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Bundesgerichtshof bestätigtBerufsverbot für AfD-Richter Maier

Jens Maier war AfD-Abgeordneter und wollte wieder als Richter arbeiten. Stattdessen wurde er in den Ruhestand versetzt. Der BGH sagt jetzt: zu Recht.

Der Ex-AfD-Bundestagsabgeordnete und Richter Jens Maier im Bundesgerichtshof Foto: Uli Deck/dpa

Karlsruhe taz | Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Versetzung des AfD-Richters Jens Maier in den Ruhestand bestätigt. Wenn der Ex-AfD-Abgeordnete wieder als Richter arbeiten würde, wäre das Vertrauen in die Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit der Justiz beeinträchtigt, entschied das Dienstgericht des Bundes beim BGH am Donnerstag. Der inzwischen 61-jährige Jurist Jens Maier arbeitete seit 1992 für die sächsische Justiz. 2017 wurde er für die AfD in den Bundestag gewählt. Bei der nächsten Wahl verpasste er knapp den Wiedereinzug und wollte wieder als Richter arbeiten.

Die sächsische Justizministerin Katja Meier (Grüne) versuchte das zu verhindern und beantragte eine Versetzung von Maier in den Ruhestand. Sie müsse eine „schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege“ abwehren. Er konnte Mitte März 2022 noch zehn Tage am Amtsgericht Dippoldiswalde arbeiten, dann untersagte ihm das Richterdienstgericht Leipzig die Dienstgeschäfte. Im Dezember 2022 versetzte das gleiche Gericht Maier – wie von der Ministerin beantragt – in den Ruhestand.

Das Dienstgericht des Bundes lehnte nun nicht nur die Revision ab. Es bestätigte auch ausdrücklich den von der sächsischen Justizministerin gewählten Weg einer präventiven Pensionierung. Die zugrundeliegende Norm – Paragraf 31 im Deutschen Richtergesetz – war bisher selten genutzt worden, etwa bei Richtern mit Kontakten in die Organisierte Kriminalität.

Laut BGH muss ein Richter „jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes“ eintreten, erklärte Rüdiger Pamp, der Vorsitzende Richter des Dienstgerichts. Diese Formel wurde auch bei Berufsverboten gegen Ex­tre­mis­t:in­nen in den 1970er Jahren benutzt. Eine präventive Versetzung in den Ruhestand hält der BGH bei Maier für gerechtfertigt, weil er sächsischer Obmann beim AfD-Flügel war, den der Verfassungsschutz bis zu seiner formalen Auflösung als „gesichert rechtsextremistische Strömung“ einstufte.

Maier sieht sich nicht als Gefahr für sächsische Justiz

Gegen die Erwartung, Maier werde künftig sein Amt unabhängig und vorurteilsfrei ausüben, spricht laut BGH auch ein Tweet, der 2019 von Maiers Twitter-Account veröffentlicht wurde: „Wenn Angeklagte ‚AfD-Richter‘ fürchten, haben wir alles richtig gemacht.“ Zwar behauptete er, der Tweet stamme von einem Mitarbeiter, doch er distanzierte sich nicht. Maier sei nicht Opfer einer „künstlich erzeugten Empörung“, geworden, so Pamp, sondern habe sie mit seinen Äußerungen selbst erzeugt, etwa indem er die NS-Aufarbeitung als „Schuldkult“ bezeichnete, mit dem endlich Schluss sein müsse.

Anwalt Jochen Lober hatte vor allem argumentiert, dass Jens Maier zwischen Herbst 2017 und Herbst 2021 gar kein Richter war, sondern Abgeordneter. Die meisten beanstandeten Äußerungen seien unverwertbar, weil Maiers Richterpflichten in dieser Zeit ruhten. Darauf komme es aber nicht an, so der BGH. Entscheidend sei vielmehr der Eindruck, Maier werde künftig sein Verhalten als Richter an seinen persönlichen Ansichten statt an Rechtstreue, Objektivität und Allgemeinwohl ausrichten.

Maier nahm an der Verhandlung persönlich teil und ergriff auch das Wort. Er beklagte sich, dass er „verteufelt“ werde. Als Gefahr für das Ansehen der sächsischen Justiz sehe er sich nicht. „In Dippoldiswalde wählen 35 Prozent der Leute AfD. Wenn ich dort rede, vertrete ich Volkes Meinung.“ Seine Versetzung in den Ruhestand ist keine Strafe und keine Disziplinarmaßnahme für Verfehlungen, sondern eine präventive Maßnahme. Maier bekommt weiterhin sein Ruhestandsgehalt von einigen Tausend Euro pro Monat.

Das aber soll nicht so bleiben. Justizministerin Katja Meier hat Ende Juli zusätzlich noch ein Disziplinarverfahren gegen Maier eingeleitet, mit dem Ziel, ihn ganz aus dem Richteramt zu entfernen. Wann das Richterdienstgericht in Leipzig darüber entscheidet, ist noch offen.

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12 Kommentare

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  • Beifang! Über den Einzelfall hinaus!

    Wenn auch früher schon mal in der taz verlinkt -



    Beitrag Andreas Fischer-Lescano -



    22 November 2022



    “Kein Ruhestand für AfD-Richterin



    Berliner Dienstgericht erschwert Vorgehen gegen Rechtsextreme…



    Wie ein Mantra beschwört die deutsche Rechtspolitik ihren Einsatz gegen Rechtsextremismus im Öffentlichen Dienst.…



    Doch diese Entschlossenheitsbeteuerungen und Aktionspläne bleiben politische Parolen, die in den Gerichtssälen nicht selten ungehört verhallen. Zu den vielen Beispielen für diese nur schwer erträgliche Diskrepanz aus politisch Gebotenem und rechtlicher Faktizität…“: Verfahren AfD-Richterin Birgit Malsack-Winkemann.



    & aE



    … Wie das Berliner Richterdienstgerichts § 31 DRiG auf Rechtsextreme bei Gericht anwendet, geht von einem völlig falschen Rechtsmaßstab aus. Das Gericht schweigt sich daher zu der relevanten Tatsachenfrage aus, ob sich Birgit Malsack-Winkemann den rechtsextremen Verfassungsfeinden in der AfD in einer Weise entgegengestellt hat, die Zweifel an ihrer Verfassungstreue ausräumen können.

    Wenn die Berliner Entscheidung Schule macht, ist die Norm ihrer – auch noch so vorläufigen – Wirksamkeit beraubt. Daher bleibt zum einen zu hoffen, dass die Berliner Justizsenatorin gegen diesen Urteilsspruch der Berliner Justiz Rechtsmittel einlegen wird. Zum andern richtet sich der Blick nun nach Leipzig, wo das Sächsische Richterdienstgericht am 01. Dezember in der Sache Jens Maier mündlich verhandelt. Das Gericht hatte für die vorläufige Untersagung der Amtsgeschäfte nach § 35 DRiG zwingende Gründe gesehen (Sächsisches Dienstgericht für Richter, Beschl. v. 24.03.2022, 66 DG 1/22). Es ist zu hoffen, dass auch die Entscheidung zu § 31 DRiG in diesem Sinne ausfallen wird – und dass das Leipziger Gericht der unzulänglichen Maßstabbildung des Berliner Dienstgerichts eine am Grundgesetz orientierte Ausdeutung der Pflicht zur Verfassungstreue entgegensetzen wird.



    verfassungsblog.de...fur-afd-richterin/

  • Angesichts der Unfähigkeit zu argumentieren, ist das verständlich: 35% für seine Partei, bedeutet fast zwei Drittel für die „Altparteien“, oder? Das ist nicht „Volkes Stimme“, sondern eine Minderheit!



    Daneben wollte er doch angeblich wieder Richter werden, dann soll er aber Recht sprechen, nicht mit Volkes Stimme reden – es sei denn, an einem Volksgerichtshof.



    Insofern bin ich überzeugt, dass der feine Herr seine Schäfchen im Trockenen hat und hier noch einmal versuchen wollte, die Justiz vorzuführen.



    Das Urteil ist gut so und die Presse täte gut daran, solche Widersprüche aufzudecken, oder wenigstens auf sie hinzuweisen und an sie zu erinnern. Reductio ad absurdum statt Normalisierung.

  • Also wenn mich jemand fragen würde: Ich sehe mich schon als Gefahr für die sächsische Justiz.

  • Zuletzt wurde ein Wilhelm Stäglich wegen Völkermordleugnung und NPD-Mitgliedschaft zwangsverrentet. Er war Richter am Finanzgerichtshof Hamburg



    de.wikipedia.org/w...helm_St%C3%A4glich

  • Einfach mal - weil über den Tag hinaus weisend - wirken lassen!



    “…Das Dienstgericht des Bundes hat in seiner heutigen Entscheidung wesentliche Rechtsgrundsätze dazu aufgestellt, unter welchen Voraussetzungen die politische Betätigung eines Richters seine Versetzung gemäß § 31 DRiG im Interesse der Rechtspflege rechtfertigen kann.

    Danach kommt eine solche Versetzung grundsätzlich in Betracht, wenn der Richter nicht mehr die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintreten wird. Das gilt nicht nur für die Berufung in das Richterverhältnis, sondern ist dauernde Voraussetzung für die Ausübung des Richteramts auf der Grundlage des Grundgesetzes. Auf dem Boden des Grundgesetzes ist unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung des Richteramts die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Richters. Tatsachen, die eine Versetzung nach § 31 DRiG rechtfertigen, liegen danach im Falle einer politischen Betätigung des Richters vor, wenn er sich in herausgehobener Stellung bei einer politischen Gruppierung betätigt, die Grundlagen des demokratischen Verfassungsstaats ablehnt. Weiter rechtfertigen Tatsachen eine Versetzung des Richters, wenn er durch sein Auftreten in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, er werde aus politischen Gründen sein künftiges dienstliches Verhalten an seiner persönlichen Einschätzung und nicht mehr allein an den Gesichtspunkten der Sachrichtigkeit, Rechtstreue, Gerechtigkeit, Objektivität und dem Allgemeinwohl ausrichten.



    Ausgehend hiervon hat das Dienstgericht aus den von ihm festgestellten, vom Antragsgegner stammenden oder ihm zuzurechnenden Äußerungen und Verhaltensweisen im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung rechtsfehlerfrei den Schluss gezogen, dass das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Person und die Amtsführung des Antragsgegners in hohem Maße beeinträchtigt sei …ff Rest



    www.bundesgerichts.../2023/2023167.html

    • @Lowandorder:

      ff & Rest

      “…und seine weitere rechtsprechende Tätigkeit den Eintritt eines schweren Schadens für das Ansehen der Rechtspflege besorgen lasse, die sein Verbleiben im Richteramt ausschließe.

      Rechtsfehlerfrei maßgeblich berücksichtigt hat das Dienstgericht dabei insbesondere die Eigenschaft des Antragsgegners als Obmann für Sachsen im sogenannten Flügel der AfD, Äußerungen auf Parteiveranstaltungen in Dresden am 17. Januar 2017 und 21. August 2017 und zwei vom offiziellen Twitter-Account des Antragsgegners abgesetzte Tweets.

      Die Anwendung des § 31 Nr. 3 DRiG ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil einige der vom Antragsteller zur Begründung seines Antrags vorgetragenen und vom Dienstgericht festgestellten Tatsachen in den Zeitraum fielen, in dem der Antragsgegner Mitglied des Deutschen Bundestages war und seine Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis als Richter ruhten.

      Das Dienstgericht hat zudem rechtsfehlerfrei unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf die schärfste Maßnahme der Versetzung des Antragsgegners in den Ruhestand erkannt.“

      ebenda =>



      “Bundesgerichtshof - Dienstgericht des Bundes - bestätigt die Zulässigkeit der Versetzung eines Richters in den Ruhestand

      Ausgabejahr



      2023

      Erscheinungsdatum



      05.10.2023

      Nr. 167/2023

      Urteil vom 5. Oktober 2023 - RiZ(R) 1/23“

  • "Berufsverbot für AfD-Richter Maier" - Diese Schlagzeile ist reißerisch und bestenfalls irreführend, schlimmstenfalls falsch!



    Das Dienstgericht des Bundes beim Bundesgerichtshof hat kein Berufsverbot gegen Jens Maier ausgesprochen, sondern nur seine Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand bestätigt. Als Berufsverbot wäre bestenfalls eine mögliche Entfernung aus dem Richteramt anzusehen, die das Ziel des Disziplinarverfahrens gegen ihn vor dem Richterdienstgericht in Leipzig ist, dessen Entscheidung aber noch aussteht.

  • Wie schrecklich, jetzt muss er von seiner fetten Pension leben...

  • Um eine fundierte Meinung bilden zu können, wäre es schön zu wissen wann er in die AFD eingetreten ist, welche Rolle er beim Aufbau des rechtsextremen Flügels gespielt hat, wann der verfassungsschutz den Flügel als rechtsextrem klassifiziert hat, und wann er wieder Richter werden wollte.

    • Christian Rath , Autor des Artikels, Rechtspolitischer Korrespondent
      @MartinSemm:

      Maier ist 2013 in die AfD eingetreten. Er war Obmann des "Flügels" in Sachsen. Das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz hat den Flügel im März 2020 als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft (vorher galt er als Verdachtsfall). Maier wollte im Frühjahr 2022 wieder Richter werden.

      • @Christian Rath:

        Danke

    • @MartinSemm:

      Hm. Wennse mal zu den Ausführungen von Herrn Christian Rath - sich die eingerückte Pressemitteilung des BGH vergegenwärtigen - ist mir Ihr subtiles Erkenntnisinteresse - bezogen auf “darf sone rechte Socke weiter Rechtsprechen - doch etwas nebulös! Woll. Denn.



      Dem BGH hat ganz offensichtlich - wie den Vorinstanzen auch - das dargelegte dafür völlig gereicht! Newahr.



      &



      Mit Verlaub - mir auch! Gelle.



      Normal •