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Bundeswehr-Gelöbnis in BerlinStrammstehen vor preußischer Kulisse

Hanno Fleckenstein
Kommentar von Hanno Fleckenstein

Der Anlass ist an den Haaren herbeigezogen, die Gegenproteste sind verhalten: Am Mittwoch leisten Soldaten vor dem Berliner Abgeordnetenhaus ihren „Fahneneid“.

Die Augen geradeaus: Gelöbnis zum 68. Gründungstag der Bundeswehr im November 2023 Foto: Christophe Gateau/dpa

D iesen Mittwoch ist es wieder so weit: Rausgeputzte Re­kru­t*in­nen schwören Deutschland die Treue – mitten in Berlin. Anders als bei bisherigen öffentlichen Gelöbnisfeiern der Bundeswehr dienen dieses Mal allerdings nicht etwa der Bundestag oder der Bendlerblock als Kulisse. Nein, es ist der preußische Chic des Berliner Abgeordnetenhauses, der für patriotische Stimmung beim Fahneneid von 29 künftigen Sol­da­t*in­nen des Wachbataillons beim Bundesverteidigungsministerium sorgen soll.

Warum das Ritual ausgerechnet am Mittwoch und ausgerechnet vor dem Berliner Landesparlament abgehalten wird, ist rätselhaft – selbst wenn man sich auf die Logik der Verantwortlichen einlässt. Parlamentspräsidentin Cornelia Seibeld (CDU) etwa meint, dass der Vorabend des 75-jährigen Grundgesetzjubiläums am 23. Mai ein passendes Datum wäre, um die Sol­da­t*in­nen vorm Abgeordnetenhaus strammstehen zu lassen. Was das Grundgesetz mit der Bundeswehr zu tun hat – die Armee wurde erst sechs Jahre später gegründet –, bleibt ebenso unverständlich wie die Verbindung vom Militär zum Land Berlin.

Seibeld hat außerdem kundgetan, mit dem öffentlichen Gelöbnis das Abgeordnetenhaus „mit Leben füllen“ zu wollen. Einem Realitätscheck hält auch das nicht stand: Das Gebiet um das Parlamentsgebäude wird weiträumig abgesperrt. Wie lebendig und öffentlich ist eine Zeremonie, an der nur ein erlesener Kreis aus Politprominenz, Presse und Angehörigen der Sol­da­t*in­nen teilnehmen darf? Die Berliner Linksjugend kämpft in diesen Tagen darum, nur halbwegs in der Nähe einen kleinen Gegenprotest abhalten zu dürfen.

Ausbleibende linke Empörung ist auch verständlich

Immerhin: Denn laute Kritik am Fahneneid ist ausgeblieben. Und das in Zeiten, in denen der Bundestag mit großer Mehrheit einen „Veteranentag“ einführt und Politiker von „Kriegstüchtigkeit“ fantasieren. Doch die antimilitaristische Szene scheint zersplittert und zerstritten. Die „Gelöbnix“-Störer der 2000er sind seit Langem nicht mehr aktiv. Die Grünen, einst Gegner der öffentlichen Gelöbnisse, schicken sogar Fraktionschefin Bettina Jarasch zur Feier am Mittwoch.

Andererseits ist die ausbleibende linke Empörung über den Fahneneid auch verständlich. Seit mehr als 25 Jahren finden in Berlin immer wieder Gelöbnisfeiern statt. Warum sollte man über jedes dieser Stöckchen springen, wenn kreativer Protest an anderen Stellen längst viel mehr Wirkung zeigt? Nur selten kann sich die Armee etwa ungestört auf Berufsmessen oder beim „Tag der Bundeswehr“ als normaler Arbeitgeber präsentieren. Und doch bleibt ein Unbehagen angesichts der anstehenden Feier: Das Zurschaustellen von Patriotismus und militärischer Stärke ist einfach abstoßend.

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Hanno Fleckenstein
Redakteur taz.berlin
Redakteur für Innenpolitik im Berlinteil. Seit 2021 bei der taz, zuerst als freier Mitarbeiter und Text-Chef in den Ressorts Inland, Wirtschaft+Umwelt, Meinung und taz.eins. Hat Politikwissenschaft und Publizistik in Berlin und Maskat (Oman) studiert.
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6 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Die Zeiten ändern sich.



    Vor 30 Jahren stand ich auch noch eingekesselt bei einer Anti Gelöbnis Demo.



    Damals war ein Ende der Nato und der Bundeswehr eine Option.



    Leider haben Verantwortliche wie Helmut Kohl die Möglichkeit verpasst, mit Gorbi ein neues, gemeinsames Europa zu bauen. Der Ukrainekrieg ist eine Folge aus diesem Versäumnis.



    Heute haben wir wieder eine akute Bedrohungslage.



    Warum also gegen die Bundeswehr demonstrieren?



    Wer genau sollte uns sonst schützen?



    Es ist schon wahr, dass sich die Grünen von einer pazifistischen zu einer militäristischen Partei gewandelt haben.



    Daher wäre es auch verlogen, einem solchen Event fern zu bleiben.



    Meine derzeitige Forderung geht allerdings noch weiter.



    Während Grüne und FDP Weltmeister von Waffenlieferungen werden wollen, wollen Sie die eigenen Kinderchen vor Allem beschützen.



    Das finde ich hingegen inkonsequent.



    Wer dafür plädiert,dass militärische Lösungen erwogen werden, muss auch anerkennen, dass eine Zukunft der Bundeswehr nur mit einer Art Wehrdienst zu erreichen ist.



    Grüne und FDP machen viel Wind bei dem Thema, scheuen aber die Konsequenzen unpopulärer Entscheidungen.



    Ich halte eine Wiedereinführung der Wehrpflicht für zeitgemäß.



    Natürlich gekoppelt mit der gleichwertigen Option eines Zivil- oder Klimadienstes.



    Das kann die Gesellschaft nur zusammen führen.



    Es ist ein guter Schritt ins Arbeitsleben, zu erkennen, dass es neben Geld verdienen auch noch andere Aufgaben von Arbeit gibt.



    Ein Zusammenkommen von Menschen aus unterschiedlichsten Hintergründen öffnet den eigenen Horizont.



    Deutsche mit Migrationshintergrund können ihr deutsch sein neu definieren, ebenso Jene, die deutsch sein bis dahin klein kariert definiert haben.



    Dass "Deutschland ohne Zivis am Ende ist" , hat sich bereits bewahrheitet.



    Die gleiche Erkenntnis müssen wir nicht auch noch für die Bundeswehr machen.



    Manchmal muss man/frau seine Position auch überdenken und ggf. anpassen.

    • @Philippo1000:

      Ich habe in der Tat eine ähnlich Wandlng durchgemacht und auch aus den selben Gründen.

      Ohne den Parteienkram könnte ich Ihnen 100% zustimmen,

  • "Was das Grundgesetz mit der Bundeswehr zu tun hat – die Armee wurde erst sechs Jahre später gegründet –, bleibt ebenso unverständlich wie die Verbindung vom Militär zum Land Berlin."



    Der Bundeswehr ist im Grundgesetz der Artikel 87a gewidmet, zusätzlich gibt es noch den Artikel 12a zur Wehrpflicht - letzterer immer noch mit der Benachteiligung der Männer.



    Die Verbindung zum Land Berlin ist komplizierter, siehe den ehemaligen 4-Mächte-Status. Den gibt es allerdings nicht mehr, auch Berliner und Berlinerinnen dienen bei der Bundeswehr, deswegen ist eine Gelöbnisfeier bei den gewählten Abgeordneten, sprich den Vertretern des Landes Berlin, durchaus sinnvoll, ob es aber an diesem Tag sein sollte? Da die Bundeswehr eine Parlamentsarmee des gesamten Landes ist, wäre der Bundestag (Abgeordnetenhaus oder Reichstag) gerade zu diesem Datum besser geeignet.

    • @Offebacher:

      Fun fact: in Berlin gibt es sogar Kasernen und - shocking! - das Bundesministerium der Verteidigung.

      • @Suryo:

        In den Kasernen und im Bendlerblock gibt es seit der Wiedervereinigung und dem Wegfalls des Vier-Mächte-Abkommens immer wieder Gelöbnisfeiern. Hier ging es explizit um die Gelöbnisfeier beim Berliner Landesabgeordnetenhaus. Diese Abgeordneten sind nicht die Vertreter des Verteidigungsministeriums, sondern die Vertreter der Berliner und Berlinerinnen, und damit auch der berliner Soldaten, ob sie jetzt in Berlin selbst oder sonstwo im Bundesgebiet stationiert sind.

        • @Offebacher:

          Richtig.