Bundestag muss doch noch abstimmen: Tricksen für die Homoehe
Union und FDP würden lieber nicht im Bundestag über eine Gleichstellung von Homosexuellen abstimmen. Doch die Opposition hat sie verladen.
BERLIN taz | Eigentlich schien die quälende Debatte für die CDU erledigt. Auf dem Bundesparteitag vor gut einer Woche beschlossen die Delegierten, eine steuerrechtliche Gleichstellung von schwulen und lesbischen Lebenspartnerschaften auch in Zukunft abzulehnen. Doch nun droht Kanzlerin Angela Merkel und ihrer Bundestagsfraktion eine Neuauflage.
Die Koalition habe „Angst vor der Abstimmung“, doch sie werde ihr nicht erspart bleiben, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann am Freitag voraus. Er könnte recht behalten. Denn die Opposition zwingt der Koalition das Thema mit einem geschickten Trick auf.
Der Vermittlungsausschuss musste am späten Mittwochabend über das Jahressteuergesetz 2013 befinden, das rund 50 kleinere Einzelregelungen im Steuerrecht enthielt. Eigentlich eine Formsache, die erst durch einen Vorschlag von SPD, Grünen und Linkspartei Brisanz bekam. Sie setzten mit einer Mehrheit durch, dass die Gleichstellung der Homoehe ins Paket zum Jahressteuergesetz geschrieben wurde. Eine Mehrheit bekam die Opposition deshalb zusammen, weil SPD-Vertreter zweier großer Koalitionen mitstimmten.
Über dieses sogenannte unechte Vermittlungsergebnis – unecht, weil es eben keine Vermittlung darstellt – wäre eigentlich am Freitag im Bundestag abzustimmen gewesen. Dies lehnte die Koalition jedoch ab. Wohl auch um eine peinliche Bloßstellung in Sachen Gleichstellung der Homoehe zu vermeiden. Denn die FDP ist dafür, und auch in der Unions-Fraktion gibt es über ein Dutzend Abgeordnete, die den CDU-Parteitagsbeschluss falsch finden.
Verzögerte Abstimmung
Bei der Verzögerung einer Abstimmung kann sich die Koalition allerdings auf die Geschäftsordnung berufen. Die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses landeten erst am Donnerstagmorgen in den Fächern der Abgeordneten – zu spät, um offiziell auf die Tagesordnung des Parlaments zu kommen. Zwar boten die Fraktionsgeschäftsführer von SPD und Grünen einen Fristverzicht an, doch den lehnten die Koalitionsvertreter ab. Nun wird die Abstimmung in den Januar verschoben.
Die Verzögerung könnte weitere Auswirkungen haben, meint Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck. Das Jahressteuergesetz beeinflusst das Ziel, Steuererklärungen zunehmend einfach und elektronisch zu erfassen. Das Gesetz legt eine Fristverlängerung fest, nach der Arbeitgeber erst Ende 2013 Daten verpflichtend elektronisch abrufen müssen.
Falle diese Frist durch ein späteres Inkrafttreten weg, überfordere dies Firmen, Finanzverwaltung und Arbeitnehmer, sagt Beck. „Um an der Diskriminierung homosexueller Paare festzuhalten, stürzt die Merkel-Regierung Deutschland in das steuerrechtliche Chaos.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Neue EU-Kommission
Es ist ein Skandal
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative