CDU-Politiker über Bosnien: „Endlich aufhören zu lügen“
Im Umgang mit Extremisten auf dem Balkan haben sich Deutschland und die EU aus dem Spiel genommen, kritisiert der CDU-Abgeordnete Michael Brand.
taz: Herr Brand, mit dem Krieg in der Ukraine rückt auch der Balkanstaat Bosnien und Herzegowina wieder ins Rampenlicht. Denn nicht nur bei der Nato sieht man den wachsenden Einfluss von Russlands Präsidenten Wladimir Putin auf dem Balkan mit Sorge. Wie schätzen Sie die Lage ein?
Michael Brand: Bosnien und Herzegowina ist seit Monaten im Fokus, weil die Gefahr eines neuen Krieges schon vor dem Überfall Putins auf die Ukraine sehr virulent war. Die Achse von der serbischen Teilrepublik in Bosnien über Serbien hin zu Russland ist eine kriegsfähige Achse. Hinzu kommen noch die bosnisch-kroatischen Nationalisten.
Der Führer der bosnischen Serben Milorad Dodik und der kroatische Nationalistenführer Dragan Čović werden weiterhin von der EU-Mission und westlichen Diplomaten in Bosnien geradezu hofiert, obwohl beide sich ganz offen auf die Seite Putins stellen. Wie kommentieren Sie das?
Wir müssen endlich damit aufhören, uns selbst in die Tasche zu lügen, als könnte man mit Extremisten den Frieden sichern. Extremisten muss man entschlossen gegenübertreten, und zwar, bevor es zu spät ist. Deutschland und die EU haben sich mit falschen Analysen und falschem Engagement weitgehend selbst aus dem Spiel genommen.
49, ist CDU-Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Fulda. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Parlamentariergruppe Südosteuropa im Bundestag und Mitglied des Menschenrechtsausschusses.
Dodik verhöhnt offen Deutschland und nennt Ihren Kollegen, den Bundestagsabgeordneten Adis Ahmetović (SPD) einen Hitlerjungen. Immerhin wurde jetzt angekündigt, mit einem symbolischen Truppenkontingent wieder in Bosnien aktiv zu werden. Was ist davon zu halten?
Die Beleidigungen Dodiks sollte man einfach ignorieren. Die Ankündigung, die europäische Eufor-Truppe zu stärken, bleibt ohne Wirkung, weil in wenigen Monaten das Mandat ausläuft und eine Verlängerung am Veto Russlands im UN-Sicherheitsrat scheitern wird. Diese Woche hat der Nato-Generalsekretär ausdrücklich den Schutz von Bosnien durch die Nato erwähnt. Die Nato hat seit dem Dayton-Vertrag das Recht dazu. Der Friede muss militärisch durch die Nato abgesichert werden, zuallererst in Brčko (er strategisch wichtigste Ort in Bosnien und Herzegowina; Anm. der Red.), wenn wir den nächsten Krieg in Europa wirksam verhindern wollen.
Am 8. April hat der kroatische Präsident Zoran Milanović in Mostar bosnisch-kroatische Kriegsveteranen ausgezeichnet, obwohl deren Kommandeure in Den Haag als Kriegsverbrecher verurteilt worden sind. In Berlin aber gibt es keinerlei Kritik an diesem nationalistischen Kurs Kroatiens …
Der kroatische Präsident ist ein erratischer und extremistischer Politiker, der sich vom ehemaligen Kommunisten zum Ultranationalisten gewandelt hat. Er hat nicht so viel Macht. Wichtiger ist der kroatische Ministerpräsident Andrej Plenković, der bisher proeuropäisch agiert hat. Er steht aber unter dem Druck von extremistischen Nationalisten. Im Völkerrecht und in Europa gilt die Unverletzlichkeit von Grenzen. Kroatien darf die Verfassung und die Staatlichkeit eines Nachbarlandes nicht weiter aktiv gefährden, weder von außen noch von innen, sondern muss im Gegenteil den eigenen Extremisten die Grenzen aufzeigen.
Die Grüne Außenministerin Annalena Baerbock hat bei ihrem Besuch vor wenigen Wochen in Sarajevo verbal Stellung gegen die Nationalisten bezogen. Sie haben in Ihrer Rede am 6. April im Bundestag gesagt, es fehle in Berlin an einer tiefgreifenderen Analyse und einer Strategie. Wie meinen Sie das?
Frau Baerbock erweckt öffentlich den Eindruck, als würde sie auf dem Balkan eine konsequent rechtsstaatliche und europäische Politik verfolgen, was sie aber nicht tut. Offenkundig hat die deutsche Außenministerin keine eigenen Konzepte und verlässt sich auf den Apparat des Ministeriums. Baerbock muss das Thema endlich selbst in die Hand nehmen und sich dabei eng mit denjenigen abstimmen, die europäische rechtsstaatliche Lösungen für Bosnien auf den Tisch gelegt haben. Denn nur mit Akteuren der Zivilgesellschaft finden wir den Ausweg aus dem bosnischen Dilemma und erreichen Rechtsstaatlichkeit, Stabilität und Frieden.
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