Bürgerrechtlerin in Hongkong: Chow Hang-tung erneut verurteilt
Die Aktivistin hatte zum Gedenken an das Tiananmen-Massaker von 1989 aufgerufen. Nun wurde ihre bereits bestehende Haft verlängert.
Währenddessen bleiben diejenigen, die das Massaker anordneten, ausführten und bis heute rechtfertigen, nicht nur weiter straffrei, sondern werden jetzt sogar vor Kritik geschützt. Sie haben jetzt amtlich, dass in Hongkong das Gedenken an die Tötung von Hunderten Aktivist*innen in Peking 1989, das sogenannte Tiananmen-Massaker, schlimmer ist als das Massaker selbst.
Genau das hat Chow so vehement wie letztlich vergeblich zu verhindern versucht. Die 36-jährige Hongkonger Anwältin und Demokratieaktivistin war seit Dezember 2015 Vizevorsitzende der „Hongkonger Allianz zur Unterstützung der patriotischen demokratischen Bewegungen in China“. Die Organisation mit dem sperrigen Namen, die in Hongkong nur „die Allianz“ genannt wird, hat seit 1989 jedes Jahr am Jahrestag 4. Juni mit Kerzen des Pekinger Massakers gedacht.
Es nahmen immer mehrere Zehntausend bis Hunderttausende Menschen teil. Chow selbst war zur Zeit der blutigen Niederschlagung von Chinas Demokratie- und Studentenbewegung erst vier Jahre alt. Doch in Hongkong galt das Gedenken stets als Zeichen der Autonomie wie des eigenen Wunsches nach Demokratie. Peking dagegen merzte die Spuren des Massakers wie jegliches Gedenken daran im Rest der Volksrepublik aus.
Behörden nutzen Coronapandemie als Vorwand
Chow hatte ursprünglich Geophysik studiert, dann aber die Menschenrechte als ihre Berufung entdeckt. So begann sie als Juristin, Hongkongs autonomes rechtsstaatliches System gegenüber Chinas Parteidiktatur zu verteidigen. Weil die bisherigen Führer der Allianz, der Gewerkschafter Lee Cheuk-yan und der Anwalt Albert Ho, nach der Niederschlagung der Hongkonger Demokratiebewegung ab 2020 schon im Gefängnis saßen oder angeklagt waren, übernahm sie es, an den Jahrestagen 2020 und 2021 zum Gedenken aufzurufen. Doch die Behörden nutzten die Coronapandemie als Vorwand, um das ihnen unliebsame Gedenken zu verhindern und Aufrufe dazu zu kriminalisieren.
Weil Chow dazu mehrfach aufgerufen hatte und dabei ihr Recht auf freie Meinungsäußerung betonte, wurde sie in zwei Verfahren verurteilt, zuletzt am Dienstag, zu nun insgesamt 22 Monaten Haft. „Die Botschaft dieses Urteils ist, dass das Anzünden einer Kerze schuldig macht, dass Worte schuldig machen“, sagte sie vor Gericht. „Der einzige Weg, Redefreiheit zu verteidigen, ist, sich zu äußern.“ Das wahre Verbrechen sei, „Mörder mit Gesetzen zu decken und Opfer im Namen des Staates auszuradieren“.
Bereits im September hatte Chow nach Razzien und ersten Verurteilungen bisheriger Führer die Selbstauflösung der Allianz mit beschließen müssen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga