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Bundesstiftung für GleichstellungKritik am Konzept

Jahrelang wurde sie gefordert, nun plant der Bund eine Gleichstellungsstiftung. Kri­ti­ke­rIn­nen bemängeln fehlende Unabhängigkeit und eine „Männerquote“.

Als Familienministerin auch für Gleichstellung zuständig: Franziska Giffey (SPD) Foto: Dorothée Barth/dpa

Berlin taz | Seit zehn Jahren wird sie in jedem Gleichstellungsbericht gefordert, nun soll sie kommen: Die Bundesstiftung Gleichstellung. Sie soll „bei der Entwicklung von Lösungsansätzen und deren Umsetzung“ im Bereich Gleichstellung helfen, Forschungslücken identifizieren, Forschungsaufträge vergeben sowie innovative Maßnahmen zur Verwirklichung von Gleichstellung entwickeln, wie es im Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen heißt.

Doch vor der geplanten Abstimmung im Bundestag über die Einrichtung der Stiftung am Donnerstag gibt es Kritik am Entwurf. Zwar begrüßen der Deutsche Juristinnenbund, Wissenschaftlerinnen mehrerer Hochschulen und Ex­per­t:in­nen die Pläne, das Institut mit Mitteln von 3,2 Millionen Euro in diesem Jahr und rund 5,2 Millionen ab 2022 endlich auf den Weg zu bringen.

Die konkrete Ausgestaltung allerdings stößt auf „erhebliche Bedenken“, schreibt etwa der Juristinnenbund in einer Stellungnahme für eine Anhörung im Frauenausschuss, der am Montag dieser Woche stattgefunden hat. Diese betreffen vor allem die Möglichkeit der Stiftung, fachlich und politisch unabhängig zu arbeiten, die geplante quotierte Besetzung von Männern in Stiftungsgremien und die Finanzierung.

Zivilgesellschaft fehlt

Die zentralen Aufgaben der Stiftung sollen vor allem durch den Stiftungsrat bestimmt werden, der ausschließlich aus Mitgliedern des Bundestags und der Familienministerin bestehen soll. Zivilgesellschaftliche Organisationen sollen nur beratend im Beirat vertreten sein. Dergestalt aber, schreibt der Juristinnenbund, sei die Stiftung „nicht geeignet, eine von politischen Mehrheiten unabhängige und an fachlichen Kriterien orientierte Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern“ zu sichern.

Auch Barbara Stiegler, Mitglied im Expertinnennetzwerk „Gender Mainstreaming Experts International“, befürchtet, dass die Arbeit der Stiftung „sehr stark von den politischen Kräfteverhältnissen im deutschen Bundestag geprägt sein wird.“ Der „starke Arm der Politik“ sei unübersehbar.

Zudem verstoßen die Vorgaben zur paritätischen Besetzung der Stiftungsgremien laut Juristinnenbund gegen Artikel 3 des Grundgesetzes – sie führten zu einer „ungerechtfertigten Männerquote“. Gezielte Förderung sei dann erlaubt, wenn es um den Ausgleich struktureller Nachteile gehe.

Jenseits von Mann und Frau

Dass sich im Themenbereich Gleichstellung vor allem Frauen qualifiziert hätten, mit denen die Gremien dann also auch besetzt würden, habe jedoch nichts mit der strukturellen Benachteiligung von Männern zu tun. Zudem müssten bei der Besetzung Menschen berücksichtigt werden, die sich nicht als Frau oder Mann verstünden.

Auch was die geplante Finanzierung angeht, gibt es Kritik. Mindestens Teile der Mittel für die Bundesstiftung sollen offenbar über den Haushalt des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend abgewickelt werden. „Keinesfalls“ aber, so Barbara Stiegler, dürften die „relativ wenigen Mittel für Gleichstellung“ des BMFSFJ umgewidmet werden. Der Stiftung solle eine jährliche Mindestzuweisung über 7 Millionen Euro zugesichert werden, zudem solle ermöglicht werden, dass nicht ausgeschöpfte Mittel ins Stiftungsvermögen fließen können.

Die frauenpolitische Sprecherin der Grünenfraktion im Bundestag, Ulle Schauws, forderte, die Stiftung müsse sowohl politisch wie institutionell unabhängig arbeiten können und brauche einen intersektionalen Ansatz. „Wissenschaft und Zivilgesellschaft müssen Teil des Gremiums sein“, sagte sie. Zudem gehe Gleichstellung auch Männer an – Quoten aber dürfe es nur bei struktureller Benachteiligung geben, und das sei bei Männern nicht der Fall.

Kritik von rechts

Auch aus rechtskonservativen Kreisen kommt indes Kritik an der Bundesstiftung. Als eine der ersten, der der Gesetzentwurf der Fraktionen offenbar vorlag, als dieser noch gar nicht veröffentlicht war, behauptete etwa die Publizistin Birgit Kelle im „Focus“, die „ominöse“ Stiftung solle „feministische Lobbygruppen mit Macht und Geld“ versorgen. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel schrieb auf „Tichys Einblick“, die Stiftung sei „teuer, ideologisch und unnötig“. Mit ihr gebe der Bundestag Kompetenz „an eine linksgrüne Vorfeldorganisation“.

Die zweite und dritte Lesung des Gesetzentwurfs sind bereits für Donnerstag angesetzt. „Wie dieser Gesetzentwurf nun durchgepeitscht werden soll, macht den mangelnden Respekt gegenüber parlamentarischen Verfahren und der Expertise der Sachverständigen bei der Anhörung im Frauenausschuss sehr deutlich“, sagte Ulle Schauws.

Drei Tage nach der Fachanhörung das Gesetz abzuschließen, sei kein seriöses Verfahren. Dass es der Bundesregierung mit der Berücksichtigung von Gleichstellungsexpertise ernst ist, sei nicht zu erkennen.

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1 Kommentar

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  • Während die einen kritisieren, es entstünde "ein linksgrüne Vorfeldorganisation“, kritisieren die anderen, daß es eben nicht explizit als solche geplant ist ("nicht ... von politischen Mehrheiten unabhängig"). Daß wohl ausschließlich von Frauen und Männern die Rede ist wirkt auch irgendwie so neunziger Jahre.

    Fazit: braucht so niemand, wird daher exakt so geliefert - hurra, Kompromiss!