Bundestagsabgeordnete in Taiwan: „Selbstverständliche Kontaktpflege“
Zum Ärger Pekings haben Abgeordnete aller Bundestagsfraktionen Taiwan besucht. Wie fällt das Fazit der Delegation aus?
Der Grund für die große Aufmerksamkeit ist die offizielle Ein-China-Politik und die von Peking vehement betriebene diplomatische Isolation der Inselrepublik, die nur von sehr wenigen Staaten diplomatisch anerkannt wird.
Dabei sei der Besuch nur „selbstverständliche Kontaktpflege unter Parlamentariern“. Als „Rückkehr zur Normalität“ nach pandemiebedingter Unterbrechung bezeichnete Klaus-Peter Willsch (CDU) die Kernbotschaft der Reise.
Neben taiwanischen Parlamentskollegen und dem dortigen Außenminister trafen die deutschen Abgeordneten auch Präsidentin Tsai Ing-wen und ihren Vizepräsidenten und wurden bei ihren Auftritten stets von Medien begleitet.
Deren Fragen drehten sich vor allem um Berlins China-Politik und auch schon mal um die Chancen der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Taiwan. Weil sie da nichts zu entscheiden haben, mussten die Abgeordneten sich immer wieder für nicht zuständig erklären.
Lay hatte „den Eindruck, man hält uns für Sprecher des Außenministeriums“. Sie war als erste Abgeordnete ihrer Partei seit gut 20 Jahren auf der Insel – die Linke legt traditionell weniger Augenmerk auf Taiwans Situation und mehr auf die Beziehungen zu Peking.
Dass die sechsköpfige Gruppe jetzt alle Fraktionen umfasste, wurde in Taiwan als deutsche Unterstützung für die durch Chinas Machtansprüche bedrohte Demokratie gewertet.
In deutschen Onlinekommentarspalten ernteten die Parlamentarier zuweilen heftige Kritik: Sie würden „Öl ins Feuer gießen“ und einen neuen geopolitischen Konflikt vom Zaun brechen.
Sensibilisiert für die Spannungen um Taiwan ist Deutschland spätestens seit China im August auf eine Taiwan-Reise von Nancy Pelosi, der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, mit massiven Militärmanövern reagiert hatte. Nun dominierte Pekings Kritik an der Delegation die öffentliche Wahrnehmung.
Dabei hatten bis zur Pandemie solche Reisen regelmäßig stattgefunden, ohne dass Peking je derart öffentlich protestiert hatte. Frank Schäffler (FDP) nannte Pekings Protestnote voller Floskeln, wie China sie regelmäßig zu Taiwan äußert, „unangemessen und verstörend“.
„Nett sein gegenüber Diktaturen hat noch nie geholfen“, betonte auch die SPD-Abgeordnete Katrin Budde. Unter demokratischen Staaten gehöre es sich, Solidarität zu üben.
Nächste Reisen in Planung
Russlands Überfall auf die Ukraine hat gezeigt, wie latente Konflikte eskalieren können. Angesichts allgegenwärtiger Unsicherheiten wies Till Steffen (Grüne) auf Parallelen hin: So wie die Taiwaner trotz andauernder Bedrohung nicht in Panik verfielen, müsse Deutschland konkret an Lösungen für die Energiekrise arbeiten, um weniger anfällig zu werden. Unabhängigkeit von Energieimporten sei auch für Taiwan ein großes Thema. Deutschland könne vor allem bei Offshore-Windenergie und Wasserstoff helfen und selbst von Taiwans technologischer Innovationskraft lernen.
So lieferte Taiwan jedem Delegationsmitglied Themen für die jeweilige Klientel. Dass die Halbleiter-Großmacht vor Chinas Küste „innerhalb der Lieferketten ein Glied von enormer Wichtigkeit für die deutsche Industrie ist“, diese Erkenntnis will Rainer Kraft seiner AfD-Fraktion vermitteln.
Der FDP-Mann Schäffler möchte auf europäischer Ebene ein angedachtes Investitionsabkommen mit Taiwan wieder aufleben lassen. Auch ein Freihandelsabkommen wäre „wirtschaftlich wünschenswert“.
Taiwanbesuche sollen in jedem Fall wieder Normalität werden. Noch dieses Jahr wird eine Delegation des Menschenrechtsausschusses erwartet. Für 2023 sind Reisen weiterer Bundestagsabgeordneter sowie der SED-Opferbeauftragten Evelyn Zupke geplant.
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