Bürgerschaftswahl in Bremen: Mit Schrot gegen die Wahlen
Gegen ihren Ausschluss von der Bremen-Wahl hat die AfD drei Klagen eingereicht. Das ist Propaganda pur: Zulässig sind nur nachträgliche Anfechtungen.
U iui, jetzt aber: Mit gleich drei Klagen will ein Teil der AfD in Bremen die Bürgerschaftswahl am 14. Mai stoppen. Die Partei hat sich um ihr passives Wahlrecht gebracht, indem zwei konkurrierende Vorstände konkurrierende Listen eingereicht hatten, obwohl jeder Partei ja nur eine pro Wahlbereich zusteht. Nacheinander haben Wahlamt, Wahlbereichs- und Landeswahlausschuss diesen Mangel für unheilbar erklärt.
Ein Rechtsweg ist nach den geltenden Verfahrensregeln möglich. Aber – das kann man aus guten Gründen doof finden, bloß ist es einfach so – in Bremen eben erst nach der Wahl. Mal schauen, ob sich Verwaltungsgericht, Wahlprüfungsgericht oder gar der Staatsgerichtshof darüber hinwegsetzen und die Klage entgegen geltendem Recht zulassen. Persönlich würde ich mal tippen: Nö.
Es ist nicht so, dass alle Beschwerden der AfD gegen ihren Ausschluss von vornherein aussichtslos wären. Im Gegenteil: Bremerhaven auszuschließen, weil man nicht mit Sicherheit weiß, welcher Vorstand nun wirklich für die AfD Bremen sprechen darf, ist vermutlich keine gute Idee gewesen.
In Bremerhaven gab es nur eine Liste. Die Einberufung der Wahlversammlung war wohl regulär und laut Wissenschaftlichem Dienst des Bundestags spricht „vieles dafür“, dass die ordnungsgemäße Bestellung des Vorstands „für die Gültigkeit der Kandidatenaufstellung nachrangig ist“. Gerichtlich entschieden wurde ein solcher Fall noch nie.
Demokratiefeindliche Propaganda-Show
Der Zeitpunkt der Klagen aber macht klar: Hier will nicht wirklich jemand eine Rechtsfrage geklärt haben. Im Gegenteil: Die AfD selbst hat keinen Plan, wer zuständig sein könnte, und begründet damit, dass sie ihre Schriftsätze maximal über die diversen Gerichte und Instanzen streut.
Das entlarvt den Vorstoß als querulatorische Propaganda-Show: ein Angriff per Schrotflinte aufs Wahlsystem. Ein paar Verletzte gibt es immer. So macht man Demokratie und ihre Institutionen verächtlich. Das scheint das eigentliche Ziel dieser Leute.
Niederschmetternd: Allen Erhebungen zufolge schaden weder die offenkundige innere Zerrüttung noch die kaum verhohlene Demokratiefeindlichkeit der AfD unmittelbar. Dem Institut Wahlkreisprognose zufolge wurden ihr in Bremen sogar nach dem Wahlausschluss höhere Kompetenzwerte zugesprochen als einen Monat zuvor. Wähler*innen sind seltsame Wesen und unergründlich ist ihre – na, Weisheit lässt sich dieses Verhalten kaum nennen.
Aber im Grunde macht gerade seine Paradoxie auch Mut. Denn sollte eines fernen Tages die AfD mit einer Anfechtung der Wahl in Bremerhaven Erfolg haben und dort eine Wiederholung anstehen, wäre es in dieser verqueren Logik folgerichtig, die AfD abzustrafen. Schließlich hätte sie erstens etwas auf die Reihe gebracht und zweitens die demokratische Zumutung verursacht, erneut seine Stimmen abzugeben. Auf diese Konsequenz im Irrsinn jedenfalls lässt sich vernünftig hoffen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass