Bundesregierung und Lkw-Abgase: Umweltministerin mit wenig Ehrgeiz
Svenja Schulze wird bei den Verhandlungen zur Senkung von CO2-Emissionen bei Lkw hinter den Forderungen des Europaparlaments zurückbleiben.
„Auf der UN-Klimakonferenz in Kattowitz wurde intensiv über Maßnahmen zum Erreichen der Pariser Klimaziele gerungen, doch wenn es konkret wird, präsentiert sich die Bundesregierung erneut als Klimaschutzbremser“, sagte Kühn. Umweltministerin Schulze fahre wieder einmal „ohne klimapolitische Ambitionen“ nach Brüssel. Im September hatte sich die Ministerin Spott eingehandelt, weil sie sich bei den Verhandlungen zu CO2-Einsparzielen bei Pkws gegen ihre Überzeugung für die schwachen Forderungen von Kommission und Bundesregierung starkgemacht hatte.
In Deutschland geht rund ein Drittel der verkehrsbedingten CO2-Emission auf Lastwagen zurück. Die EU will Vorgaben für den CO2-Austoß erlassen, wie sie bereits für Autos im Herbst beschlossen wurden. Die Europäische Kommission will, dass im Vergleich zu den Emissionen von 2019 bis zum Jahr 2025 der CO2-Ausstoß von Lkw-Flotten um 15 Prozent und bis zum Jahr 2030 um mindestens 30 Prozent sinkt.
Zunächst sollen Regeln für schwere Zugmaschinen und Lkws gelten, die schwerer als 16 Tonnen sind. Ab 2022 sollen die Regeln auf Busse und Lkws unter 16 Tonnen ausgedehnt werden. Vorgesehen ist, dass bei der Abrechnung des CO2-Austoßes Elektrofahrzeuge mithilfe eines „Super-Credit-Systems“ bis zu zweimal zählen. Damit will die Kommission für die Hersteller Anreize schaffen, mehr davon auf den Markt zu bringen.
Bonus-Malus-System
Das führt aber dazu, dass die neuen Lkws mit herkömmlichen Antrieben weniger CO2 sparen müssen, sagen die Grünen. Naturschutzverbände wie der Nabu kritisieren, dass der Kommissionsvorschlag weit hinter den technischen Möglichkeiten und dem klimapolitisch Notwendigen zurückbleibt. Der Nabu fordert eine Senkung des C02-Ausstoßes von 25 Prozent bis 2025 und mindestens 45 Prozent bis 2030 sowie eine verbindliche Quote für Elektrofahrzeuge.
So weit geht das Europäische Parlament nicht, aber es hat ehrgeizigere Ziele als die Kommission. Die Abgeordneten fordern, dass die CO2-Emissionen bis 2025 um 20 Prozent und bis 2030 um 35 Prozent sinken sollen. Außerdem soll es keine „Super-Credits“ geben. Stattdessen will das Parlament ein Bonus-Malus-System: Im Jahr 2025 sollen Hersteller fünf Prozent Null- und Niedrigemissionsfahrzeuge verkaufen, im Jahr 2030 sollen es 20 Prozent sein. Bei Unterschreitung wird das Einsparziel für den Hersteller verschärft, bei Überschreitung abgeschwächt.
Doch diesem Vorschlag schließt sich die Bundesregierung nicht an. Sie setzt auf den der KommissarInnen. „Die Bundesregierung unterstützt den Vorschlag der Europäischen Kommission hinsichtlich der Minderungsziele für 2015 und 2030 gegenüber dem Basisjahr 2019“, schrieb Pronold in der Antwort an Kühn. Die Bundesregierung sei grundsätzlich auch für das Super-Credit-System.
Verpasste Chance
Die Bundesregierung verpasse die Chance, den Herstellern einen Vorsprung bei klimafreundlichen Fahrzeugtechnologien zu sichern, kritisiert Kühn. „Die mehrfache Anrechnung von Elektrofahrzeugen muss dringend gestrichen werden, weil sie die Einsparziele verwässert“, forderte er. „Wir brauchen echte CO2-Reduktionen auf der Straße und keine Rechentricks auf dem Papier.“
Das Bundesumweltministerium erklärte, es handele sich bei der Position der Kommission um einen Kompromiss, den die Ministerin klimapolitisch vertreten könne. „Das gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass dieser Kompromiss noch in dieser Legislaturperiode kommt“, sagte eine Sprecherin. Im kommenden Mai finden die Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Die Ministerin werde die Position deshalb auch nicht – wie im Falle der Pkw-Emissionen – mit Bauchschmerzen vertreten.
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