piwik no script img

Bürgergeld und solidarischer SozialstaatKeine Angst vor Schulden!

Kommentar von Federico Svezia

Schulden sind nicht nur volkswirtschaftlich sinnvoll, sondern auch nötig, um unsere solidarische Gesellschaft zu erhalten. Unser Autor erklärt warum.

Illustration: Zoë Matt-Williams

W er bietet mehr? Die CDU/CSU plant Entlastungen im Wert von 89 Milliarden Euro und die FDP sogar 138 Milliarden Euro. Kürzungen beim Bürgergeld sollen das mitfinanzieren.

Die Vorstellung, dass das funktionieren kann, beruht auf wirtschaftstheoretischen Annahmen, die längst überholt sind. Denn die Logik, dass man irgendwo sparen muss, wenn man anderswo mehr ausgeben möchte, gilt nicht für Staaten. Makroökonomisch ist es so: Wer beim Bürgergeld kürzt, der kürzt am Ende bei den Unternehmen. Denn wenn die Bürgergeldempfänger weniger Geld zum Ausgeben zur Verfügung haben, schrumpft der Umsatz der Unternehmen genau um die Höhe der Kürzung.

Unternehmen haben drei Möglichkeiten, dem zu begegnen: die Löhne zu kürzen, Arbeitnehmer zu entlassen oder anderweitig Kosten einzusparen. Für große, effiziente Unternehmen fällt Letzteres weg, die Alternativen sind indes verheerend. Fragen die Arbeitnehmer wegen ihres geringeren Gehalts zum Beispiel weniger nach, senken sie damit weiter den Umsatz der Unternehmen. Die Wirtschaft droht in eine Abwärtsspirale zu geraten.

Es bleibt nichts anderes übrig, als Schulden zu machen

Wird ein Unternehmen seine Produkte wegen fehlender Nachfrage nun nicht los, dann wird es auch keine Investitionen tätigen. Bleibt nur noch der Staat, um diese Nachfragelücke auszugleichen. Doch wenn der Staat mehr ausgeben möchte, bleibt ihm nichts anderes übrig, als Schulden zu machen. Bis heute besteht dabei die unsinnige Ansicht, Schulden seien schädlich und würden zu Steuererhöhungen führen.

Panterjugend zur Bundestagswahl 2025

Dieser Text ist Teil des Projekts taz Panterjugend: 26 junge Menschen zwischen 18 und 25 Jahren, Nachwuchs-journalist:innen, -illustrator:innen und -fotograf:innen, kommen im Januar 2025 zu digitalen Seminaren zusammen und im Februar zu einer Projektwoche in die taz nach Berlin. Gemeinsam entwickeln sie zur Bundestagswahl Sonderseiten für die taz – ein Projekt der taz Panter Stiftung.

Nehmen wir Japan, ein Land mit ähnlicher Wirtschaftsstärke wie Deutschland, das eine deutlich geringere Abgaben- und Steuerquote als wir hat. Kritiker werden einwenden, dass dafür die Staatsverschuldung von Japan auch rund viermal so hoch ist wie die von Deutschland. Dennoch hat Japan kein Bonitätsproblem. Und wenn die Wirtschaft wieder wächst, verringern sich auch die Staatsschulden.

Gerade in Deutschland wird aber bis heute oft die Neoklassik unterrichtet, eine in vielen Teilen widerlegte Wirtschaftstheorie, die Schulden ganz schlimm findet. Die meisten Menschen setzen sich mit diesen Themen leider nicht auseinander, obgleich die Frage der Staatsschulden für Wirtschaftswachstum und Wohlstand zentral ist.

Zurück zum Bürgergeld: Anders als viele denken, ist das Bürgergeld ein Nachfragestabilisator, der dafür sorgt, dass die Nachfrage eines Arbeitslosen nicht komplett wegbricht. Das Bürgergeld ist zudem ein wesentlicher Bestandteil unseres solidarischen Sozialstaats. Und wenn wir nicht möchten, dass die Gesellschaft bei uns auseinanderbricht, dann sollten wir dafür kämpfen, ihn zu erhalten. Das ergibt eben auch ökonomisch Sinn.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Die beste Lösung ist, Bürgergeldempfänger in Arbeit zu bringen.



    Im übrigen haben Schulden die unangenehme Begleiterscheinung, dass für sie Zinsen zu zahlen sind und dadurch der zukünftige Haushaltsspielraum eingeschränkt wird, bei hohen Zinsen



    Deutlich. Außerdem können Schulden auch für Investitionen



    ohne jeden Mehrwert eingesetzt werden, siehe 600 Mio.



    in ein Pleiteunternehmen wie Northvolt.

    • @behr Behr:

      Am sinnvollsten bringt man Arbeitslose in Arbeit, indem man die Binnennachfrage stärkt und so Anreize für Unternehmen schafft, neue Arbeitsplätze anzubieten.



      Also indem man Arbeitslosen mehr Geld gibt, verringert man die Gesamtzahl der Arbeitslosen.

  • Ich will nicht generell gegen Schulden argumentieren, aber: Schulden müssen mit Zinsen wieder zurückgezahlt werden, und das schränkt den Ausgabenspielraum im Haushalt z.T. deutlich ein. Natürlich braucht es mehr Flexibilität beim Schuldenmachen für notwendige Investitionen, aber bevor man über neue Schulden nachdenkt, könnte man ja zunächst mal die Einnahmesituation verbessern.

    Ende 2024 stand das private Geldvermögen (!) laut Tagesschau bei ca. 9,3 Billionen Euro. Dieses Geldvermögen befindet sich in der Hand von wie vielen Menschen? 10-15% der Bevölkerung? Wenn man nur 10% davon durch progressive Besteuerung von Einkommen und Vermögen nutzen könnte, wären diese 10-15% der Bevölkerung immer noch sehr, sehr, sehr wohlhabend bis obszön reich, und wir könnten hier eine ganze Menge Probleme in Sachen Infrastruktur und Verteidigung aus der Portokasse zahlen, ohne auch nur einen Euro Schulden aufnehmen zu müssen.

    Natürlich ist mir aber klar, dass CDU und SPD stattdessen lieber die zukünftigen Generationen mit mehr Schulden belasten oder den Sozialstaat wegkürzen oder ggf. die Mehrwertsteuer erhöhen und damit die untere bis mittlere Bevölkerungsschicht massiv belasten.

  • Es ist schön und gut, wenn sich jüngere Menschen auch in der Öffentlichkeit mit schwierigen Themen auseinandersetzen.



    Andererseits ist es nicht schön, wenn solche Thesen das Ergebnis sind. Man möge die Griechen und Argentinier fragen, was der Wert der hohen Verschuldung ist.

  • Genauso sehe ich das auch! Der Staat kann nur dann Steuergeld ausgeben, wenn dahinter erbrachte Leistung stehen. Dann nutzt auch das ganze Lamentieren über sozialen Zusammenhalt nichts, wenn man die ökonomischen Zusammenhänge nicht beachtet. Diese sollte man zumindestens kennen und dann auch einhalten.

  • Falsch an diesem Text ist die Annahme, dass Bürgergeldempfänger die Investitionsspritzen für die Wirtschaft schlechthin sind. Sie machen nur einen relativ kleinen Teil möglicher Einnahmen für Wirtschaft und Staat aus, der außerdem wenig nachhaltig ist. Jeder Cent dieser Ausgaben muss vorher irgendwo erwirtschaftet werden und bringt dem Staat kaum Rendite.



    Wenn der Staat Schulden machen muss, dann nur für große nachhaltige Investitionen in Infrastruktur, Bildung, Standorte (und derzeit für Sicherheit) und nicht, um reine Konsumausgaben weiter zu erhöhen.

  • Der Artikel vergisst, das Werte durch Arbeit geschaffen werden und nicht durch Geld. Der Bürgergeldempfängervschafft keine Werte. Er nimmt Werte entgegen. Die Gegenwerte muss wer anderes schaffen.

    • @Strolch:

      Das mag zwar so sein, ist aber irrelevant. Nehmen wir als Gegenbeispiel mich selbst: Ich gehöre zu denen, die relativ viel Steuern zahlen. Würde ich weniger Steuern zahlen, weil wir evtl. ein bisschen weniger Bürgergeld auszahle, wo würde dann mein Geld landen? Wahrscheinlich am Aktienmarkt, denn ich würde nicht mehr konsumieren, wenn ich etwas mehr Geld hätte. Wenn man den Konsum stärken will, ist es besser, Bürgergeld zu zahlen, als die 10% mit dem höchsten Einkommen und Vermögen (zu denen ich selbst zähle) weiter zu mästen.