Bundesweiter Warnstreik: Tote Hose an fast allen Haltestellen
Mit ihrem Warnstreik haben Verdi und EVG den öffentlichen Verkehr weitgehend stillgelegt. Nun geht es zurück an die Verhandlungstische.
„Wirklich alle Mitglieder“, die zu dem Warnstreik aufgerufen worden seien, hätten sich auch beteiligt, freute sich der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke. Es sei „einfach Druck auf dem Kessel, weil die Beschäftigten es leid sind, sich jeden Tag mit warmen Worten abspeisen zu lassen, während die Arbeitsbedingungen immer schlechter werden und viele Stellen unbesetzt sind“, sagte er am Montag in Potsdam. Insgesamt hätten sich an den diversen Warnstreiks in den verschiedenen Bereichen des öffentlichen Dienstes in den vergangenen Wochen mehr als 400.000 Beschäftigte beteiligt. „Das ist die größte Warnstreikbeteiligung seit vielen Jahren und Jahrzehnten.“
Auch sein EVG-Pendant Martin Burkert zeigte sich zufrieden mit der Streikbeteiligung. „Über 30.000 Kolleginnen und Kollegen sind unserem Aufruf gefolgt“, sagte er. „In einem Dreischichtbetrieb ist das eine enorme Zahl.“ Alle Fernverkehrszüge und die allermeisten Nahverkehrszüge hätten stillgestanden.
Zur Frage nach der Verhältnismäßigkeit des bundesweiten Warnstreiks sagte Burkert, die Arbeitgeber und ihre Verbände sollten sich lieber fragen, „ob es noch verhältnismäßig ist, wenn Vorstände das Vierzig-, Fünfzigfache oder mit Bonuszahlungen das Achtzig- und Einhundertfache von dem verdienen, was in der Dienstleistung verdient wird“. Demgegenüber sei der Warnstreik „notwendig“ und „verhältnismäßig“ gewesen. Wie auch Werneke forderte er die Arbeitgeberseite auf, nunmehr ein „verhandlungsfähigen Angebot“ vorzulegen.
Heftige Kritik von der Arbeitgeberseite
Von verbesserten Angeboten ist jedoch bislang nichts zu hören. Stattdessen echauffierten sich die Arbeitgeber über den Tagesausstand. „An diesem überzogenen und übertriebenen Streik leiden Millionen Fahrgäste, die auf Busse und Bahnen angewiesen sind“, sagte Bahn-Konzernsprecher Achim Stauß. „Nachteile haben auch Tausende Unternehmen in der Wirtschaft, die üblicherweise ihre Güter auf der Schiene empfangen oder versenden.“ Es sei „sehr befremdlich, dass man heute streikt und erst in fünf Wochen bereit ist, wieder mit uns zu verhandeln“, kritisierte Stauß die EVG.
Die Gewerkschaften würden „überziehen“, kritisierte die Gelsenkirchener Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD). „Dass die Streiks mittlerweile flächendeckend und in einer solchen Intensität erfolgen, kann ich nicht nachvollziehen“, sagte die Verhandlungsführerin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA).
Völlig die Fassung verlor der Flughafenverband ADV. Der Ausstand vom Montag habe „jedes vorstellbare und vertretbare Maß“ gesprengt, empörte sich ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel. Das habe „nichts mehr mit einem Warnstreik zu tun“, sondern sei vielmehr „der Versuch, per Generalstreik französische Verhältnisse in Deutschland einziehen zu lassen“.
Die Bürger:innen reagierten entspannter: Sie hatten sich vielerorts einfach auf die Einschränkungen eingestellt. Das befürchtete Verkehrschaos in den Städten und auf den Autobahnen blieb jedenfalls weitgehend aus. „Wer kann, ist im Homeoffice geblieben“, vermeldete der ADAC. So wurden größere Staus nur vereinzelt von der Polizei gemeldet. Dazu beigetragen haben dürfte, dass Tunnelsperrungen durch Notdienstvereinbarungen von Verdi mit der Autobahn GmbH des Bundes vermieden werden konnten.
Während bei der Deutschen Bahn erst Ende April die nächste Tarifverhandlungsrunde ansteht, begann am Montag in Potsdam die dritte und als entscheidend geltende Verhandlungsrunde für den öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen, die bis Mittwoch terminiert ist.
Er erwarte, dass „ein deutlicher Schritt auf die Beschäftigten und uns als Gewerkschaft zugegangen wird“, sagte Verdi-Chef Werneke – und zwar „nicht irgendwann erst am dritten Tag“. Das Wichtigste sei für die Beschäftigten ein „sozial balancierter Tarifvertrag“, also eine soziale Komponente mittels eines Festbetrags. Das verweigere jedoch bisher die Arbeitgeberseite. Konkret fordert Verdi eine Gehaltserhöhung in diesem Jahr von 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro pro Monat mehr.
„Wir haben ein gutes Angebot vorgelegt“, sagte dagegen Innenministerin Nancy Faeser (SPD), die Verhandlungsführerin des Bundes. Sie erwarte „jetzt erst mal“, dass die Gewerkschaften nicht länger auf ihren hohen Forderungen beharrten, sondern „vielleicht uns auch ein Stück entgegenkommen“. Bund und Kommunen bieten bisher eine Einmalzahlung von 1.500 Euro im Mai und eine Tariferhöhung von 3 Prozent ab Oktober an. Weitere 2 Prozent sowie eine nochmalige Einmalzahlung von 1.000 Euro soll es schließlich im kommenden Jahr geben.
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