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Bundesverfassungsgericht zu AfD-KlageSeehofer verliert in Karlsruhe

In einem Interview, das zeitweise auf der Website des Innenministeriums stand, übte Seehofer 2018 harsche Kritik an der AfD. Das gehe zu weit, urteilen nun die Richter.

Die Verfassungsrichter*innen geben der „AfD“ Recht – direkte Konsequenzen hat das Urteil aber nicht Foto: Ralph Orlowski/dpa

Karlsruhe taz | Die AfD hatte mit einer Klage gegen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) Erfolg beim Bundesverfassungsgericht. Seehofer habe seine Neutralitätspflicht verletzt, als er ein AfD-kritisches Interview auf die Homepage seines Ministeriums stellen ließ.

Seehofer hatte sich im September 2018 in einem Interview klar zur AfD geäußert: „Ich kann mich nicht im Bundestag hinstellen und wie auf dem Jahrmarkt den Bundespräsidenten abkanzeln. Das ist staatszersetzend.“ Die AfD hatte zuvor Steinmeiers Haushaltsmittel in Frage gestellt, weil er für ein Antifa-Konzert in Chemnitz geworben hatte. Die Pressestelle des Innenministeriums stellte das Interview danach auf die Homepage des Ministeriums.

Dagegen erhob die AfD Organklage. Seehofer habe ihr Recht auf Chancengleichheit verletzt. Das Ministerium nahm gleich nach der Klage das Interview wieder von der Webseite, wollte das aber nicht als Schuldeingeständnis gewertet sehen. Deshalb gab es im Februar dieses Jahres eine mündliche Verhandlung, bei der sich der Erfolg der AfD bereits abzeichnete.

Tatsächlich stellte das Bundesverfassungsgericht nun fest, dass Seehofer das Recht der AfD auf „Chancengleichheit im politischen Wettbewerb“ verletzt habe. Indem Seehofers AfD-Kritik auf der Webseite des Ministeriums veröffentlicht wurde, habe der CSU-Mann staatliche Ressourcen für den „politischen Meinungskampf“ benutzt und damit die staatliche Neutralitätspflicht verletzt. Die Einschätzung der AfD als „staatszersetzend“ wurde von den Richtern aber nicht beanstandet.

Auf der Homepage immer sachlich bleiben

Das Gericht hält damit an seiner seit 2014 vertretenen Linie fest. Danach können sich Minister im Meinungskampf genauso deutlich äußern wie Oppositionspolitiker. Sie dürfen dabei nur nicht die Ressourcen des Amtes einsetzen, insbesondere die Webseite des Ministeriums. Regierungsmitglieder dürfen auf ihrer Ministeriums-Homepage zwar über die Politik ihres Hauses informieren und sich gegen Vorwürfe verteidigen. Dabei müssen sie aber immer sachlich bleiben.

In der aktuellen Entscheidung wurden nun nur einige Randfragen neu entschieden. So ist es noch keine Nutzung von amtlichen Ressourcen, wenn Seehofer in einem Interview als „Bundesminister des Inneren“ vorgestellt wird. Er darf diesen Titel auch bei parteipolitischen Aktivitäten tragen. Ein Minister darf auch gemischte Interviews geben, in denen er sowohl über die Arbeit des Ministeriums spricht als auch parteipolitische Einschätzungen abgibt.

Es sei aber keine Aufgabe eines Ministeriums, den Minister „als Person“ zu präsentieren, so die Richter. Es gebe deshalb keinen Grund, alle politischen Interviews des Ministers auf die Ministeriums-Webseite zu stellen.

Während AfD-Parteichef Jörg Meuthen in Karlsruhe von einem „guten Tag für die Demokratie“ sprach, forderte die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel aus der Ferne den Rücktritt Seehofers. Für die Bundesregierung begrüßte Innen-Staatssekretär Günter Krings (CDU) das Urteil. Das Gericht habe klargestellt, dass sich auch ein Minister in der öffentlichen Debatte scharf äußern darf und „nicht nur mit angezogener Handbremse“.

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17 Kommentare

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  • „Die (=AfD) stellen sich gegen diesen Staat. Da können sie tausend Mal sagen, sie sind Demokraten.“



    Dieses Zitat von Seehofer (CSU) widerlegt manche Politiker links der Mitte, die aus ideologischen Gründen der CDU/CSU immer mal wieder unterstellen, sie täte alles, um die AfD an die Macht zu bringen. Bereits der Mord an Walter Lübcke (CDU) hatte gezeigt, dass CDU und CSU zum breitgefächerten Feindbild der Rechtsextremisten gehören.



    Ganz unabhängig davon will doch jede Partei sich selbst an der Macht sehen und nicht eine gegnerische Partei, egal welcher politischen Ausrichtung!

    • @Pfanni:

      Ist das Absicht dass in Ihrem Beitrag sowiel Zeug wirr durcheinander geht?

      "Dieses Zitat von Seehofer (CSU) widerlegt manche Politiker links der Mitte, die aus ideologischen Gründen der CDU/CSU immer mal wieder unterstellen"

      Nein. Die Aussage einer einzigen Person widerlegt garnichts, da diese Person ein Teil der Partei ist und diese nicht homogen ist.

      "sie täte alles, um die AfD an die Macht zu bringen"

      Strohmann, denn das behauptet niemand. Wenn doch hätte ich gerne Belege dafür. Sie erwecken ja den Anschein das wären so viele "Politiker links der Mitte", dann werden Sie sicher mit Leichtigkeit einen Haufen Zitate als Belege heranführen können, oder?

      "dass CDU und CSU zum breitgefächerten Feindbild der Rechtsextremisten gehören"

      Dass CDU und CSU zu großen Teilen als Verbündete sehen bedeutet nicht dass das andersherum auch so ist. Es gibt einige AfD Mitglieder die einmal bei der CDU oder CSU waren. Andersherum wäre mir das jetzt nicht bekannt. Und z.B. die Werteunion fühlt sich der AfD sehr nah - die AfD wiederum sieht die CDU/CSU maximal als nützliche Idioten und vorrangig als Feindbild.

      "Ganz unabhängig davon will doch jede Partei sich selbst an der Macht sehen und nicht eine gegnerische Partei, egal welcher politischen Ausrichtung"

      Daher würde die Aussage die "[CDU] täte alles, um die AfD an die Macht zu bringen." auch wenig Sinn ergeben, und ich wäre sehr verwundert wenn das mehr als ein verwirrter Hinterbänkler vonsich gegeben hätte.

      • @Yodel Diplom:

        Aus Zeit- und Platzgründen nur eine Antwort auf Ihre (vermutlich) wichtigste Anmerkung:



        „Daher würde die Aussage die "[CDU] täte alles, um die AfD an die Macht zu bringen." auch wenig Sinn ergeben, und ich wäre sehr verwundert wenn das mehr als ein verwirrter Hinterbänkler von sich gegeben hätte“



        Ich empfehle Ihnen die Februarausgaben der zweifellos linken Blätter „Junge Welt“ und „Neues Deutschland“, in denen Politiker in genau in der von mir behaupteten Richtung zitiert wurden, u. a. www.neues-deutschl...chtergreifung.html



        Waren das auch alles „Hinterbänkler“?

        • @Pfanni:

          In der Richtung mit massig Verdrehung, wie auch schon im ersten Kommentar.

          Und der verlinkte Artikel sagt nichts dergleichen. Da steht "CDU und FDP haben das zumindest geduldet, wenn nicht insgeheim erwartet."

          Das ist eine ganz andere Qualität als zu sagen die CDU täte alles damit die AfD an die Macht kommt.

          Sie haben also keine Belege. Sie verdrehen, haben logische Brüche, Strohmänner. Und es sieht so aus als wäre das pure Absicht - das disqualifiziert Sie als ernstzunehmenden Diskussionsteilnehmer.

  • Vor der letzten Bundestagswahl hatte ich den Eindruck der Horst macht Wahlwerbung für die AFD, wie er da immer gegen Flüchtlinge polemisiert hat.



    Und jetzt sowas ...,. Aber auch das wird den Horst nicht interessieren.



    Nach Scheuerer der unfähigste momentane Regierungspolitiker, der sich aber leider selber als unersetzbar hält, sozusagen systemrelevant ....

    • @Aymen:

      Der hofft halt dass seine Partei auch ein paar Wähler abbekommt, die AfD wählten, wenn er nicht so herumpolemisierte. Er versteht nicht dass er das Gegenteil erreicht und für ein Klima sorgt das Menschen der AfD zutreibt, weil es deren Panikmache und Weltbild validiert

  • Ich konnte Seehofer eigentlich bei keiner Aussage der letzten 20 Jahre (geschätzt) zustimmen.

    Aber das die AFD staatszersetzend ist, oder es zumindest versucht, das kann man zu 100% unterschreiben.

    Und wieso sollte der Innenminister (ist immerhin seine Verantwortung) zu der fachlichen Erkenntnis kommt das diese Partei "staatszersetzend" ist, warum sollte man das dann nicht sagen dürfen.

    Daher komme ich zu dem Schluss: das Urteil ist grundlegend falsch, weder im Sinne des GG (es ist sicher nicht im Sinne der Verfasser Rechtsfaschisten zu schützen), noch im Sinne des Volkes (diese Partei gehört verboten!) und daher nicht akzeptabel.

    • @danny schneider:

      Das Urteil wäre nur dann falsch, wenn man Seehofer diese Meinungsäußerung in Gänze als "dienstlich" abkaufen könnte. Das war sie aber offensichtlich nicht. Nur weil er Innenminister ist, ist nicht seine Äußerung, in der das Wort "Staat" vorkommt, eine Ausübung seiner Amtspflichten.

      Insofern mag die politische Meinung, die er da von sich gab, noch so mehrheitsfähig und dem Geist der Verfassung verschrieben sein, sie hat auf der Homepage seines Ministeriums nichts zu suchen. Als auch wenn es Einem missfallen mag, wer der Sieger dieses Rechtsstreits ist, das Urteil daher ist goldrichtig (und deutlich besser begründet als Ihre Argumentation dagegen).

      Die Verfassung - wie auch das für sie zuständige Gericht - tut gut daran, keine ideologische Partei in der politischen Auseinandersetzung zu ergreifen. WENN eine Partei verboten gehört, dann kann das Verfassungsgericht das auf Antrag tun. Solange es das nicht getan hat, kann es sie aber auch nicht schlechter behandeln als andere Parteien und hat auch sie vor politischer Parteinahme durch die Exekutive zu schützen. Hätte Seehofer sich ähnlich über eine andere Partei ähnlich kämpferisch-abwertend geäußert und das auf seiner Ministeien-Homepage veröffentlicht - die hätte sich im Zweifel auch gewehrt und auch Recht bekommen.

    • @danny schneider:

      Er darf es ja sagen und veröffentlichen. Als Parteipolitiker (und als Privatperson sowieso), aber nicht als Minister. Generell ist diese Regelung aus demokratischer Sicht auch durchaus sinnvoll um zu verhindern, dass sich die Partei die die Regierung stellt über die damit verbundenen Ressourcen einen Vorteil verschafft. Dass die AfD, dass nun für ihre PR nutzt ist natürlich unschön, aber ich meine mich zu erinnern, dass dies auch nicht der erste Fall ist bei dem nicht-neutrale/parteipolitische Positionen über eine Miniseriumswebsite veröffentlicht wurden und es deshalb Ärger gab. Seehofer hätte es also besser wissen und die offene Flanke vermeiden können indem er einfach die CSU-Website genutzt hätte.

    • @danny schneider:

      Er darf es ja sagen. Er darf es auch veröffentlichen, aber NICHT auf offiziellen Seiten, weil DIESE neutral sein müssen. Nicht er.

      • @Yodel Diplom:

        Der Innenminister ist aber soweit mir bekannt auch der Chef des Verfassungsschutzes.

        Eine Aussage wie das diese Partei nicht auf dem Boden des GG agiert sehe ich daher sehr Wohl als eine legitime Äußerung des BMI, zu der der Innenminister ja quar Amtes kommen kann. --> Wer außer dem Innenminister soll das von Seiten der Exekutive sonst feststellen?

        • @danny schneider:

          Wenn das eine offizielle Verlautbarung des Innenministeriums wäre dürfte es dort stehen. Wenn z.B. die AfD durch den Verfassungsschutz entsprechend eingestuft worden wäre und es Bestrebungen ein Verbotsverfahren einzuleiten, dann dürfte das exakt so dort stehen. Das ist aber nicht was passiert ist. Seehofer hat seine geäusserte Privatmeinung zur AfD auf der Seite des Innenministeriums veröffentlicht. Alles was dort steht wird als offizielle Linie des BmI interpretiert, und solange die AfD ein legitimer Mitbewerber ist (und das ist sie derzeit, leider) darf die Regierung sie nicht durch solche Aussagen benachteiligen.

          Das ist völlig richtig so, sonst könnte die Regierung systematisch politische Gegner benachteiligen um an der Macht zu bleiben. Das widerspricht den demokratischen Grundsätzen. Dass nun gerade die AfD davon Nutzen zieht findet ich auch nicht gut, aber wenn man wegen denen von demokratischen Grundprinzipien abrückt gewinnen sie.

  • Na Servus

    “Quod erat demonstrandum.“ - 😱 -

    Unser IM-Vollhorst - “ Seehofer bezeichnet sich selbst als „Erfahrungsjuristen“.“ - wiki



    Klar bayerntraditionell & höcherlich - nicht - “ständig - das Grundgesetz unterm Arm.“

    kurz - Was mal wieder zu beweisen war.

    Na Mahlzeit

    • @Lowandorder:

      Bin grad mal wieder auferstanden vom The Rona-Krankenbett" und was sehe ich da ...

      "höcherlich" mit GG vorm CSU-Kropf ... immer wieder gern gelacht :-)

      Fehlt nur noch Old-Schwurhand-Fritze Zimmermann und sein CSU-MdB Richard-Kopf-ab-Jäger (O-Ton Onkel-Herbert): Glied ab!

      Ordnungsruf! ... und der Stenograph vermerkt "allgemeine Heiterkeit im Saale"

      • @esgehtauchanders:

        Liggers. Kann nicht oft genug “gesagt“ werden. - 😈 -

        unterm—— als kleinen Beifang dess -



        www.spiegel.de/spi...nt/d-43279365.html …servíce



        Auszug - “ Richard ("Glied ab") Jaeger, 58, Christsozialer, mag sich nicht verstellen. Der bayrische Rechts-Experte wurde vorletzten Donnerstag vom Südwestfunk gebeten, in der Live-Sendung "Meinung gegen Meinung" zusammen mit MdB-Kollegen die Frage: "Soll der Staat des Bürgers Tugendwächter sein?" zu erörtern. Als Jaeger erfuhr, daß es sich nicht um eine TV-, sondern um eine Radio-Diskussion handele, gestand er erleichtert: "Ich bin froh, daß es nicht im Fernsehen Ist. Da muß man immer so ein g'scheites Gesicht machen."…“ als wenn der je eins gehabt hätte! Reine Angabe - 🥳 -



        Normal

        • @Lowandorder:

          Sorry - I forgot -

          Weiter gute Genesung & Gesundheit.