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Bundesrat beschränkt Ackergift weiterGlyphosat bleibt draußen

Die Länderkammer beschließt, die Nutzung für das umstrittene Pestizid nicht auszuweiten. In Schutzgebieten bleibt es verboten.

Ein Landwirt spritzt Glyphosat auf ein Feld, das Ackergift ist seit Jahren umstritten Foto: Steven Lüdtke/dpa

Berlin taz | Das Ackergift Glyphosat darf in Deutschland auch künftig nicht in Schutzgebieten verwendet werden. Einen entsprechenden Vorstoß des Agrarausschusses des Bundesrates hat die Länderkammer am Freitag abgelehnt. Die „bestehenden Einschränkungen bei der Anwendung von Glyphosat“ würden fortgeschrieben, teilt das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) mit. So könnten sich Landwirtinnen und Landwirte auf bewährte Regeln zum Einsatz des Totalherbizids verlassen, zugleich werde sicher gestellt, „dass Glyphosat nicht dort eingesetzt wird, wo die Natur besonders sensibel ist oder unsere natürlichen Ressourcen einen besonderen Schutz benötigen, wie beispielsweise in Wasserschutzgebieten“.

„Das war eine wichtige Entscheidung“, sagt Laura Henningson, Referentin für Agrobiodiversität beim Naturschutzbund Nabu. Allerdings sei Glyphosat für die nächsten zehn Jahre weiter zugelassen und die Bundesregierung müsse jetzt schnell das „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“ vorlegen. Darin solle sie konkret darlegen, wie die Landwirte den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bis 2030 halbieren können; die Referenzzeit sind die Jahre zwischen 2011 und 2013.

Gegen dieses Reduktionsziel geht der Deutsche Bauernverband vor. Er sieht das Zukunftsprogramm Pflanzenschutz als „Affront gegen die Landwirtschaft“ und befürchtet Produktionseinbußen. Umweltverbände sehen das mit großer Sorge: „Wir sind entsetzt, dass der Bauernverband und die anderen Agrarverbände die dringenden Anliegen des Umwelt- und Naturschutzes ignorieren“, sagt Olaf Bandt, Vorsitzender des Umweltverbandes BUND. Der Bauernverband verrate mit seiner Blockade auch den Wunsch der eigenen Mitglieder nach größerer Unabhängigkeit von Industrieverbänden und langjähriger Planungssicherheit.

Planungssicherheit fehlen für Industrie und Landwirte auch für den Umgang mit Glyphosat. Das Pflanzenschutzmittel steht im Verdacht, bei Menschen Krankheiten wie Krebs auszulösen, Bienen und insgesamt die Biodiversität zu gefährden. Von den Behörden immer wieder neu und befristet zugelassen, konnten sich die EU-Mitgliedsländer zuletzt nicht auf eine einheitliche Position einigen. Die Kommission entschied – wie in diesem Falle vorgesehen – alleine und verlängerte die Zulassung um weitere 10 Jahre. Sowohl gegen die Praxis, ein Ackergift für begrenzte Zeiträume zulassen, als auch gegen die zehnjährige Glyphosat-Zulassung der Kommission gehen die Aurelia-Stiftung und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gemeinsam vor.

Das Urteil des EU-Gerichts stehe kurz bevor. Nach dem Urteil werde das Verfahren voraussichtlich zur letzten Instanz, dem Europäischen Gerichtshof, gehen. Denn wegen des grundlegenden Stellenwerts des Urteils, das einen Präzedenzfall für andere Pestizid-Wirkstoffe schaffe, werde keine der Streitparteien eine Niederlage vor Gericht akzeptieren.

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12 Kommentare

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  • Das es Beschränkungen für Glyphosat gibt ist richtig, aber es komplett zu verbieten halte ich für falsch.



    Die Entscheidung Glyphosat zu verlängern wurde Ende letzten Jahres erneut nach sehr umfangreichen wissenschaftlichen Prüfungen durchgeführt. Zwei Drittel der EU-Länder haben basierend auf den wissenschaftlichen Fakten der Einschätzung zugestimmt. Die Risikobewertung ist im Internet öffentlich zu finden. Es wäre also für jeden möglich das zu überprüfen, falls sich mal jemand wissenschaftlich anstatt ideologisch damit auseinandersetzen möchte.

  • Für Konzerne wie Bayer/Monsanto ist der Verkauf von Unkrautvernichtungsmitteln plus von Saatgut von unkrautvernichtungsmittelresistenten Getreidesorten plus von Chemotherapien gegen Krebs eine Win-Win-Win-Situation.

    In Japan müssen mangels Insekten mittlerweile z.B. Kirschbäume mit Wattestäbchen manuell bestäubt werden. Würde es bei uns dazu kommen, schafft es neue Arbeitsplätze.

    Der Bauernverband profitiert von höherer Produktivität.

    Für Konsumenten sind die Getreideprodukte billiger.

    Insgesamt haben wir hier also eine Win-Win-Win-Win-Win-Win-Situation.

    • @nothingness:

      Na, da sollte man aber nicht vergessen, dass rund 3/4 des Glyphosats gar nicht in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen.

      Die Präzedenzfälle bei den Schadensersatzklagen gegen Monsanto waren dementsprechend keine Landarbeiter, sondern Hausmeister aus der Stadt...

  • Ich gehöre nicht zu der "Deutschland allein kann die Welt nicht retten"-Fraktion, jedoch wirkt sich etwas weniger Glyphosat in D weltweit nicht aus. Da heißt nicht "Also weiter so".

  • Nur ein kleiner Erfolg, da die Entscheidung nur den Status Quo erhält, obgleich das Spritzmittelgift Glyphosphat durch Verwehungen trotz der Abstandsregelungen die geschützten Naturschutzflächen erreicht.



    Weshalb die Klagen von DHU und der Aurelia Stiftung so wichtig sind, damit dieses Menschengift endlich verboten wird.

  • Glyphosat steht nicht im Verdacht bei Menschen Krebs auszulösen. Wie es zu der irreführenden Einstufung der IRCA kam, kann man wunderbar in einem Mailab Video anschauen, einfach Mylab und Glyphosat bei Google eingeben.

    • @Wombat:

      Das Schlimme: Ich lese Publikationen von namhaften Wissenschaftlern mit unterschiedlichem Ergebnis zur Giftigkeit und kann als Laie somit nicht beurteilen, wer denn nun recht hat.



      Ein Agrarwissenschaftler sagte zu mir: "Die Nachfolgemittel sind längst vorhanden", es kommt also im Fall des Falles sofort ein WieGlypho2 auf den Markt und das Spiel geht von vorne los. Das kostet dann halt mehr und die Produkte werden teurer.

    • @Wombat:

      Selten so gelacht.

      Ein Mini- wirklich nur Miniauszug selbst aus Wikipedia zu dem Thema



      "In einer in der IARC-Bewertung zitierten Fütterungsstudie bei Mäusen gab es bei männlichen Tieren einen signifikanten Anstieg von Adenomen oder Karzinomen der Nierenkanälchen, aber nicht bei weiblichen Tieren. Bei einer anderen Studie an Mäusen stieg bei männlichen Exemplaren die Häufigkeit von Hämangiosarkomen an, wiederum nicht bei weiblichen Individuen. Von den ausgewerteten Fütterungsstudien an Ratten zeigten zwei eine signifikante Zunahme von Inselzelladenomen der Bauchspeicheldrüse bei Rattenmännchen, eine davon zudem für Leberkrebs (hepatocellular adenoma) bei männlichen und für Schilddrüsenadenome (thyroid C-cell adenoma) bei weiblichen Tieren. Bei zwei weiteren von der IARC zitierten Studien war kein signifikanter Anstieg der Rate einer Krebsform zu erkennen. Eine glyphosathaltige Formulierung hatte bei Mäusen die Promotion von Hauttumoren zur Folge. Die gentoxische Wirkung von Glyphosat sieht die IARC als gut belegt an. "



      Der Mann von Mai Thi Nguyen-Kim, Dr Leiendecker arbeitet übrigens für Merck, aber gibt es keinerlei conflict of interest

      • @Werner2:

        Fairerweise sollten sie dann aber auch erwähnen, dass den Mäusen das hundert- bis tausendfache (je nach Studie) an Glyphosat verabreicht wurde, das beim Menschen erlaubt ist.



        In solchen Konzentrationen ist selbst Salz und Zucker und tödlich. Ich bin trotzdem gegen den ungezügelten Einsatz von Unkrautvernichtungsmittel jeder Art.

        • @Rudi Hamm:

          Lieber Herr Hamm,



          war dies wirklich bei all diesen Studien der Fall?

          Und nat[rlich ist Zucker gefährlich auf lange Sicht; insbesondere raffinierter Industriezucker auf Dauer in hohen Dosen ist die Garantie schlechthin, daß im Körper dann einiges schief läuft - und auch Salz ist alles andere als ohne

          Zucker und Salz sind also ziemlich schlechte Beispiele für harmlose Substanzen

          • @Werner2:

            Dieser Vergleich war so gewollt



            Ich habe einen Gefahrenstoff bewusst mir zwei anderen "Gefahrenstoffen" aus dem Lebensmittelbereich verglichen, um zu zeigen "die Dosis macht das Gift".

  • Danke wieder einmal für einen Ihrer Artikel, Frau Holdinghausen!



    Leider muss es ja weiterhin eher heissen



    "Glyphosat bleibt drinnen" bei den meisten Anwendungen

    Als Anregung, schön wäre ein Vergleich zu anderen Ländern der EU; sehr wichtig wäre aber auch, einmal darauf aufmerksam zu machen, daß auch die Ersatzprodukte nicht gerade ohne sind, sondern z.T. im selben Verdacht stehen.



    Hier eine Übersicht zu erhalten, was in welchen Ländern eingesetzt wird, aber mit welchen Abers versehen ist, übersteigt leider das Recherchepotential des Lesers. Danke!