Bundestag zur epidemischen Lage: Im Angesicht der vierten Welle
Auf Bitten der Länder soll der Bundestag am Mittwoch die seit März 2020 geltende epidemische Lage verlängern. Das vereinfacht mögliche neue Verschärfungen.
![Plenarsaal während einer Sitzung des Deutschen Bundestages Plenarsaal während einer Sitzung des Deutschen Bundestages](https://taz.de/picture/5051336/14/28183218-1.jpeg)
Die Koalition begründet ihren Antrag mit der fortdauernden Covid-19-Pandemie. Die Zahl der Neuinfektionen steige, für 97,9 Prozent der Neuinfektionen sei inzwischen die ansteckendere Delta-Mutation verantwortlich. Auch die Weltgesundheitsorganisation gehe weiterhin von einem internationalen Notfall für die öffentliche Gesundheit aus.
Die Feststellung der epidemischen Lage nationaler Tragweite ist Aufgabe des Bundestags. Den ersten derartigen Beschluss traf er am 25. März 2020, damals noch zeitlich unbeschränkt. Seit März 2021 müssen die Beschlüsse jedoch alle drei Monate erneuert werden. Der letzte Beschluss stammt vom 11. Juni und würde am 11. September auslaufen.
Die Feststellung der epidemischen Lage hatte zunächst vor allem symbolische Bedeutung. Für den ersten Shutdown, den die Bundesländer im März 2020 aufgrund von allgemeinen Befugnissen im Infektionsschutzgesetz (IfSG) beschlossen, war die Feststellung der Lage jedoch noch keine Voraussetzung.
Ohne Verlängerung wären Maßnahmen außer Kraft
Das ist heute anders. Seit November 2020 sind die Shutdown-Befugnisse der Länder ausdrücklich im Infektionsschutzgesetz geregelt und an die Feststellung der epidemischen Lage gebunden. Ohne Fortgeltung der Lage müssten die derzeitigen Maßnahmen außer Kraft treten, etwa die Beschränkung der Fußball-Bundesliga-Spiele auf maximal 25.000 Zuschauer.
Erst recht könnten die Länder im Herbst keine Verschärfungen mit Blick auf die vierte Welle beschließen. Die Länder haben den Bundestag deshalb einstimmig gebeten, die Feststellung der epidemischen Lage zu verlängern. Diese ist auch Voraussetzung für bestimmte Impf- und Testverordnungen der Bundesregierung. Dass auch die Bundesregierung Shutdown-Maßnahmen per Verordnung einführen kann, hat sie allerdings nicht zur Folge.
Zwar führte der Bundestag im April eine sogenannte Bundesnotbremse ein, die wirksam wurde, sobald in einem Landkreis die 7-Tage-Inzidenz drei Tage lang über 100 lag. Die Konsequenz waren Beschränkungen des öffentlichen Lebens, zum Beispiel eine nächtliche Ausgangssperre.
Diese Regelung (§ 28 b IfSG) ist jedoch seit 30. Juni 2021 ausdrücklich wieder außer Kraft. Sie würde auch nicht wieder aufleben, falls die 7-Tage-Inzidenz erneut über 100 steigt. Vielmehr müsste der Bundestag dies per Gesetz beschließen. Davon ist derzeit aber nicht die Rede.
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