Bundeswehr verlässt Bürgerkriegsland: Afghanische Helfer wollen weg
Mindestens 450 der sogenannten Ortskräfte, die die Bundeswehr in Afghanistan unterstützt haben, wollen nach Deutschland ausreisen. Die Taliban drohen ihnen offen.
Darüber hinaus gibt es etwa 300 Anträge von Afghanen, die in früherer Zeit als Helfer eingestellt waren, aber innerhalb der geltenden Zweijahresfrist keine Gefährdung angezeigt hatten. Unter ihnen können auch Beschäftigte von Vertragsfirmen sein, die nicht unmittelbar bei der Bundeswehr angestellt waren. Wie und ob auch ihre Fälle neu zu bewerten sind, ist eine Entscheidung, die politisch noch nicht getroffen ist.
Die Bundeswehr leistet in Afghanistan Amtshilfe bei der Organisation der Ausreisen. Dazu gehören auch die Erfassung der Daten sowie biometrischer Merkmale. Diese werden für die Erteilung von Visa oder eines Passersatzes – eines sogenannten Reiseausweises für Ausländer – benötigt. Über die Aufnahme der einzelnen Männer oder Frauen als Teil des Ortskräfteprogramms entscheiden in Deutschland dann aber Auswärtiges Amt und Bundesinnenministerium.
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte im April für ein schnelles Verfahren plädiert. „Wir reden hier von Menschen, die zum Teil über Jahre hinweg auch unter Gefährdung ihrer eigenen Sicherheit an unserer Seite gearbeitet, auch mitgekämpft haben und ihren persönlichen Beitrag geleistet haben“, sagte sie. „Ich empfinde es als eine tiefe Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, diese Menschen jetzt, wo wir das Land endgültig verlassen, nicht schutzlos zurückzulassen.“
Experten plädieren für schnelle Evakuierung
Experten warnten in der vergangenen Woche, dass die Zeit ablaufe. Wissenschaftler, frühere Diplomaten und Offiziere forderten in einem am Freitag verbreiteten offenen Brief eine unbürokratische und schnelle Aufnahme Betroffener in Deutschland parallel zum Abzug. „Die Taliban haben immer wieder deutlich gemacht, dass sie diese Ortskräfte als Kollaborateure des Westens begreifen, die sie als Unterstützer eines militärischen Besatzungsregimes zur Verantwortung ziehen wollen“, hieß es in dem Schreiben.
Es sei zu befürchten, dass Gefährdete schutzlos zurückgelassen werden könnten, warnen die Unterzeichner. Und: „Wer die effektive Aufnahme wirklich will, der kann in den verbleibenden Wochen nur eine unbürokratische Prozedur für all die Ortskräfte und ihre Angehörigen umsetzen, die für deutsche Stellen gearbeitet haben: öffentliche Bekanntgabe des Aufnahmeprogramms, Registrierung, Vorbereitung der Ausreise, die möglichst geschehen muss, solange die Bundeswehr noch im Lande ist, gegebenenfalls Durchführung von Charterflügen.“
Seit 2013 seien nach Zahlen des Verteidigungsministeriums knapp 800 Ortskräfte plus Familienangehörige in Deutschland aufgenommen worden, heißt es in dem Brief. Zwischen 2014 und 2021 seien aber gerade einmal 15 zusätzliche Aufnahmen erfolgt, obwohl sich die Sicherheitslage verschlechtert habe. Zu den Unterzeichnern gehören auch mehrere Politiker und frühere Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr.
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