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Bürgerschaftswahl in HamburgSPD verspricht einfach allen alles

André Zuschlag
Kommentar von André Zuschlag

Ein Konflikt zwischen Auto- und Radverkehr? Gibt es gar nicht, meint die SPD in ihrem Wahlprogramm – und verspricht, einfach alle glücklich zu machen.

Kaum Platz da: Räder und Autos eng an eng in Hamburg Foto: Christian Charisius/dpa

E s klingt aber auch verlockend: Alle Widersprüche sind mit der Hamburger SPD aufzulösen, mit ihr an der Macht gelinge es Hamburg gar, „Gegensätzliches und Vielfältiges zu neuer Stärke“ zu vereinen. Und so zieht sich dieser fromme Wunsch durchs gesamte, am Wochenende beschlossene Wahlprogramm für die Bürgerschaftswahl im März – zeigt aber im Konkreten doch nur, dass das kaum mehr als antiquierte Hoffnungen sind.

So glauben die Genoss:innen, dass die Verkehrswende ohne jeglichen Konflikt vonstatten gehen kann, wenn nur die SPD sie organisiert. „Wir als SPD sehen die einzelnen Verkehrsmittel nicht in Konkurrenz zueinander, sondern vereinen diese zu einem sinnvollen Gesamtkonzept, von dem alle profitieren“, versprechen sie.

Und weil die Grünen ja nur vom Rad-, Bus- oder U-Bahn-Verkehr reden, will die SPD die Interessen der Hamburger Au­to­fah­re­r:in­nen nicht allein der CDU überlassen. Gleich einen ganzen „Masterplan Parken“ verspricht sie für die Zeit nach der Wahl, der unter anderem aus einem Moratorium für den Abbau von Parkplätzen bestehen soll – solange, bis der Parkdruck durch wundersame Lösungen gelindert ist.

Aber der Platz für den Fuß- und Radverkehr soll natürlich auch weiter ausgebaut, modernisiert und verbessert werden.

Alte SPD-Hoffnungen zünden nicht

Es wäre natürlich hübsch, wenn immer alle alles bekämen, wovon sie gern mehr hätten. Die einen eine große Parkplatzauswahl in dicht besiedelten Stadtteilen; die Rad­fah­re­r:in­nen ihre sicheren Velorouten und die Fuß­gän­ge­r:in­nen ihre breiten Fußwege. Nur ist der Verkehrsraum in einer Stadt begrenzt – in einer immer dichter bebauten Großstadt wie Hamburg umso mehr. Ach ja: Munter weiter viele neue Wohnhäuser bauen, das will die SPD auch irgendwo in der Stadt noch – natürlich aber ohne weitere Grünflächen zu versiegeln.

Genauso wie beim Wohnraum zeigt sich auch beim Verkehr, dass die alten SPD-Hoffnungen nicht zünden: Mit dem Bau einer neuen U-Bahn-Linie und der Planung für eine weitere unterirdische S-Bahnlinie versucht der SPD-geführte Senat zwar noch mit viel Geld, dem Mobilitätskonflikt aus dem Weg zu gehen. Doch weder hat Hamburg angesichts der selbst gesteckten Klimaziele, die in zwei Jahrzehnten erreicht sein sollen, zusätzliche Zeit für jahrzehntelange Planungen solcher Großprojekte. Noch dürften Milliarden für weitere solcher Lösungen in den kommenden Jahren aufzutreiben sein.

Es wird kein Weg daran vorbeiführen, dass der Rad- und Fußverkehr mehr Platz bekommen muss, wie auch der ÖPNV. Und das wird entweder zulasten von Aut­ospuren oder eben von Parkplätzen gehen.

Ein Wahlkampf lässt sich mit so hübschen Versprechen vielleicht noch gewinnen. Zu behaupten, dass die Verkehrsmittel nicht in Konkurrenz zueinanderstehen und dass sich Probleme dann mit „ruhiger Hand“, für die sich die Hamburger SPD so rühmt, lösen ließen, ist aber geradezu absurd.

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André Zuschlag
Redakteur taz nord
Jahrgang 1991, hat Politik und Geschichte in Göttingen, Bologna und Hamburg studiert. Von 2020 bis August 2022 Volontär der taz nord in Hamburg, seither dort Redakteur und Chef vom Dienst. Schreibt meist über Politik und Soziales in Hamburg und Norddeutschland.
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5 Kommentare

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  • „Wir als SPD sehen die einzelnen Verkehrsmittel nicht in Konkurrenz zueinander, sondern vereinen diese zu einem sinnvollen Gesamtkonzept, von dem alle profitieren“.

    So funktioniert das aber nicht, und schon gar nicht mit der dringenden Verkehrswende. Die Autos müssen zunächst einmal aus der Hamburger Innenstadt verbannt werden, und dann muss wieder eine Straßenbahn in Hamburg her. "Es wird kein Weg daran vorbeiführen, dass der Rad- und Fußverkehr mehr Platz bekommen muss, wie auch der ÖPNV.", schreibt die taz ja ganz richtig. Aber man macht lieber weiterhin Verkehrspolitik aus dem 20. Jahrhundert (die konservative "= am Hergebrachten festhaltende" CDU ja ohnehin), und hofft wohl dabei, dass solche Meldungen von den Bürgern nicht beachtet werden: "Die Zahl der Verkehrstoten in Hamburg ist auf einem Höchstwert." [Radio Hamburg, Oktober 2024]

  • Natürlich geht das verkehrspolitisch nicht auf, aber leider versprechen die anderen Parteien auch die 'Lösung'.



    Da ist die SPD nicht alleine. Bislang ergibt die Kombi aus Baustellen, U-Bahnbau und maroden Brücken etc. eher Chaos. Für alle dann wenigsten Radfahrer, Autofahrer, Fußgänger und LKWs. In der Hinsicht ist die Stadt mal gerecht.

  • bei uns in eimsbüttel tobt immer auf der plattform nebenan.de ein erbitterter kampf wg. rad, fußgängerInnen +autofahrenden. stellt das bezirksamt mehr rad-bügel auf, beschweren sich die autofahrenden bitterlich, diese sind immer unbelehrbar + kommen mit abstrusesten argumenten.



    die wirklichkeit ist brutalst: wagst du dich als alte, behinderte frau auf dem rad in den eppendorfer weg oder die osterstr., erlebst du in 20 min. jeweil mindestens 10 verstöße gegen die stvo von autofahrenden aber auch kampfradlerInnen. teilblinde fußgeängerInnen mit handy vor den augen, blind über die straße laufend - weiß ich, ob sie mir ausweichen?



    autos mit 20 cm abstand - was schert diese idiotInnen die stvo???



    radfahrende dito. daß das eine alte kranke frauin angst +schrecken versetzt: schert die einen scheißdreck.



    die spd mit ihren ausgleichsgesäusel: legt euch gehackt. die realität sieht so aus: autos sind potentielle totschlags-instrumente.



    es hilft nur eines: dem pariser beispiel zu folgen. das tut die spd mit nichten.

  • In Hamburg södert die SPD!

  • Wie man die Widersprüche scheinbar löst, haben die Genossen in Lüneburg gerade gezeigt:



    Einen "Nachhaltigen urbanen Mobilitätsplan" mit umfangreicher Bürgerbeteiligung vor der letzten Kommunalwahl angeschoben.



    Jetzt - vielleicht auch wegen der verlorenen Oberbürgermeisterwahl - das Ergebnis abgelehnt. Im Amtsdeutsch "zur Kenntnis genommen" und gleich eine Ausgabensperre gegen diesen Plan für zwei Jahre zusammen mit CDU und FDP durchgedrückt.



    Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, in denen die SPD forderte, kein Deutscher solle es weiter als 6 km zur nächsten Autobahnauffahrt haben...



    Fazit: Die SPD ist und bleibt Autopartei.