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Bürgerkrieg in LibyenGaddafis Truppen gewinnen an Boden

Die Rebellen werden sowohl in Sawija als auch in Ras Lanuf von Regierungstruppen zurückgedrängt. Die internationale Gemeinschaft ist noch nicht einig über ein Eingreifen in Libyen.

In Sidra ist eine Ölanlage getroffen worden. Bild: dapd

TRIPOLIS/WASHINGTON dpa/rtr/dapd/afp | Die libyschen Regierungstruppen sind weiter auf dem Vormarsch. Die Machthaber Muammar Gaddafi ergebenen Soldaten schlossen am Mittwoch die nahe Tripolis gelegene Stadt Sawija ein und standen kurz vor deren Einnahme. Auch im Osten, in Ras Lanuf, verschlechtert sich die Lage der Aufständischen. Gaddafi schimpfte in einer Rede auf die Aufständischen und den Westen. Er warnte zudem Griechenland vor einer Intervention, während die internationale Gemeinschaft weiter über ein Eingreifen in Libyen und eine Flugverbotszone diskutiert.

Rebellen und Einwohner sprachen von einer verzweifelten Lage in Sawija. Mit Panzern und Scharfschützen drangendie Regierungstruppen fast bis zum zentralen Platz der Stadt vor. "Wir können die Panzer sehen. Überall sind Panzer", sagte ein Aufständischer. Die Regierungstruppen stünden noch 1500 Meter vom Hautplatz entfernt. Dieser sei von Panzern und Scharfschützen umstellt. Überall lauerten Präzisionsschützen. Sie schössen auf jeden, der sich aus dem Haus traue. "Es gibt viele Tote, die nicht begraben werden können", sagte ein Kämpfer. Die Stadt im Westen Libyens sei verlassen. "Niemand ist auf der Straße. Keine Tiere. Nicht einmal Vögel sind am Himmel."

Ein Regierungssprecher in Tripolis sagte, etwa 30 bis 40 Kämpfer leisteten den Soldaten Widerstand. Sie hätten auf Straßen und auf dem Friedhof Zuflucht gesucht. "Sie sind verzweifelt." Das staatliche Fernsehen berichtete, die Bewohner der Stadt hätten ihre Unterstützung für die Regierung demonstriert und seien in kleinen Gruppen zum Hauptplatz gezogen. Das Fernsehen zeigte davon aber keine Bilder. Ausländische Journalisten konnten die Angaben nicht nachprüfen. Sie dürfen die Städte in der Nähe von Tripolis ohne Begleitung nicht besuchen.

Ernüchterung im Osten

Auch im Osten, wo Stellungen der Rebellen massiv bombardiert wurden, ist die revolutionäre Begeisterung der Ernüchterung gewichen. Gaddafis Truppen griffen den wichtigen Ölhafen Ras Lanuf und dessen Umgebung mit Panzern und Raketen an, berichtete ein Kämpfer. "Das ist nicht gut." Auch die Luftwaffe nahm Stellungen der Rebellen unter Feuer. Beide Seiten warfen einander vor, Ölanlagen gesprengt zu haben.

Nach Angaben der Aufständischen wurde der Öl-Hafen Al-Sidra von Gaddafis Truppen am Mittwoch unter Beschuss genommen und schwer beschädigt. Die Rebellen meldeten außerdem, in Al-Sidra und Bin Dschawwad seien am Mittwoch vier ihrer Kämpfer getötet worden. Ein Sanitäter sagte: "Es gibt viele Schwerverletzte." Die Truppen von Gaddafi hätten Kampfflugzeuge und Artillerie eingesetzt. Ein Öl-Lager sei von ihnen bombardiert worden. Das libysche Staatsfernsehen meldete dagegen, die Rebellen hätten ein Öl-Depot angezündet.

Aufständische in Bengasi berichten am Mittwoch, dass die ostlibysche Stadt Bin Dschawad wieder unter Kontrolle der Rebellen ist. Die Rebellen riefen die Weltgemeinschaft angesichts der Lufthoheit Gaddafis zur Einrichtung einer Flugverbotszone auf. Diese zeichnete sich weiterhin nicht ab.

Deutschland forderte stärkere Sanktionen

Derweil gehen die Debatten um mögliche Eingreifszenarien der EU und Nato weiter. Der deutsche Außenamtssprecher Andreas Peschke sagte in Berlin, die Regierung habe in der EU darauf gedrungen, "noch stärkere gezielte Sanktionen gegen Libyen zu verabschieden. Wir sind hier auf einem ganz guten Weg". Eine Flugverbotszone sei "eine der Optionen, die auf die Tisch liegen". Eine Verengung der Debatte auf eine solche Option sei der Sachlage allerdings "nicht ganz angemessen", sagte er.

Peschke erklärte, voraussichtlich könnten schon am Donnerstag beim Treffen der EU-Außenminister in Brüssel erste Beschlüsse für schärfere Sanktionen gefasst werden. Das Treffen soll den EU-Sondergipfel zur dramatischen Lage in dem nordafrikanischen Staat vorbereiten, zu dem die Staats- und Regierungschefs einen Tag später anreisen.

Ein Vertreter von Gaddafi ist zu Gesprächen nach Portugal gereist. Der Gesandte werde mit Vertretern der portugiesischen Regierung zusammenkommen, sagte ein EU-Diplomat der Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch in Brüssel. Demnach war ein Treffen mit Portugals Außenamtschef Luis Amado geplant, bevor die EU-Außenminister am Donnerstag zur Vorbereitung des EU-Gipfels am Freitag zusammenkommen.

Auch US-Präsident Barack Obama und der britische Regierungschef David Cameron stimmten sich über die internationalen Bemühungen zur Beendigung der Gewalt in Libyen ab. Wie das Weiße Haus am Dienstagabend mitteilte, waren sich beide Seiten einig, Pläne für eine ganze Reihe "möglicher Antworten voranzutreiben", dies auch bei der Nato. Zu diesen Möglichkeiten gehörten humanitäre Hilfe, das Durchsetzen des Waffenembargos und eine Flugverbotszone.

Paris und London wollen mit einer Resolution im Weltsicherheitsrat die Einrichtung einer Flugverbotszone gegen die libysche Luftwaffe durchsetzen. Ein entsprechender Entwurf soll noch in dieser Woche im Sicherheitsrat eingebracht werden. Die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) forderte ebenfalls eine Flugverbotszone. "Zivilisten müssen vor Luftangriffen geschützt werden", sagte OIC-Generalsekretär Ekmeleddin Ihsanoglu. Zugleich lehne aber der Zusammenschluss von 57 Ländern jede militärische Intervention in Libyen ab.

Gaddafi droht und schimpft

In einem Telefonat mit dem griechischen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou hat Gaddafi am Mittwoch vor einer Intervention in Libyen gewarnt. Jede Einmischung werde Konsequenzen für Sicherheit und Stabilität im Mittelmeer haben, zitierten ihn griechische Medien am Mittwoch. Papandreou sagte demnach, das Problem in Libyen müsse schnell gelöst werden, damit es nicht zu einem Bürgerkrieg und einer humanitären Katastrophe kommt. Griechenland pflegte bislang gute Beziehungen zu Libyen.

Ein hochrangiger Offizier der libyschen Armee ist unterdessen in unbekannter Mission nach Ägypten geflogen. Das wurde am Mittwoch am Flughafen Kairo bekannt, wo seine in Tripolis gestartete Maschine vom Typ Falcon 900 am Mittag landete. Die halbamtliche griechische Nachrichtenagentur ANA hatte zuvor gemeldet, das Flugzeug habe sich etwa 14 Minuten lang im griechischen Luftraum aufgehalten.

In einer Rede vor Anhängern, die das libysche Staatsfernsehen am Mittwochmorgen ausstrahlte, beschimpfte Gaddafi die Übergangsregierung als Bande von "Verrätern". Er behauptete, die USA, Frankreich und Großbritannien hätten sich gegen Libyen verschworen, um die Öl-Felder unter ihre Kontrolle zu bringen.

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9 Kommentare

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  • RT
    Rainer Thor

    Ist denn das jetzt wirklich so?

     

    Rebelliert da ein armes, geknechtetes Volk gegen seinen Diktator? Hat Libyen nicht den höchsten Lebensstandard in ganz Afrika mit bislang eher geringen sozialen Spannungen? Ist das da wirklich mehr als eine von ein paar Stammesfürsten eingerührte Aktion, heimlich und offen unterstützt vom Westen, um an das Öl heranzukommen? Gaddfi schlug Uno-Inspektoren vor, was sofort abgelehnt wurde, man würde doch nicht die Propaganda des Diktators weiterleiten. Sind Un-Inspektionen in der Vergangenheit aufgefallen, die die Propaganda von Diktatoren weitergeleitet haben? Und falls ja: auch bei solchen, die der Westen nicht selbst eingesetzt hat? Ist dieser Vorwand dann nicht doch ein bißchen fadenscheinig?

    Ergreifen wir hier vielleicht vorschnell Partei, weil das so ähnlich aussieht wie in Tunesien und in Ägypten? Würde nicht gerade dieses "so ähnlich aussehen" und die Euphorie angesichts sich befreiender Menschen geradezu dazu einladen, da ein paar eigene Interessen unterzuschieben?

     

    Fühlen Sie sich über diesen Konflikt tatsächlich ausgewogen und ausreichend informiert, um einen Krieg zu beführworten? Hatte nicht Saddam am Ende doch nur Öl statt Massenvernichtungswaffen? Geheimer Labore? Und so weiter? Können wir uns noch einen Konflikt wie den Irak wirklich leisten?

    Haben wir aus dem Irak-Debakel eigentlich irgendwas gelernt? Auch zum Beispiel, als kritische Medien?

    Weiß eigentlich irgendein Journalist und alle, die ständig etwas meinen und Meinungen produzieren und andere Leute ohne eigenes Nachdenken meinen lassen, hier irgendetwas aus erster Hand?

     

    Bin ich der einzige, der sich diese Fragen stellt?

  • KK
    Karl Köter Mars

    Das nächste "9/11" wartet schon, wenn Lybien die sich auf Kreta sammelnden Marines bombardiert, was umgekehrt (Kuba oder so) ja schon längst passiert wäre. Hoffentlich steigt der Ölpreis ins unermesslich Unbezahlbare, damit wenigstens eine kleine Strafe für Gaddafis beste Freunde bleibt, denn ohne Autofahrer gäbe es auch keine Gaddafis: Schämt euch.

  • A
    andyconstr

    Natürlich sollte man auf Staaten hören, deren Demokratieverständnis mittlerweile missraten ist und die ihren persönlichen Vorteil aus dem korrupten Regime von Gaddafi ziehen würden, weil sie skrupellos sind.Genau die sind es die, die Bürgerrechte mit Füssen treten und ihre Degeneration und ihr Zerfall sei ihnen schon hier prophezeit.Genau die sind es die irgendwann keinen Fuß mehr auf den Boden internationaler Politik kriegen weil ihnen ihre ruchlose Klientel über den Kopf wachsen wird.Aber das sieht natürlich der Westen als Chance, in China wird die Korruptions.- und Vetternwirtschaft zur Lähmung führen und in Rußland den wirtschaftlichen Fortschritt abwürgen.

    Aber sicherlich kann man aus deren Statements nicht positive Impulse für eine positive Weltwirtscchaft ableiten, denn letztendlich wird eine Entscheidung zur Aktivität im Fall Libyens darüber mitentscheiden ob die arabischen Länder ein Produktivfaktor werden oder ob man sie im wirtschaftlichen Abseits verrotten lässt.

  • S
    Schulz

    Da ich den afrikan Kontinent selbst garnicht kenne...

    frage ich mich nur, ob die strategische Lage von Libyen und ein militaerischer Sieg von Gadaffi

    letztenendes... die gesamte Region wieder zurueck

    auf den Stand des letzten Jahres bringen

     

    von den 72 Std Ultimatum ist jetzt 1 Tag vorbei.

  • S
    Stefan

    Schöne und feige Rechtfertigungsstrategie von Guido! Warum nicht noch warten, bis die libysche Regierung ihr Okay zur Intervention gibt?

    Wen interessiert es, dass arabische Despoten zu einer grausamen Rache neigen?

    Vielleicht sollte man sich um eine Zustimmung bemühen und nicht abwarten. Ohje, das wäre ja aktive Politik.

    Damit kann man keinen Feigheits-Contest gewinnen.

  • P
    P.Haller

    Mich würde schon mal interessieren, was da in Libyen wirklich Sache ist.

    Auffällig ist, wie sich der Westen, hpts. natürlich die Amis und Engländer, sich für die armen, unterdrückten Menschen einsetzen wollen. Ein paar hunderte Kilometer weiter im Süden Afrikas gehen schon seit Jahren tausende Menschen zugrunde und eigentlich schert sich da keiner drum. Kann es sein, weil es da nichts zu holen gibt ??

     

    Jedenfalls fühle ich mich in Sachen Libyen völlig desinformiert, egal in welcher Zeitung ich was darüber lese. Das hat alles irgendwie einen Hauch von Propaganda ! Westlicher natürlich !

  • BG
    Bernd Goldammer

    Ich möchte die westlichen Politiker mal hören, wenn arabische Ölfürsten Flugverbotszonen über Europa ins Auge fassen würden. Mich wundert, dass Libyens Machthaber Gaddafi diese Behauptung erst jetzt offen ausspricht. Seit dem Irak Krieg weiß im Westen Jeder welche Absichten hinter dem Gut- Menschen Gefasel steht. Wie viele Leichen würde die Vernichtung libyscher Radarstationen , als Auftakt zur Errichtung von Flugverbotszonen, kosten? Und selbst wenn der mörderische Westen obsiegt. Die kleinbürgerlichen Schizos des Westens werden trotzdem höhere Tankstellenpreise zu zahlen haben. Weil unsere resignative Wahlbeteiligung die verrücktesten Politiker an die Macht brachte und bringt! Sie werden unseren Wohlstand durch Kriege zerstören. Darauf einen karnevalistischen Tusch!

  • J
    Jan

    "....Dienstagabend mitteilte, waren sich beide Seiten einig, Pläne für eine ganze Reihe "möglicher Antworten voranzutreiben", dies auch bei der Nato. Zu diesen Möglichkeiten gehörten humanitäre Hilfe, das Durchsetzen des Waffenembargos und eine Flugverbotszone."

     

    Es wird diskutiert, ob man ein Waffenembargo verhängt oder ob man humanitäre Hilfe leistet. Hallooo??? Wird hier wieder gewartet, ob Gaddafi nicht doch nich gewinnt? Man will es sich ja nicht mit einem wichtigen Öllieferanten verscherzen.

    Das man die Einrichtung einer Flugverbotszone abwägen muss, kann ich nachvollziehen. Aber das weiter Waffen an ein Regime geliefert werden, das brutal gegen das eigene Volk losgeht....was soll das?

  • B
    überrascht

    Es ist schon erstaunlich, dass jede Pöbelei und jede Provokation von arabischen Diktatoren hingenommen wird und jede Kritik an Ihnen oder ihren Landsleuten als faschistischer Rassismus ausgelegt wird.

     

    Ist nicht eher kolonialistischer Rassismus, nach dem Motto: "Lasst mal den Beduinenfürsten reden, der weiß es ja nicht besser in seiner archaischen Mentalität."