Bürgerkrieg in Syrien: Beschuss von Kliniken als Strategie
Die syrische und die russische Luftwaffe sollen gezielt Krankenhäuser angegriffen haben. Das sagt Amnesty International in einem Bericht.
AI habe „zwingende Beweise“ für mindestens sechs vorsätzliche Angriffe auf medizinische Einrichtungen in von Oppositionsmilizen kontrollierten Gebieten der Provinz Aleppo in den vergangenen zwölf Wochen, heißt es in dem Bericht. Die Angriffe hätten zum Ziel gehabt, den Vormarsch regierungstreuer Truppen im Norden der Stadt zu erleichtern. Dabei seien mindestens drei Zivilisten getötet worden, darunter ein Mediziner. 44 Menschen seien verletzt worden.
„Syrische und russische Kräfte haben Gesundheitseinrichtungen absichtlich angegriffen und damit das humanitäre Völkerrecht eklatant verletzt. Aber wirklich ungeheuerlich ist, dass das Zerstören von Kliniken Teil ihrer Militärstrategie geworden zu sein scheint“, erklärte Tirana Hassan, Direktorin für Krisenreaktion in der Londoner Zentrale von AI. MitarbeiterInnen von Kliniken und Gesundheitsposten hätten „immer wieder die Überzeugung geäußert“, dass die Truppen vor einer Bodenoffensive offensichtlich die Bevölkerung vertreiben wollten und dazu Krankenhäuser und Infrastruktur zerstörten.
„Damit wurde eine Lebensader für die Menschen in diesen umkämpften Gebieten gekappt, was ihnen keine andere Wahl ließ, als zu fliehen“, erklärte die AI-Vertreterin. In keinem Fall habe es den Augenzeugen zufolge in der Nähe der angegriffenen Gesundheitseinrichtungen Militärfahrzeuge, Kontrollposten oder gegnerische Kämpfer gegeben. Die Regierungen Russlands und Syriens reagierten zunächst nicht auf die Vorwürfe von AI.
UNO bereitet Resolution gegen die Angriffe vor
Wegen der jüngsten Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen nicht nur in Syrien, sondern auch im Jemen und in Afghanistan arbeiten die fünf nichtständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats, Neuseeland, Japan, Spanien, Ägypten und Uruguay, derzeit an einem gemeinsamen Entwurf für eine Resolution des Rats zur Verurteilung derartiger Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht.
Nach Angaben von Ärzten ohne Grenzen (MSF) wurden allein in Syrien im vergangenen Jahr 63 von der Organisation unterstützte Kliniken attackiert. Im Jemen wurden demnach mindestens drei MSF-Einrichtungen beschossen. Bei einem US-Luftangriff Anfang Oktober auf ein Krankenhaus der Hilfsorganisation in der nordafghanischen Stadt Kundus wurden 42 Menschen getötet. Die US-Armee sprach später von einem „menschlichen Fehler“.
MSF befürwortete die Initiative der Ratsmitglieder. Solange die Weltgemeinschaft die Angriffe nicht verurteile, drohten diese „zur Normalität zu werden“, erklärte MSF-Chef Jason Cone.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett