Bundeswehr in Mali: Einsatz im Schatten Russlands
Die Zusammenarbeit von Mali und der Söldnertruppe Wagner zwingt Europa zum Rückzug. Sonst müsste Europa mit russischen Truppen kooperieren.
Sollte sich Lohres Entführung mitten in Malis Hauptstadt bestätigen, wäre das ein Zeichen, dass nirgends in Mali mehr Sicherheit für missliebige weiße Ausländer herrscht. Das liegt nicht nur an radikalen Islamisten, die seit Jahrzehnten weite Landstriche unsicher machen. Die herrschenden Militärs unter Oberst Assimi Goita, der mit zwei Putschen 2020 und 2021 eine Diktatur errichtet hat, haben genug von westlichen Ratgebern. Frankreich, die alte Kolonialmacht, hat in diesem Jahr seine Truppen abgezogen, die seit 2013 in den Wüsten Nordmalis und den Savannen Zentralmalis gegen mutmaßliche Terrorgruppen kämpften. Ohne Frankreichs Kampfeinsatz ist auch die UN-Mali-Mission Minusma schutzlos, die den Friedensprozess zwischen Malis Regierung und Tuareg-Rebellen absichert und in der auch deutsche Soldaten dienen. Der Minusma-Alltag besteht aus Meldungen wie dieser vom Dienstag: „Einer unserer Konvois ist am 21. November auf dem Weg nach Timbuktu auf eine Mine gefahren. Drei Blauhelmsoldaten wurden verletzt, einer davon schwer. Wir wünschen eine rasche Genesung.“
Die UN-Mission ist per Mandat verpflichtet, Malis Regierung aktiver zu unterstützen. Doch die Regierung will das gar nicht mehr. Sie hat die Bewegungsfreiheit der Blauhelme eingeschränkt, Truppenrotationen verzögert und Fluggenehmigungen verweigert. Sie hat die russische Söldnertruppe „Wagner“ ins Land geholt, für robuste Kampfeinsätze vor allem in Zentralmali in Grenzgebieten zu Burkina Faso.
Russische Söldnertruppe Wagner hat die Lage eskaliert
Ein am Sonntag veröffentlichter Bericht der Recherchegruppe „All Eyes on Wagner“ spricht von zahlreichen Menschenrechtsverletzungen und auch Massakern bei Wagner-Angriffen auf mutmaßliche Terrorunterstützer. Wagners Einsatz in Mali habe die Lage nicht verbessert, sondern eskaliert, bilanziert der Bericht: „Die Realität der Effektivität der Wagner-Operationen in Mali ist das beobachtete Vordringen dschihadistischer Gruppen.“ Diese kontrollierten inzwischen 30 Prozent Malis.
Wegen der Präsenz Wagners kündigte Großbritannien vergangene Woche den Abzug seiner UN-Truppen aus Mali an. Damit verliert die Minusma in Gao, wo auch das Gros der deutschen UN-Truppen steht, ihre wichtigsten Aufklärungskapazitäten. Zeitgleich erklärte Frankreich die Einstellung seiner Entwicklungszusammenarbeit mit Mali. Darauf hat Malis Regierung am Montag mit dem Verbot aller französisch finanzierten Aktivitäten von Hilfswerken reagiert.
Deutschland zog aus alldem bisher keine Konsequenzen. In Gao, so „All Eyes on Wagner“, teilen sich Deutsche und Russen inzwischen die Nutzung des Flughafens. Und am Montagabend veröffentlichte das französische Fachblatt Africa Intelligence eine Recherche, wonach eine Filiale des deutschen Logistikkonzerns Raven Group 2021 über eine Zusammenarbeit mit einem russisch geführten Unternehmen in Dubai mit einer Milliarde US-Dollar in die Goldraffinerie KMR (Kankou Moussa Refinery) in Mali einsteigen wollte – die aktuell größte Privatinvestition in Mali.
Raven sollte Technologie für Goldschürfer im Westen Malis liefern, deren Produktion bei KMR raffiniert und aus Bamako nach Dubai exportiert werden würde – eine Route, mit der russische Firmen auch Gold aus Guinea und Burkina Faso auf den Weltmarkt bringen. Die ersten 56,5 Millionen US-Dollar aus Deutschland seien aber bei der Überweisung am 14. Oktober 2021 verschwunden – möglicherweise, so vermutet Africa Intelligence, aufgrund der Russlandsanktionen, wofür Malis Militärs die Elfenbeinküste verantwortlich machten, die die westafrikanische Zentralbank BCEAO kontrolliere. Das sei der Grund für die Verhaftung von 49 Soldaten aus der Elfenbeinküste am Flughafen von Bamako im Juli. Sie sollten für einen deutschen Dienstleister die Bundeswehrbasis dort bewachen und dienen nun als Faustpfand für Malis Militär.
Bestätigt ist diese Geschichte nicht, eine Nachfrage bei Raven blieb am Dienstag unbeantwortet. Aber der Bericht schlägt in Mali und der Elfenbeinküste hohe Wellen – nicht zum Vorteil Deutschlands. Das deutsche UN-Camp am Flughafen von Bamako liegt direkt gegenüber der Goldraffinerie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Ärzteschaft in Deutschland
Die Götter in Weiß und ihre Lobby
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid