Bundestagswahl für Deutsche im Ausland: Wenn der Wahlbrief nicht ankommt
Viele Stimmen von Deutschen im Ausland werden bei der Bundestagswahl nicht zählen – wegen der knappen Briefwahlfrist. Betroffene könnten klagen.
Katharina Esche wohnt seit über zehn Jahren in Norwegen, ist wahlberechtigt und würde bei der anstehenden Bundestagswahl gern wählen. Sie findet es dieses Mal besonders wichtig, ihre Stimme abzugeben. Dass das funktionieren wird, sei aber so gut wie ausgeschlossen, sagt sie. Bis zum 17. Februar hat sie ihre Wahlunterlagen aus ihrem alten Wahlkreis Rostock nicht erhalten.
Auch wenn die in den nächsten Tagen ankämen, würde die Rücksendung nach Deutschland zu lange brauchen: Mehr als eine Woche sei ein Brief nach Deutschland erfahrungsgemäß unterwegs. Bis zum Tag der Wahl am 23. Februar müssen die Briefwahlunterlagen angekommen sein, damit sie berücksichtigt werden können.
Drei bis vier Millionen Deutsche leben im Ausland, viele davon sind wahlberechtigt. Die Fristen für die Briefwahl sind wegen der vorgezogenen Bundestagswahl besonders kurz. Schon jetzt ist absehbar, dass viele Stimmen der sogenannten Auslandsdeutschen nicht zählen werden.
Esche ist frustriert: „Wir leben in einer Zeit, in der alles möglich ist. Eine Wahl so zu organisieren, dass auch wir Deutsche im Ausland problemlos unsere Stimme abgeben können, scheint aber ein Ding der Unmöglichkeit“, sagt die 41-Jährige.
Im digitalen Norwegen kommt die Post nur selten
Sie wohnt in Balestrand, einem Ort an den Fjorden in Norwegen, knapp dreieinhalb Stunden von der Großstadt Bergen entfernt. Die Post komme nur an drei Tagen in der Woche, am Wochenende werde nie zugestellt, erzählt Esche. Das sei meist auch nicht nötig in Norwegen: Alles funktioniere digital, vom Hauskauf bis zur Steuererklärung. Die 41-Jährige würde gern online wählen, wie das zum Beispiel in Estland der Fall ist. Dabei seien für sie Datenschutz- und Sicherheitsbedenken kleiner als die Vorteile, die das mit sich bringen würde.
Zumindest konnte sie sich dieses Mal online ins Wählerverzeichnis eintragen lassen, berichtet sie. Bei den Wahlen zuvor musste das noch per Post erfolgen. Esche würde ihren Wahlzettel auch in einer deutschen Botschaft einwerfen und dafür eine sechsstündige Autofahrt nach Oslo auf sich nehmen. Das Wahlrecht sieht eine Urnenwahl in einer deutschen Botschaft aber nicht vor.
Deutsche im Ausland könnten klagen
Der Verwaltungsrechtler Ulrich Battis geht in einem Interview mit dem RBB davon aus, dass einige Auslandsdeutsche nach der Wahl in einem Wahlanfechtungsverfahren klagen werden. Am Ende komme es bei einer Prüfung darauf an, ob die sogenannte Mandatsvergabe beeinträchtigt wurde. Wenige Stimmen würden dabei nicht ins Gewicht fallen, viele aber schon. Esche sagt, sie würde sich einer Sammelklage anschließen, falls diese Möglichkeit nach der Wahl bestünde.
Bereits im Januar hatte ein Mann aus Südafrika geklagt. Er wollte, dass der Staat Maßnahmen einleitet, die seine Stimmabgabe trotz der kurzen Frist sichert. Diese Klage wurde aber abgewiesen, zuständig für das Wahlverfahren sei der Bundestag, der erst im Nachgang eine Bundestagswahl prüfen könne.
Botschaften bieten Kurierweg an
Der 29-jährige Jonas Neubert aus Kopenhagen, Dänemark, hat ein ähnliches Problem. Auch er war sich lange nicht sicher, ob seine Stimme zählen wird. „Ich sorge mich, dass ich dieses grundlegende demokratische Recht nicht wahrnehmen kann“, sagt Neubert.
Bei einer Recherche sei er darauf gestoßen, dass viele deutsche Botschaften auch den amtlichen Kurierweg zur Verfügung stellen. Dabei werden die Unterlagen von Deutschland an die zuständige Botschaft im Ausland geschickt. Die Wahlberechtigten können sie dort abholen und auch wieder abgeben. Bis zum Montag musste Neubert die Wahlunterlagen in der Botschaft abgeben, damit sie rechtzeitig nach Berlin und dann nach Nürnberg, zum zuständigen Wahlkreis, geschickt werden können.
Neubert hatte Glück, die Wahlunterlagen waren an dem Tag im Briefkasten, an dem er sie in der Botschaft abgeben musste. Er hatte sich den Tag freigehalten, damit er die kurzen Öffnungszeiten der Botschaft einhalten kann.
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