergeld". Alle Bundesbürger sollen 600 Euro pro Monat erhalten, ohne arbeiten zu müssen. Diese Summe stünde auch Kindern zu.
Vor der Veröffentlichung fand in der CDU-Zentrale die abschließende Sitzung der Parteikommission "Solidarisches Bürgergeld" unter Althaus Leitung statt. Diese hatte die CDU-Spitze 2007 eingesetzt, um weitergehende Reformen des deutschen Sozialsystems zu diskutieren. "Die Einführung des Solidarischen Bürgergeldes bietet die Chance zur Revitalisierung der sozialen Marktwirtschaft", sagte Althaus, der jetzt als Manager beim Autozulieferer Magna arbeitet. Mit dem Bürgergeld will er unter anderem die wachsende Armut bekämpfen.
200 der 600 Euro monatlich müssten die Bürger verpflichtend in die Krankenkasse einzahlen. Der verbleibende Betrag läge etwas höher als der heutige Hartz-IV-Regelsatz. Hinzu käme in Althaus Konzeption ein Zuschlag, der unter anderem die Kosten der Unterkunft abdeckte. Im Gegenzug würden gegenwärtige Sozialtransfers abgeschafft - unter anderem das Kindergeld und das Bafög.
Althaus und sein ehemaliger Staatssekretär Hermann Binkert schlagen als Hauptautoren vor, das Grundeinkommen als negative Einkommensteuer auszahlen zu lassen. Bürger ohne Einkommen erhielten den vollen Betrag. Eigene Verdienste würden mit dem Bürgergeld verrechnet. Wer mehr als 18.000 Euro pro Jahr erwirtschaftete, erhielte kein Bürgergeld, sondern müsste Steuern zahlen.
Nicht nur die Ausgabe-, sondern auch die Einnahmeseite wollen Althaus und Binkert stark vereinfachen. Die Sozialabgaben, die Firmen und Beschäftigte heute zahlen, sollen wegfallen. Das Sozialsystem würde stattdessen künftig aus drei Quellen finanziert: einer einstufigen Einkommensteuer von 40 Prozent auf alle Verdienste einschließlich Mieteinkünften und Kapitalerträgen, einer Mehrwertsteuer und einer Lohnsummenabgabe von 18 Prozent, die die Unternehmen entrichten.
Das Konzept sei bezahlbar, erklärte Althaus. Die 800 Milliarden Euro jährlich, die das neue System koste, ließen sich aus der Einkommen-, Mehrwert- und Lohnsummensteuer ohne Probleme erwirtschaften.
Die Bürgergeld-Kommission der CDU hat den Althaus-Bericht nicht abgesegnet. Einige Mitglieder wie etwa Thomas Dörflinger, der Chef des katholischen Kolpingverbandes, teilen aber grundsätzliche Ideen der Althaus-Konzeption. Diese soll nun im CDU-Bundesfachausschuss Arbeit, Sozialpolitik und Gesundheit weiterdiskutiert werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Rückzug von Marco Wanderwitz
Die Bedrohten
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül