Bundesverfassungsgerichtsurteil: Keine deutsche Schutzpflicht gegen US-Drohnen
Die USA steuern US-Drohnenangriffe via Ramstein – und die Bundesregierung schaut tatenlos zu. Das Bundesverfassungsgericht will daran nichts ändern.

Geklagt hatten zwei Jemeniten, deren Verwandte 2012 bei einem US-Drohnenangriff im Jemen starben. Der Drohnenangriff galt eigentlich Al-Qaida-Kämpfern, nicht den Verwandten, die nur im gleichen Café saßen. US-Drohnenangriffe auf Ziele im Jemen werden aus den USA gesteuert. Wegen der Erdkrümmung müssen die Signale aber über eine Relaistation auf der US-Airbase Ramstein geleitet werden.
Die Jemeniten, die Angst hatten, ebenfalls durch US-Drohnen zu sterben, verklagten nun Deutschland. Die Bundesregierung solle auf die USA einwirken, solche aus ihrer Sicht völkerrechtswidrigen Drohnenangriffe zu unterlassen und notfalls die Basis Ramstein schließen. Die deutschen Verwaltungsgerichte entschieden unterschiedlich, lehnten die Klage letztlich aber ab.
Das Bundesverfassungsgericht entschied nun immerhin, dass Deutschland einen „allgemeinen Schutzauftrag“ hat, die grundlegenden Menschenrechte „auch gegenüber Ausländern im Ausland zu wahren“, wie Doris König, die bald ausscheidende Gerichtsvizepräsidentin, sagte. Dies folge aus der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes.
„Bündnisfähigkeit“ Deutschlands müsse gesichert bleiben
Der vage Schutzauftrag werde unter zwei Bedingungen sogar zu einer Handlungspflicht („Schutzpflicht“). Erste Bedingung: die Gefahrenlage muss einen ausreichenden Bezug zur deutschen Staatsgewalt haben. Hier ging es um die Frage, ob die bloße Datenweiterleitung über eine US-Airbase in Deutschland schon genügt. Die Richter waren sich hier nicht einig und ließen die Frage offen.
Die Klage der Jemeniten scheiterte nämlich schon daran, dass die zweite Bedingung nicht erfüllt war. Danach hätte die „ernsthafte Gefahr“ bestehen müssen, dass die USA lebensschützende Regeln des Völkerrechts bei den Drohnenangriffen „systematisch verletzen“. Die Bundesregierung hatte eine solche Gefahr bestritten und bekam jetzt Recht.
So stellten die Verfassungsrichter fest, dass für die Beurteilung einer derartigen Gefahr die Beurteilung der Bundesregierung „maßgeblich“ ist, soweit sie im Rahmen des Vertretbaren bleibt. Damit soll die „Bündnisfähigkeit“ Deutschlands gesichert bleiben. Die Bundesregierung muss also nicht ständig das Verhalten der Nato-Verbündeten überwachen, sondern nur näher hinschauen, wenn es konkrete Indizien für (drohende) systematische Völkerrechtsverletzungen gibt.
Solche Indizien können laut Bundesverfassungsgericht insbesondere entsprechende Feststellungen internationaler Gerichte, von UN-Stellen oder des Internationalen Roten Kreuz sein. Nach Karlsruher Darstellung gibt es jedoch keine ausreichenden internationalen Feststellungen, dass der US-Drohnenkrieg systematisch Völkerrecht verletzt. Das Bundesverfassungsgericht verneinte daher schon eine deutsche Schutzpflicht gegenüber den Jemeniten.
Auf die Frage, was aus einer Schutzpflicht dann folgen würde, kam es deshalb nicht mehr an. Würde eine ernste Ermahnung gegenüber der US-Regierung genügen? Oder müsste mit der Schließung von Ramstein gedroht werden?
Aus Sicht der Verfassungsrichter:innen war die Klage der Jemeniten zumindest nützlich, um einige Rechtsfragen zu klären. Der Staat muss daher die Hälfte ihrer Kosten übernehmen. (Az.: 2 BvR 508/21)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Boomer-Soli“
Gib die Renten-Kohle her, Boomer!
Gezerre um Verfassungsrichter*in-Posten
Ein Rückzug wäre das falsche Signal
Verurteilung zweier Tierschützer
Don’t shoot the messenger
Nina Warken zu Cannabis
Kampfansage gegen das Kiffen
Religiöse Fußballspielerinnen
God first
Wahl neuer Verfassungsrichter:innen
Brosius-Gersdorf: Bin nicht „ultralinks“