Bundesweite Demos für ein AfD-Verbot: „Wenn wir Angst haben, fallen wir auf die AfD rein“
An 70 Orten wird am Sonntag für ein AfD-Verbot protestiert. Kampagnensprecherin Julia Dück erklärt, wieso ein Parteiverbot unverzichtbar ist.
taz: Frau Dück, Sie gehen vor dem Brandenburger Tor und bundesweit zusammen mit dem Bündnis „AfD-Verbot jetzt!“ auf die Straße, um ein Verbot der AfD zu fordern. Ist das der Auftakt einer neuen Kampagne?
Julia Dück: Wir gehen in über 70 Städten auf die Straße, um deutlich zu machen: Es darf jetzt kein weiteres Zögern mehr geben, es muss sofort ein Verbotsverfahren gegen die AfD eingeleitet werden. Die alte Bundesregierung hat sehr lange gezögert und ihre Chance verpasst. Die neue Regierung kann jetzt weiter zuschauen – oder endlich das Verbotsverfahren einleiten. Das ist eine Bekräftigung unserer Forderung, die wir schon vor der Hochstufung der AfD vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ gestellt haben.
taz: Welche Bedrohung geht von der AfD für die Demokratie und die Menschen in Deutschland aus?
Dück: Die AfD greift tagtäglich die Demokratie an, indem sie mit ihrer völkisch-rassistischen Hetze spaltet und Menschen ihre Rechte aberkennen will. Sie macht das Leben hier für viele unlebbar, sodass sie sich fragen, ob sie das Land verlassen müssen. Die AfD ist menschenfeindlich, sie schürt Hass und Gewalt. Das verstößt gegen die Verfassungsgrundsätze der Menschenwürde, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit. Die AfD hat Machtergreifungsfantasien. Sie ist damit eine Partei, die nicht länger demokratisch legitimiert sein und auch nicht mehr gewählt werden können sollte.
Julia Dück
Die Gewerkschafterin hat zu Streiks in Krankenhäusern und Kitas geforscht und ist Pressesprecherin der Kampagne AfD-Verbot Jetzt!
taz: Einige argumentieren, ein Verbot der AfD sei selbst undemokratisch, da die AfD ja ins Parlament gewählt wurde…
Dück: Die Menschenwürde anzugreifen ist weder demokratisch legitim noch vereinbar mit den Verfassungsgrundsätzen. Ein Verbot verhindert diese Angriffe. Natürlich sind so nicht alle Probleme gelöst. Aber ein Verbot entzieht der AfD staatliche Finanzen, es löst ihre Strukturen auf und spricht ihr die demokratische Legitimität ab. Damit verschafft es uns Zeit, die sozialen und gesellschaftlichen Probleme zu bearbeiten, die den Nährboden für den Rassismus schaffen.
taz: Die Holocaustüberlebende Esther Bejarano hat einmal gesagt: „Wer gegen die Nazis kämpft, kann sich auf den Staat nicht verlassen“. Lange wurde in der Linken gegen Rechtsextreme auf Blockaden und zivilgesellschaftliche Gegenwehr gesetzt – statt einfach auf ein staatliches Verbot.
Dück: Wir sagen ja nicht, dass das Verbot die einzige Lösung ist. Aber es ist ein Mittel, um der AfD ihre politische Legitimität zu entziehen, die sie derzeit noch hat, weil sie gewählt werden kann.
taz: Einige befürchten, die AfD könnte von einem Verbotsverfahren noch profitieren, weil sie sich so erneut als Opfer stilisieren kann. Was sagen Sie?
Dück: Natürlich wird sich die AfD als Opfer aufspielen. Das ist eben das klassische Mittel, was rechte und autoritäre Parteien nutzen, um andere in ein Dilemma zu bringen: Nämlich ihnen entweder auf den Leim zu gehen und nichts zu tun – oder sich anhören zu müssen, man sei undemokratisch. Dieses Spiel sollten wir nicht mitspielen. Das entscheidende Kriterium sollte sein: Greift diese Partei die Menschenwürde an? Spätestens seit der Hochstufung vom Verfassungsschutz weiß jede:r: Ja, das tut sie. Wenn wir Angst haben, dass dieser Opfermythos bemüht wird und deshalb handlungsunfähig werden, fallen wir auf die Taktik der AfD rein.
taz: Der Verfassungsschutz hat seine Einstufung der AfD wieder ausgesetzt, bis gerichtlich über den Eilantrag der AfD dagegen entschieden ist. Sollte nicht auch ein Verbotsverfahren noch warten, bis die Einstufung juristisch gesichert ist?
Dück: Einige, die jetzt die AfD politisch stellen wollen, drücken sich vor einem Verbot – weil sie selbst Teile ihrer Forderungen übernommen haben. Die AfD politisch zu stellen, heißt aber, darauf zu pochen, dass sie verfassungsfeindlich ist. Wer dafür wirklich noch Beweise gebraucht hat, hat sie mit dem Verfassungsschutzbericht bekommen.
taz: Sie spielen auf die CDU an, die sich ja schon von den Demos gegen rechts im Winter 2024 angegriffen fühlte. Wie wollen Sie denn konservative Akteure von Ihrem Anliegen überzeugen?
Dück: Nun, das AfD-Verbot ist in der CDU stark umstritten und wir sehen, dass sich mittlerweile viele unserer Forderung anschließen. Neben dem ehemaligen Ost-Beauftragten Marco Wanderwitz fordern etwa auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther, die unionsinterne Arbeitnehmervereinigung CDA oder der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff das AfD-Verbot. Wir gehen davon aus, dass diese Stimmen, gerade auch wegen der Stimmung in der Bevölkerung und den Protesten, zunehmen werden.
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