Bundesliga in Zeiten der Bayern-Dominanz: Der Trend geht zur Zweiten Liga
HSV und Schalke machen vor: Es ist besser, Teil einer starken Liga zu sein, als immer gegen diesen einen übermächtigen Klub zu verlieren.
S chere oder Sphäre. Jedes Sprachbild passt, um zu zeigen, dass die Bundesliga nach dem Triple und erst recht nach dem Supercup-Erfolg des FC Bayern München ein Auslaufmodell ist.
Die Schere zwischen dem „Forever Number One“-Klub und den 17 anderen – früher hätte man gesagt: – Mitbewerbern kann gar nicht mehr weiter auseinandergehen. Der „Stern des Südens“ ist nämlich in einer anderen Sphäre, einer ganz eigenen Galaxie angekommen.
Die Vereine, die man früher noch als mögliche „Bayernjäger“, auch so ein 80er-Jahre-Wort, gehandelt hat, können nicht mehr mithalten: Dortmund verliert, Leipzig, Leverkusen, Gladbach lassen Punkte.
Das liegt nicht etwa an deren Unvermögen, das ist auch keine Unlust, sondern mittlerweile kristallisiert sich heraus, dass ein konsequentes Hinarbeiten auf die Zweite Liga eine kluge Strategie ist – in sportlicher und ökonomischer Hinsicht.
Trendsetter HSV
Vorgemacht hat's der Trendsetter Hamburger SV, der einst auch ein Bayernjäger war und sich mittlerweile zwischen Aue und Osnabrück richtig wohlfühlt. Recht früh kapiert hat es auch Hannover 96, das keinen Hehl daraus macht, keine Aufstiegsambitionen zu haben.
Und völlig offensichtlich wurde der Trend „Zweite Liga ist das neue Oberhaus“ in dieser Woche, als Klaus Allofs, einst Manager bei den Topadressen der Bundesliga, sein Engagement bei Fortuna Düsseldorf verkündete.
Ganz offensichtlich ist der strategische Plan, möglichst schnell in die echte, die wahre, die einzige Fußballliga zu gelangen, die es derzeit gibt, auch bei Schalke 04. Keine Punkte, gerade mal ein Tor. So könnte es klappen.
Ähnliche Saisonziele wurden übrigens auch beim 1. FC Köln, beim FSV Mainz, beim VfL Wolfsburg und – seit Jahren schon! – bei Werder Bremen ausgerufen. Und Hertha BSC hat sogar extra einen milliardenschweren Investor verpflichtet, um endlich in der Sehnsuchtsliga kicken zu dürfen.
Wer will den Rest schon sehen?
Warum, könnte man fragen. Sind die Gegner in der Bundesliga nicht attraktiver, die Fernsehgelder nicht höher, die Sponsorennamen nicht klangvoller? Nein. Nur Bayern ist attraktiv.
Mainz gegen Augsburg, Hoffenheim gegen Wolfsburg, Leipzig gegen Leverkusen – wen soll das interessieren? Und traditionsreiche Partien wie Dortmund gegen Schalke oder Köln gegen Gladbach gewinnen ihre Attraktivität doch nur dann, wenn sie in eine sportlich wertvolle Liga eingebettet sind.
Kein Wunder, dass der Abstiegskampf der Bundesliga in den vergangenen Jahren so hart war. Und zwar nicht, weil alle in der Bundesliga bleiben wollten, sondern im Gegenteil: Die Zweite Liga präsentierte sich beispielsweise sehr lange als Closed Shop, wenn der längst überfällige HSV mehr als einmal bei ihr anklopfte.
So erging es auch in der vergangenen Relegation Werder Bremen: Der Zweitligavertreter aus Heidenheim wollte Zweitligavertreter bleiben, was würde er in der Bundesliga wollen?
Der Trend zur Zweiten Liga lässt sich auch international feststellen, da ist man sogar schon weiter. In England war es jahrelang selbstverständlich, dass die Zweite Liga den stolzen Titel „First Division“ trug. Mittlerweile ist es die „Championship“, denn in fortgeschrittenen Fußballgesellschaften wie England geht der Trend ja noch weiter nach unten: Die Dritte Liga ist nun die „League One“. Da weiß man, was wirklich zählt.
Während Klubs wie RB Leipzig oder TSG Hoffenheim vermutlich immer noch auf die Illusion setzen, sich in der Auseinandersetzung mit Bayern München profilieren zu können, haben sich sogenannte Traditionsklubs ganz andere Möglichkeiten des Brandings überlegt: Wenn in der Zweiten Liga außer dem VfL Osnabrück, Holstein Kiel, Hannover 96, dem Hamburger SV, FC St. Pauli, Eintracht Braunschweig auch noch Bremen und Wolfsburg spielten, dann wäre da die gute alte Oberliga Nord versammelt. Wer will da noch Bayern sehen!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen