Bürgergeld und Finanzierung: Gerechtere Verteilung der Krankheitskosten
Krankenversorgung im Bürgergeld soll künftig aus Steuermitteln bezahlt werden, denn das schont die Krankenkassen. Doch woher kommt das Geld?
Laut der Vorlage der AG Gesundheit und Pflege in den Koalitionsverhandlungen sollen künftig jährlich zehn Milliarden Euro aus Steuermitteln zusätzlich für die Gesundheitsversorgung der Bürgergeldempfänger:innen an die gesetzlichen Kassen fließen. In der Vorlage heißt es: „Wir ergreifen Maßnahmen zur Stabilisierung der Beitragssätze. Die bisher nicht kostendeckenden Beiträge für Bürgergeldempfänger werden wir aus Steuermitteln vollständig finanzieren.“
Die gesetzlichen Kassen wären damit ein bisschen entlastet. Die Ungerechtigkeit besteht laut Storm auch darin, dass für Bürgergeldempfänger:innen zwar die gesetzlich Versicherten durch ihre Beiträge mitzahlen, die privat Versicherten aber nicht.
Nach den Zahlen des Sozialverbands VDK von 2024 erhalten die gesetzlichen Krankenkassen für jede:n Bürgergeldempfänger:in, der oder die gesetzlich versichert ist, vom Staat nur eine Pauschale von 109 Euro pro Monat. Was darüber hinaus an Kosten für die Gesundheitsversorgung der Bürgergeldbezieher:innen und ihrer Haushaltsangehörigen anfällt, müssen die gesetzlichen Kassen aus den Beiträgen aller gesetzlich Versicherten ausgleichen. Der staatliche Zuschuss für privat Versicherte im Bürgergeldbezug beträgt hingegen rund 422 Euro monatlich an die Privatkassen.
Finanzierungsvorbehalt gilt
Ein Gutachten des Gesundheitsforschungsinstituts IGES hat die „Finanzierungslücke“ bei den Bürgergeldempfänger:innen genauer ausgerechnet. Nach Zahlen aus dem Jahre 2022 hätte der Staat im Monat eine Beitragspauschale von 311 Euro für jede:n Bürgergeldempfänger:in an die gesetzlichen Krankenkassen zahlen müssen, um die tatsächlichen Ausgaben für die Leistungsempfänger:innen und ihre Familienangehörigen abzudecken. Insgesamt kam das IGES-Institut auf eine Unterfinanzierung von 9,2 Milliarden Euro im Jahr bei den gesetzlichen Kassen.
Inwieweit die Ankündigung in den Koalitionsverhandlungen am Ende auch umgesetzt wird, ist allerdings fraglich. Schließlich stehen alle Vorhaben unter „Finanzierungsvorbehalt“, heißt es in den Koalitionsverhandlungen. Hinzu kommt, dass künftig noch ein weiterer Posten, der aus Sozialbeiträgen bezahlt wird, möglichst aus dem Bundeshaushalt finanziert werden soll. Die Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige werden derzeit aus den Mitteln der Pflegeversicherung finanziert.
Eine Stabilisierung der Pflegeversicherung sei aber „nur möglich, wenn der Bund versicherungsfremde Leistungen wie die Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörigen und die Ausbildungsumlage übernimmt“, heißt es in der Vorlage der AG Gesundheit und Pflege. Immerhin müssten dadurch jährlich vier Milliarden Euro zusätzliche Ausgaben aus der Pflegekasse in den Bundeshaushalt verschoben werden.
Verhetzungspotential ist groß
Kommen die Entlastungen für die Sozialkassen nicht, werden auch die Arbeitgeber weiter über hohe Beiträge für die Sozialversicherungen klagen. Andererseits aber steigen die im Bundeshaushalt sichtbaren Kosten für das Bürgergeld dann von derzeit rund 40 auf rund 50 Milliarden Euro im Jahr. Die Notwendigkeit von mehr Steuergeldern wirft zudem Verteilungsfragen auf. Darin liegt auch Verhetzungspotenzial. Zumal der wohl künftige Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) große Einsparungen beim Bürgergeld angekündigt hat.
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